Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Herostrat. Ha ha, Bismarck der "Herostrat des Jahrhunderts." Der Witz ist Kein Wunder, daß der Herostratenwitz dem "Berliner Tageblatt" sehr ge¬ Aus dem kurfürstlichen Hessen. S Maßgebliches und Unmaßgebliches Herostrat. Ha ha, Bismarck der „Herostrat des Jahrhunderts." Der Witz ist Kein Wunder, daß der Herostratenwitz dem „Berliner Tageblatt" sehr ge¬ Aus dem kurfürstlichen Hessen. S <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0608" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213722"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1901" prev="#ID_1900"> Herostrat. Ha ha, Bismarck der „Herostrat des Jahrhunderts." Der Witz ist<lb/> ausgezeichnet, aus—ge—zeich—net! er trifft den Nagel auf deu Kopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1902"> Kein Wunder, daß der Herostratenwitz dem „Berliner Tageblatt" sehr ge¬<lb/> fällt; ein guter Witz, das ist so recht sein Element. Das Tageblatt hat denn<lb/> auch richtig entdeckt, daß auf dem konservativen Parteitage zu Berlin sieben, sage<lb/> sieben anständige Leute gewesen sind (die gegen die Streichung des Satzes stimmten:<lb/> „Wir verwerfen die Ausschreitungen des Antisemitismus"), denen nun nichts mehr<lb/> übrig bleibe, als aus der Gemeinschaft solcher „gebrandmarkten Herostraten" aus¬<lb/> zuscheiden. Ja ja, die Zeit der Heroen ist abgelaufen, wir treten ins Zeitalter<lb/> der Hervstraten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Aus dem kurfürstlichen Hessen.</head> <p xml:id="ID_1903" next="#ID_1904"> S<lb/> o oft und eingehend auch schon die<lb/> Zustände des frühern Kurfürstentums Hessen während der letzten Jahrzehnte seines<lb/> Bestehens geschildert worden sind, so bringt doch ein kürzlich erschienenes Buch<lb/> noch mancherlei Neues. I)r. O. Gerland, jetzt Polizeidirigent in Hildesheim, hat<lb/> soeben unter dem Titel: „1310 bis 1860. Zwei Menschenalter kurhessischer Ge¬<lb/> schichte nach den Erinnerungen und Aufzeichnungen des Generalmajors Gerland"<lb/> ein Buch herausgegeben (Kassel, bei Bruunemnnu), worin er in Form einer Art<lb/> von Biographie seines Vaters, eines der tüchtigsten Offiziere, die Hessen gehabt<lb/> hat, thatsächlich ein Bild der öffentlichen Verhältnisse Hessens giebt, wie es an¬<lb/> schaulicher in keinem geschichtlichen Werke gefunden werden kaun. General Ger¬<lb/> land hat das eigentümliche Mißgeschick gehabt, zu deu verschiedensten Zeiten alle,<lb/> und namentlich die hervorragendsten Mißstände des Landes, zu koste». Aber man<lb/> muß die ehrliche, gerade und noble Art bewundern, wie sich ein höherer Offizier<lb/> gegenüber allen Launen seines Kriegsherrn und in den vielfach schwierigen Lagen,<lb/> die dieser gerade für Militärs geschaffen hatte, benommen hat. Gerland begann<lb/> seine Laufbahn in westfälischer Zeit, erlangte schon damals hohe Anerkennung<lb/> seiner Leistungen und zeichnete sich aus vor manchen andern Offizieren, die sich<lb/> unter den Einflüssen jener Zwischenzeit nicht immer korrekt benommen hatten.<lb/> Dann kommt eine Schilderung der Verhältnisse nach Wiedereinsetzung des Kur¬<lb/> fürsten. In einem folgenden Abschnitt, der die Zeit von 1831 bis 1848 umfaßt,<lb/> sehen wir den General in der ihm plötzlich gewordnen Aufgabe beim Eisenbahn¬<lb/> bau. Sehr interessant ist die Rolle, die der General beim Tode des Kurfürsten<lb/> Wilhelms des Zweiten im hessischen Offizierkorps spielte, als es sich um seine<lb/> Stellung zum Verfassungseide handelte. Mau erfährt hier im einzelnen, wie er<lb/> und die übrigen der gewissenhaftesten Offiziere von oben verfolgt worden find,<lb/> als ob sie selbst an dem Bestehen eines solchen Eides in der Staatsverfassung<lb/> Schuld gehabt hätten. Unter der Überschrift „Die Zeit des Freiheitstaumels"<lb/> werden ausführlich die Vorgänge in Kassel im März 1848 geschildert und nament¬<lb/> lich über die Veranlassung zu dem plötzlichen EinHauen der Garde du Corps in<lb/> die Menschenmassen neue Mitteilungen gemacht. Es war das bekanntlich der erste<lb/> Vorgang, der als Zeichen von „Reaktion" in Deutschland aufgefaßt wurde, und<lb/> um deswillen der Fünfzigerausschuß Abgeordnete nach Kassel schickte. Weitere<lb/> Einblicke in das damalige Treiben liefert Gerlands Beteiligung an dem Vereins¬<lb/> wesen in Kassel. Manches an diesem Treiben war ja recht verwerflich, aber wir<lb/> hätten doch gewünscht, daß die Darstellung etwas weniger der Auffassung Raum<lb/> gegeben hätte, als ob die Zustände Kurhesseus vou 1843 denen andrer Staaten<lb/> gleichgestellt werden könnten. Nirgends in Deutschland hat sich das Volk im gauzeu<lb/> ruhiger und gesetzmäßiger Verhalten als gerade in Hessen. Freilich ist das ja durch</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0608]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Herostrat. Ha ha, Bismarck der „Herostrat des Jahrhunderts." Der Witz ist
ausgezeichnet, aus—ge—zeich—net! er trifft den Nagel auf deu Kopf.
Kein Wunder, daß der Herostratenwitz dem „Berliner Tageblatt" sehr ge¬
fällt; ein guter Witz, das ist so recht sein Element. Das Tageblatt hat denn
auch richtig entdeckt, daß auf dem konservativen Parteitage zu Berlin sieben, sage
sieben anständige Leute gewesen sind (die gegen die Streichung des Satzes stimmten:
„Wir verwerfen die Ausschreitungen des Antisemitismus"), denen nun nichts mehr
übrig bleibe, als aus der Gemeinschaft solcher „gebrandmarkten Herostraten" aus¬
zuscheiden. Ja ja, die Zeit der Heroen ist abgelaufen, wir treten ins Zeitalter
der Hervstraten.
Aus dem kurfürstlichen Hessen. S
o oft und eingehend auch schon die
Zustände des frühern Kurfürstentums Hessen während der letzten Jahrzehnte seines
Bestehens geschildert worden sind, so bringt doch ein kürzlich erschienenes Buch
noch mancherlei Neues. I)r. O. Gerland, jetzt Polizeidirigent in Hildesheim, hat
soeben unter dem Titel: „1310 bis 1860. Zwei Menschenalter kurhessischer Ge¬
schichte nach den Erinnerungen und Aufzeichnungen des Generalmajors Gerland"
ein Buch herausgegeben (Kassel, bei Bruunemnnu), worin er in Form einer Art
von Biographie seines Vaters, eines der tüchtigsten Offiziere, die Hessen gehabt
hat, thatsächlich ein Bild der öffentlichen Verhältnisse Hessens giebt, wie es an¬
schaulicher in keinem geschichtlichen Werke gefunden werden kaun. General Ger¬
land hat das eigentümliche Mißgeschick gehabt, zu deu verschiedensten Zeiten alle,
und namentlich die hervorragendsten Mißstände des Landes, zu koste». Aber man
muß die ehrliche, gerade und noble Art bewundern, wie sich ein höherer Offizier
gegenüber allen Launen seines Kriegsherrn und in den vielfach schwierigen Lagen,
die dieser gerade für Militärs geschaffen hatte, benommen hat. Gerland begann
seine Laufbahn in westfälischer Zeit, erlangte schon damals hohe Anerkennung
seiner Leistungen und zeichnete sich aus vor manchen andern Offizieren, die sich
unter den Einflüssen jener Zwischenzeit nicht immer korrekt benommen hatten.
Dann kommt eine Schilderung der Verhältnisse nach Wiedereinsetzung des Kur¬
fürsten. In einem folgenden Abschnitt, der die Zeit von 1831 bis 1848 umfaßt,
sehen wir den General in der ihm plötzlich gewordnen Aufgabe beim Eisenbahn¬
bau. Sehr interessant ist die Rolle, die der General beim Tode des Kurfürsten
Wilhelms des Zweiten im hessischen Offizierkorps spielte, als es sich um seine
Stellung zum Verfassungseide handelte. Mau erfährt hier im einzelnen, wie er
und die übrigen der gewissenhaftesten Offiziere von oben verfolgt worden find,
als ob sie selbst an dem Bestehen eines solchen Eides in der Staatsverfassung
Schuld gehabt hätten. Unter der Überschrift „Die Zeit des Freiheitstaumels"
werden ausführlich die Vorgänge in Kassel im März 1848 geschildert und nament¬
lich über die Veranlassung zu dem plötzlichen EinHauen der Garde du Corps in
die Menschenmassen neue Mitteilungen gemacht. Es war das bekanntlich der erste
Vorgang, der als Zeichen von „Reaktion" in Deutschland aufgefaßt wurde, und
um deswillen der Fünfzigerausschuß Abgeordnete nach Kassel schickte. Weitere
Einblicke in das damalige Treiben liefert Gerlands Beteiligung an dem Vereins¬
wesen in Kassel. Manches an diesem Treiben war ja recht verwerflich, aber wir
hätten doch gewünscht, daß die Darstellung etwas weniger der Auffassung Raum
gegeben hätte, als ob die Zustände Kurhesseus vou 1843 denen andrer Staaten
gleichgestellt werden könnten. Nirgends in Deutschland hat sich das Volk im gauzeu
ruhiger und gesetzmäßiger Verhalten als gerade in Hessen. Freilich ist das ja durch
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