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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nil der Architektur im engern Verstünde, ergeben zwei weitere Denkschriften, das:
mich die Programme für die bildnerische Ausschmückung beider Mnseumsgcbände
von ihm persönlich ausgearbeitet worden sind, zugleich mit Bezeichnung der Künstler,
denen er die einzelnen Aufgaben zudachte. Die Schriftstücke sind von seiner Hand
und mit handschriftlichen Verbesserungen von ihm versehen. Vor allem aber tragen
sie den Stempel seines Geistes, seiner Methode, seines außerordentlichen Wissens.
Herrn Hasenauer dürfte mit der Annahme schwerlich zu nahe getreten werden, daß
er so wenig wie die große Mehrzahl seiner Berufsgenossen eine deutliche Vorstel¬
lung von der Bedeutung vieler von Semper aufgezählten Künstler- und Gelehrten¬
namen gehabt haben werde.

Der bisherige Verlauf des Streites schien nur die Wahrheit des Satzes zu
bestätigen, daß der Lebende Recht hat. Diese Schrift aber trügt als Motto ein
toskanisches Sprichwort: I^a, voritZ. visu "omxrs a, g'all-i, -- die Wahrheit dringt
immer durch. Zu allem Überfluß gab die diesjährige Wiener Ausstellung taufenden
Gelegenheit, zu erkennen, daß in dem neuen Burgtheater Sempers Plan für ein
Festspieltheater in München im wesentlichen zur Ausführung gekommen ist.

Wird man sich in Wien offiziell auch jetzt noch an die "Angaben des Frei¬
herrn von Hasenauer" gebunden erachten?


Die Kunst und der Geldsack.

Auch das Buch von Otto Brahm über den
unglücklichen Maler Stauffer beutet die Sozialdemokratie für sich aus. Aber mau
muß es Mehring lassen, daß das, was er in Ur. 4 der Neuen Zeit darüber sagt,
ein Körnchen Wahrheit enthält. Wir haben denselben Gegenstand in den Grenz¬
boten ein paar Mal mit der Frage gestreift, ob es wirklich wahr sei, daß große
Privatreichtümer der Kunst förderlich oder gar notwendig seien? Darauf geben
nun auch die Briefe, die der genannte Schweizer Maler aus Berlin geschrieben
hat, einigermaßen Antwort. Wenige Sätze daraus werden genügen, seine und
unsre Meinung klar zu machen. Es ging ihm nicht gut und gefiel ihm nicht in
Berlin. Die Aussicht, daß er in München eine Professur erhalten, dort dann in
stiller Häuslichkeit sorgenfrei seiner Kunst leben könne, entzückte ihn. In Berlin
mußte er malen, nicht wozu ihn der Genius trieb, sondern was Geld brachte.
Um aber Geld zu verdienen, schrieb er in einem seiner Briefe, müsse einer immer
dasselbe malen, das nämlich, wodurch er zuerst berühmt geworden sei. "Hat einer
mal einen Wurf gethan und kennt man ihn als den, der "die" Bilder, die "so"
aussehen, malt, daß auch der Dümmste sofort sagen kann, aha! das ist der und
der, und seine mehr oder minder geistreichen Glossen daran zu knüpfen in den
Stand gesetzt ist, so verkauft der Künstler seine Werke, denn das Publikum resp,
der Bankier, der so was kauft, hat dann die Genugthuung, daß das Bild sofort
erkannt wird als ein Max oder Defregger oder Ueberhand, oder wie die Leute
sonst heißen." In Berlin habe er vorzugsweise Porträts malen müssen. Er
glaube ja auch Anlage zu diesem Fach zu haben, "aber mein ganzes Leben Juda
und Israel zu malen, wäre doch entsetzlich." Man kann sich denken, wie der
Sozialdemokrat solche Äußerungen verwertet.


Mode und Deutschtum.

Auf Trachtenbildern früherer Jahrhunderte sehen
wir nicht ohne Mitleid die kleinen Mädchen in langen, bis auf die Füße reichenden
Kleidern, gerade wie die Erwachsenen, und freuen uns, daß unser Jahrhundert den
Kleinen ihre eigne Tracht und kürzere Kleider gegeben hat. Ist diese Kürze auch
zeitweise etwas seiltänzerhaft gewesen, so hat sie doch unschätzbare Vorteile für


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nil der Architektur im engern Verstünde, ergeben zwei weitere Denkschriften, das:
mich die Programme für die bildnerische Ausschmückung beider Mnseumsgcbände
von ihm persönlich ausgearbeitet worden sind, zugleich mit Bezeichnung der Künstler,
denen er die einzelnen Aufgaben zudachte. Die Schriftstücke sind von seiner Hand
und mit handschriftlichen Verbesserungen von ihm versehen. Vor allem aber tragen
sie den Stempel seines Geistes, seiner Methode, seines außerordentlichen Wissens.
Herrn Hasenauer dürfte mit der Annahme schwerlich zu nahe getreten werden, daß
er so wenig wie die große Mehrzahl seiner Berufsgenossen eine deutliche Vorstel¬
lung von der Bedeutung vieler von Semper aufgezählten Künstler- und Gelehrten¬
namen gehabt haben werde.

Der bisherige Verlauf des Streites schien nur die Wahrheit des Satzes zu
bestätigen, daß der Lebende Recht hat. Diese Schrift aber trügt als Motto ein
toskanisches Sprichwort: I^a, voritZ. visu »omxrs a, g'all-i, — die Wahrheit dringt
immer durch. Zu allem Überfluß gab die diesjährige Wiener Ausstellung taufenden
Gelegenheit, zu erkennen, daß in dem neuen Burgtheater Sempers Plan für ein
Festspieltheater in München im wesentlichen zur Ausführung gekommen ist.

Wird man sich in Wien offiziell auch jetzt noch an die „Angaben des Frei¬
herrn von Hasenauer" gebunden erachten?


Die Kunst und der Geldsack.

Auch das Buch von Otto Brahm über den
unglücklichen Maler Stauffer beutet die Sozialdemokratie für sich aus. Aber mau
muß es Mehring lassen, daß das, was er in Ur. 4 der Neuen Zeit darüber sagt,
ein Körnchen Wahrheit enthält. Wir haben denselben Gegenstand in den Grenz¬
boten ein paar Mal mit der Frage gestreift, ob es wirklich wahr sei, daß große
Privatreichtümer der Kunst förderlich oder gar notwendig seien? Darauf geben
nun auch die Briefe, die der genannte Schweizer Maler aus Berlin geschrieben
hat, einigermaßen Antwort. Wenige Sätze daraus werden genügen, seine und
unsre Meinung klar zu machen. Es ging ihm nicht gut und gefiel ihm nicht in
Berlin. Die Aussicht, daß er in München eine Professur erhalten, dort dann in
stiller Häuslichkeit sorgenfrei seiner Kunst leben könne, entzückte ihn. In Berlin
mußte er malen, nicht wozu ihn der Genius trieb, sondern was Geld brachte.
Um aber Geld zu verdienen, schrieb er in einem seiner Briefe, müsse einer immer
dasselbe malen, das nämlich, wodurch er zuerst berühmt geworden sei. „Hat einer
mal einen Wurf gethan und kennt man ihn als den, der „die" Bilder, die „so"
aussehen, malt, daß auch der Dümmste sofort sagen kann, aha! das ist der und
der, und seine mehr oder minder geistreichen Glossen daran zu knüpfen in den
Stand gesetzt ist, so verkauft der Künstler seine Werke, denn das Publikum resp,
der Bankier, der so was kauft, hat dann die Genugthuung, daß das Bild sofort
erkannt wird als ein Max oder Defregger oder Ueberhand, oder wie die Leute
sonst heißen." In Berlin habe er vorzugsweise Porträts malen müssen. Er
glaube ja auch Anlage zu diesem Fach zu haben, „aber mein ganzes Leben Juda
und Israel zu malen, wäre doch entsetzlich." Man kann sich denken, wie der
Sozialdemokrat solche Äußerungen verwertet.


Mode und Deutschtum.

Auf Trachtenbildern früherer Jahrhunderte sehen
wir nicht ohne Mitleid die kleinen Mädchen in langen, bis auf die Füße reichenden
Kleidern, gerade wie die Erwachsenen, und freuen uns, daß unser Jahrhundert den
Kleinen ihre eigne Tracht und kürzere Kleider gegeben hat. Ist diese Kürze auch
zeitweise etwas seiltänzerhaft gewesen, so hat sie doch unschätzbare Vorteile für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/290>, abgerufen am 22.12.2024.