Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Bilder aus dein Universitätsleben bei dem sie so lange bleiben will, bis sich Louis wieder emporgearbeitet Ach, es ist ja so boshaft von mir, aber ich hätte über dieses Strafgericht O, wie alle die Schmeichler und Schmarotzer auseinander geflogen sind! Mit meinem juristischen Studium ist es selbstverständlich zu Ende, und Was nun aus mir werden soll -- ich weiß es nicht. Ich kann nicht Und dabei gährt und bebt es in meinem Geiste, daß ich verzweifeln ö Liebster Freund, Gruß zuvor! den 31. Dezember. Ich will Ich will arbeiten an den Bausteinen für einen neuen Tempel, ich will Bilder aus dein Universitätsleben bei dem sie so lange bleiben will, bis sich Louis wieder emporgearbeitet Ach, es ist ja so boshaft von mir, aber ich hätte über dieses Strafgericht O, wie alle die Schmeichler und Schmarotzer auseinander geflogen sind! Mit meinem juristischen Studium ist es selbstverständlich zu Ende, und Was nun aus mir werden soll — ich weiß es nicht. Ich kann nicht Und dabei gährt und bebt es in meinem Geiste, daß ich verzweifeln ö Liebster Freund, Gruß zuvor! den 31. Dezember. Ich will Ich will arbeiten an den Bausteinen für einen neuen Tempel, ich will <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213457"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dein Universitätsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> bei dem sie so lange bleiben will, bis sich Louis wieder emporgearbeitet<lb/> haben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060"> Ach, es ist ja so boshaft von mir, aber ich hätte über dieses Strafgericht<lb/> aufjauchzen mögen. Es giebt noch eine Gerechtigkeit, Fritz, es giebt noch eine<lb/> himmlische Gerechtigkeit!</p><lb/> <p xml:id="ID_1061"> O, wie alle die Schmeichler und Schmarotzer auseinander geflogen sind!<lb/> Sie kennen meinen Bruder nicht mehr, sie kennen mich nicht mehr. Nur zur<lb/> Auktion sind noch einige gekommen und haben sich die schönsten Sachen für<lb/> ein Spottgeld gekauft — zum Andenken, wie sie sagten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062"> Mit meinem juristischen Studium ist es selbstverständlich zu Ende, und<lb/> ich freue mich drüber. Ich bin zu diesem Formelkram uicht geschaffen. Die<lb/> Philosophie hat mich ganz in ihre Bande geschlagen, ich komme nicht mehr<lb/> von ihr los. Und doch finde ich in allen Systemen nicht das, was ich suche:<lb/> Befriedigung, Sicherheit, Wahrheit. O über den frommen Glauben unsrer<lb/> Väter, wer giebt ihn uus wieder! Du schreibst, ich solle zum Christentum<lb/> übertreten. Lieber Freund, das ist unmöglich, das ist für mich ein bloßes<lb/> Gaukelspiel, das mich beim Andenken an meine Mutter schamrot machen würde.<lb/> Diese schmachvolle und dabei ganz nutzlose Fahnenflucht ergreife ich nicht.<lb/> Es ist so süß, Märtyrer seines alten Glaubens zu sein, aber man muß sich<lb/> wieder zu ihm durchgekämpft haben. Der Glaube ist uicht eine Sache des<lb/> Verstandes, sondern des Blutes, ich kann hierin nicht dem bloßen Ver¬<lb/> stände solgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1063"> Was nun aus mir werden soll — ich weiß es nicht. Ich kann nicht<lb/> betteln, und von selbst ist bis jetzt niemand zu mir gekommen, um mir zu<lb/> helfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1064"> Und dabei gährt und bebt es in meinem Geiste, daß ich verzweifeln<lb/> mochte. Ach, hätte ich mich doch endlich aus diesem Wirbel emporgerungen!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> ö</head><lb/> <p xml:id="ID_1065"><note type="salute"> Liebster Freund, Gruß zuvor!</note> den 31. Dezember. Ich will<lb/> dieses entsetzliche Jahr einer schweren Prüfung nicht dahingehen lasten, ohne<lb/> dir zum Schluß noch ein paar Zeilen zu schreiben. Wirst du nicht erschrecken?<lb/> Ich bin seit einigen Wochen hier in Paris Zögling des Rabbinatsseminars.<lb/> Ich fühle mich endlich frei, glücklich, schaffensfreudig. Es war für mich<lb/> ein schwerer Schritt, aber ich Habs gewagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1066"> Ich will arbeiten an den Bausteinen für einen neuen Tempel, ich will<lb/> arbeiten an der Wiedergeburt des Judentums, des alten, gesunden, gottes-<lb/> fürchtigen Judentums. Bald erfährst du mehr von mir. Bewahre mir deine<lb/> Freundschaft!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Bilder aus dein Universitätsleben
bei dem sie so lange bleiben will, bis sich Louis wieder emporgearbeitet
haben wird.
Ach, es ist ja so boshaft von mir, aber ich hätte über dieses Strafgericht
aufjauchzen mögen. Es giebt noch eine Gerechtigkeit, Fritz, es giebt noch eine
himmlische Gerechtigkeit!
O, wie alle die Schmeichler und Schmarotzer auseinander geflogen sind!
Sie kennen meinen Bruder nicht mehr, sie kennen mich nicht mehr. Nur zur
Auktion sind noch einige gekommen und haben sich die schönsten Sachen für
ein Spottgeld gekauft — zum Andenken, wie sie sagten.
Mit meinem juristischen Studium ist es selbstverständlich zu Ende, und
ich freue mich drüber. Ich bin zu diesem Formelkram uicht geschaffen. Die
Philosophie hat mich ganz in ihre Bande geschlagen, ich komme nicht mehr
von ihr los. Und doch finde ich in allen Systemen nicht das, was ich suche:
Befriedigung, Sicherheit, Wahrheit. O über den frommen Glauben unsrer
Väter, wer giebt ihn uus wieder! Du schreibst, ich solle zum Christentum
übertreten. Lieber Freund, das ist unmöglich, das ist für mich ein bloßes
Gaukelspiel, das mich beim Andenken an meine Mutter schamrot machen würde.
Diese schmachvolle und dabei ganz nutzlose Fahnenflucht ergreife ich nicht.
Es ist so süß, Märtyrer seines alten Glaubens zu sein, aber man muß sich
wieder zu ihm durchgekämpft haben. Der Glaube ist uicht eine Sache des
Verstandes, sondern des Blutes, ich kann hierin nicht dem bloßen Ver¬
stände solgen.
Was nun aus mir werden soll — ich weiß es nicht. Ich kann nicht
betteln, und von selbst ist bis jetzt niemand zu mir gekommen, um mir zu
helfen.
Und dabei gährt und bebt es in meinem Geiste, daß ich verzweifeln
mochte. Ach, hätte ich mich doch endlich aus diesem Wirbel emporgerungen!
ö
Liebster Freund, Gruß zuvor! den 31. Dezember. Ich will
dieses entsetzliche Jahr einer schweren Prüfung nicht dahingehen lasten, ohne
dir zum Schluß noch ein paar Zeilen zu schreiben. Wirst du nicht erschrecken?
Ich bin seit einigen Wochen hier in Paris Zögling des Rabbinatsseminars.
Ich fühle mich endlich frei, glücklich, schaffensfreudig. Es war für mich
ein schwerer Schritt, aber ich Habs gewagt.
Ich will arbeiten an den Bausteinen für einen neuen Tempel, ich will
arbeiten an der Wiedergeburt des Judentums, des alten, gesunden, gottes-
fürchtigen Judentums. Bald erfährst du mehr von mir. Bewahre mir deine
Freundschaft!
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