Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches dieser Reise nichts erzählen konnten. Seit der Zeit sprachen wir nur mit Maßgebliches und Unmaßgebliches Svuntagspolitiker. Ein gmiz wertvolles Geständnis hat der Berliner Auch ein Zeichen der Zeit. Bei der Stadtschuldeputation einer ost¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches dieser Reise nichts erzählen konnten. Seit der Zeit sprachen wir nur mit Maßgebliches und Unmaßgebliches Svuntagspolitiker. Ein gmiz wertvolles Geständnis hat der Berliner Auch ein Zeichen der Zeit. Bei der Stadtschuldeputation einer ost¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0629" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213105"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2140" prev="#ID_2139"> dieser Reise nichts erzählen konnten. Seit der Zeit sprachen wir nur mit<lb/> Vorsicht von der Klosterreise; sie wurde für uns selbst immer geheimnisvoller,<lb/> aber je mehr sie in die Vergangenheit rückte, desto schöner wurde sie. Nur<lb/> in der Dämmerung sprachen wir zwei noch oft vom Kloster, von den Gärten<lb/> und ihren Blumen, von Sophien und ihrer Küche, von Kule und den Gras¬<lb/> hüpfern, und wenn dann Jürgen und ich in ein nicht zu bannendes Gelächter<lb/> ausbrachen, sagten die großen Brüder: Nun hört nur die dummen Kleinen,<lb/> die lachen wieder über gar nichts! Aber wir wußten wohl, worüber wir<lb/> lachten; wir sagten es nnr nicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Svuntagspolitiker.</head> <p xml:id="ID_2141"> Ein gmiz wertvolles Geständnis hat der Berliner<lb/> Korrespondent der Breslauer Zeitung abgelegt, angeblich der Abgeordnete Meyer,<lb/> der in seinen Reden den Herren Stettenheim und Genossen Konkurrenz zu machen<lb/> sucht. Wir meinen damit nicht die Versicherung, daß der „freisinnigen" Partei<lb/> die gegenwärtige Regierung trotz allem „immer noch lieber sei als eine Rückkehr<lb/> des Fürsten Bismarck"; das wird ihm jedermann muss Wort glauben, und die<lb/> norddeutsche Allgemeine wäre wohl imstande, auch diese Erklärung als Vertraneus-<lb/> kundgebung für die Negierung zu hundelt. Der geistreiche Herr belehrt seine Leser<lb/> dahin, daß „die politische Unzufriedenheit am größten sei in den Reihen derjenigen,<lb/> die sich nur an Sonntagen mit Politik beschäftigen, und man einer starken Mi߬<lb/> stimmung bei Leuten begegne, die für gewöhnlich sich um Politik nicht kümmern,"<lb/> oder, wie es vorher heißt, „die ihre Politische Speise aus den »parteilosen« Zei-<lb/> tungen entnehmen." Es ist sehr begreiflich, daß im Freisinn mehr Freude ist über<lb/> einen, der tagtäglich sein Lciborgcm „in den Kaffee stippt" (wie man in Berlin<lb/> sagt) und bei den verschiednen Schoppen, die den Tag angenehm ausfüllen, den<lb/> Inhalt des Blattes als seine Überzeugung wiederkäut, als über den Bürger, der<lb/> sich vor allem um das kümmert, was seines Amts ist, und sich seine Meinung<lb/> über den Gang der Tagesgeschichte nach den Thatsachen selbst bildet, nicht nach<lb/> Vorschrift dieses oder jenes Winkeldoktors. Unbefangne werden es sehr bedeutsam<lb/> finden, wenn sich gerade solcher dem Korrespondenten so unsympathischen Sonntags¬<lb/> politiker eine starke Mißstimmung bemächtigt hat, und die Regierung kann fiir<lb/> diesen Fingerzeig von — befreundeter Seite nur dankbar sein.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Auch ein Zeichen der Zeit.</head> <p xml:id="ID_2142" next="#ID_2143"> Bei der Stadtschuldeputation einer ost¬<lb/> preußischen Stadt lief vor kurzem eine Anfrage der Regierung ein, ob es sich<lb/> nicht empfehlen würde, daß an der Volksschule vou nächsten Ostern an ein katho¬<lb/> lischer Lehrer angestellt würde. Die etwas über 10000 Einwohner zählende,<lb/> durchaus evangelische Stadt hat aber unter den Volksschülern nur zwei Kinder<lb/> katholischen Glaubens auszuweisen! Diese Sorge des preußischen Staates um seine<lb/> lieben katholischen Unterthanen ist zwar sehr erfreulich, aber es wäre doch inter¬<lb/> essant, zu erfahren, ob auch in rein katholische» Gegenden ähnliche Anfragen wegen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0629]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
dieser Reise nichts erzählen konnten. Seit der Zeit sprachen wir nur mit
Vorsicht von der Klosterreise; sie wurde für uns selbst immer geheimnisvoller,
aber je mehr sie in die Vergangenheit rückte, desto schöner wurde sie. Nur
in der Dämmerung sprachen wir zwei noch oft vom Kloster, von den Gärten
und ihren Blumen, von Sophien und ihrer Küche, von Kule und den Gras¬
hüpfern, und wenn dann Jürgen und ich in ein nicht zu bannendes Gelächter
ausbrachen, sagten die großen Brüder: Nun hört nur die dummen Kleinen,
die lachen wieder über gar nichts! Aber wir wußten wohl, worüber wir
lachten; wir sagten es nnr nicht.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Svuntagspolitiker. Ein gmiz wertvolles Geständnis hat der Berliner
Korrespondent der Breslauer Zeitung abgelegt, angeblich der Abgeordnete Meyer,
der in seinen Reden den Herren Stettenheim und Genossen Konkurrenz zu machen
sucht. Wir meinen damit nicht die Versicherung, daß der „freisinnigen" Partei
die gegenwärtige Regierung trotz allem „immer noch lieber sei als eine Rückkehr
des Fürsten Bismarck"; das wird ihm jedermann muss Wort glauben, und die
norddeutsche Allgemeine wäre wohl imstande, auch diese Erklärung als Vertraneus-
kundgebung für die Negierung zu hundelt. Der geistreiche Herr belehrt seine Leser
dahin, daß „die politische Unzufriedenheit am größten sei in den Reihen derjenigen,
die sich nur an Sonntagen mit Politik beschäftigen, und man einer starken Mi߬
stimmung bei Leuten begegne, die für gewöhnlich sich um Politik nicht kümmern,"
oder, wie es vorher heißt, „die ihre Politische Speise aus den »parteilosen« Zei-
tungen entnehmen." Es ist sehr begreiflich, daß im Freisinn mehr Freude ist über
einen, der tagtäglich sein Lciborgcm „in den Kaffee stippt" (wie man in Berlin
sagt) und bei den verschiednen Schoppen, die den Tag angenehm ausfüllen, den
Inhalt des Blattes als seine Überzeugung wiederkäut, als über den Bürger, der
sich vor allem um das kümmert, was seines Amts ist, und sich seine Meinung
über den Gang der Tagesgeschichte nach den Thatsachen selbst bildet, nicht nach
Vorschrift dieses oder jenes Winkeldoktors. Unbefangne werden es sehr bedeutsam
finden, wenn sich gerade solcher dem Korrespondenten so unsympathischen Sonntags¬
politiker eine starke Mißstimmung bemächtigt hat, und die Regierung kann fiir
diesen Fingerzeig von — befreundeter Seite nur dankbar sein.
Auch ein Zeichen der Zeit. Bei der Stadtschuldeputation einer ost¬
preußischen Stadt lief vor kurzem eine Anfrage der Regierung ein, ob es sich
nicht empfehlen würde, daß an der Volksschule vou nächsten Ostern an ein katho¬
lischer Lehrer angestellt würde. Die etwas über 10000 Einwohner zählende,
durchaus evangelische Stadt hat aber unter den Volksschülern nur zwei Kinder
katholischen Glaubens auszuweisen! Diese Sorge des preußischen Staates um seine
lieben katholischen Unterthanen ist zwar sehr erfreulich, aber es wäre doch inter¬
essant, zu erfahren, ob auch in rein katholische» Gegenden ähnliche Anfragen wegen
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