Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Litteratur Schiller anlegt, gemessen werden, daß es als eine Gattung für sich betrachtet werden Mit welcher Feinheit und Sicherheit Werber die beiden schwerer verständ¬ Episteln von I. V. v. Scheffel. Stuttgart, Vonz 6- Comp., 1392 Wer einmal den Schauplatz froher Jugenderinnerungen wieder aufgesucht und Für die Redaktion verantwortlich: or. G. Wustmann in Leipzig Verlag von Fr, Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur Schiller anlegt, gemessen werden, daß es als eine Gattung für sich betrachtet werden Mit welcher Feinheit und Sicherheit Werber die beiden schwerer verständ¬ Episteln von I. V. v. Scheffel. Stuttgart, Vonz 6- Comp., 1392 Wer einmal den Schauplatz froher Jugenderinnerungen wieder aufgesucht und Für die Redaktion verantwortlich: or. G. Wustmann in Leipzig Verlag von Fr, Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0584" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213060"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1938" prev="#ID_1937"> Schiller anlegt, gemessen werden, daß es als eine Gattung für sich betrachtet werden<lb/> dürfe. Und der von Bischer behauptete und von andern ihm nachgesprochne Kon¬<lb/> flikt ist in der That gar nicht vorhanden; zum Glück ist Wischers Ansicht nicht so<lb/> verbreitet, wie der Verfasser zu glauben scheint, weil man nicht offen gegen sie<lb/> aufgetreten ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1939"> Mit welcher Feinheit und Sicherheit Werber die beiden schwerer verständ¬<lb/> lichen Gestalten des Dramas, den Tempelherrn und Reesa, charakterisirt, mit welcher<lb/> Bewunderung und Überzeugung er die Technik und den sittlichen Gehalt des Nathan<lb/> rühmt, das sieht man nicht bloß, man hört es beim Lesen dieses Buches, und um<lb/> so unmittelbarer wirkt es.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Episteln von I. V. v. Scheffel. Stuttgart, Vonz 6- Comp., 1392</head><lb/> <p xml:id="ID_1940"> Wer einmal den Schauplatz froher Jugenderinnerungen wieder aufgesucht und<lb/> die Bäume noch eben so grün und den Bach noch eben so klar und munter wie<lb/> einst angetroffen, wenn er auch dabei gefunden hat, daß manches andre in Wahr¬<lb/> heit kleinlicher aussehe als in der Erinnerung, der kann sich eilte ungefähre Vor¬<lb/> stellung von dem Eindruck machen, den wir von diesen Episteln erhalten haben.<lb/> Vor vierzig Jahren kam uns eine Abschrift von Briefen eines jungen Mannes in<lb/> die Hände, der nur in engerm Kreise als Verfasser launiger Gedichte in den<lb/> Fliegenden Blättern bekannt war und damals als Rechtspraktikant in Säkkingen<lb/> saß. Einige Jahre später erregte er die Aufmerksamkeit intimerer Freunde der Poesie,<lb/> und als dann eine Sammlung seiner Trinklieder und komischen Balladen erschienen<lb/> war, wurde er rasch berühmt, während wir uns oft jener Briefe erinnerten, die<lb/> wegen mancher Privatbeziehungen nicht für die Öffentlichkeit geeignet schienen. Nun<lb/> liegen sie hier gedruckt vor, das erste Drittel eines Bändchens füllend, das mit<lb/> dem Bildnis des Dichters ans einer Zeit geschmückt ist, als er noch nicht so be¬<lb/> häbig war, sondern mit muntern Angen in die Welt schaute, in der Tracht eines<lb/> Wanderburschen — wie an dem etwas übereilten Denkmal in Heidelberg. Und<lb/> wir erfreuen uus jeuer humorvollen Säkkinger Briefe heute uoch mehr als beim<lb/> ersten Lesen, wo wir noch nicht ahnen konnten, daß dem jungen Schreiberknecht<lb/> zwischen Polizeiakten und Studien über landesübliche Getränke der Stoff zu dem<lb/> — leider zur Oper verhunzten — Trompeter und zum Etkehcird zuwachsen würde.<lb/> Jetzt mutet uus manche Stelle wie eine kvmmentireude Anmerkung zu den Dich¬<lb/> tungen an, und die übermäßige Verherrlichung des Trinkens ohne Durst lassen wir<lb/> bei einem kaum der Universität entronnenen gern gelten. Weniger befriedigend im<lb/> ganzen sind die weitern Berichte, die Scheffel, zum Hofsekretär in Bruchsal vor¬<lb/> gerückt, später der Juristerei (und, wie er meint, auch der Poesie) abtrünnig und<lb/> mit dem „Malerspieß" bewaffnet, über italienische Wanderungen an den „Engeren"<lb/> in Heidelberg gesandt hat. Er befleißigt sich darin eines Chronikenstils, aus dem<lb/> er doch immer wieder herausfällt, und der, auch abgesehn hiervon, dem Vortrage<lb/> etwas gesuchtes und gezwungnes giebt. Schade drum. sind seine Erlebnisse auf<lb/> der Fahrt uach Rom, dort und im Albanergebirge u. f. w. nnr selten außer¬<lb/> gewöhnlicher Art, und spielt auch da die „Trinknng" eine etwas zu große Rolle,<lb/> so giebt ihnen doch die Zeit (während der Besetzung durch die Franzosen und vor<lb/> deu Eisenbahnen) ihre besondre Färbung, und die Briefe würden einen eben so<lb/> frischen und natürlichen Eindruck wie die Säkkinger machen, wenn sie in demselben<lb/> natürlichen Stil geschrieben wären.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: or. G. Wustmann in Leipzig<lb/> Verlag von Fr, Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0584]
Litteratur
Schiller anlegt, gemessen werden, daß es als eine Gattung für sich betrachtet werden
dürfe. Und der von Bischer behauptete und von andern ihm nachgesprochne Kon¬
flikt ist in der That gar nicht vorhanden; zum Glück ist Wischers Ansicht nicht so
verbreitet, wie der Verfasser zu glauben scheint, weil man nicht offen gegen sie
aufgetreten ist.
Mit welcher Feinheit und Sicherheit Werber die beiden schwerer verständ¬
lichen Gestalten des Dramas, den Tempelherrn und Reesa, charakterisirt, mit welcher
Bewunderung und Überzeugung er die Technik und den sittlichen Gehalt des Nathan
rühmt, das sieht man nicht bloß, man hört es beim Lesen dieses Buches, und um
so unmittelbarer wirkt es.
Episteln von I. V. v. Scheffel. Stuttgart, Vonz 6- Comp., 1392
Wer einmal den Schauplatz froher Jugenderinnerungen wieder aufgesucht und
die Bäume noch eben so grün und den Bach noch eben so klar und munter wie
einst angetroffen, wenn er auch dabei gefunden hat, daß manches andre in Wahr¬
heit kleinlicher aussehe als in der Erinnerung, der kann sich eilte ungefähre Vor¬
stellung von dem Eindruck machen, den wir von diesen Episteln erhalten haben.
Vor vierzig Jahren kam uns eine Abschrift von Briefen eines jungen Mannes in
die Hände, der nur in engerm Kreise als Verfasser launiger Gedichte in den
Fliegenden Blättern bekannt war und damals als Rechtspraktikant in Säkkingen
saß. Einige Jahre später erregte er die Aufmerksamkeit intimerer Freunde der Poesie,
und als dann eine Sammlung seiner Trinklieder und komischen Balladen erschienen
war, wurde er rasch berühmt, während wir uns oft jener Briefe erinnerten, die
wegen mancher Privatbeziehungen nicht für die Öffentlichkeit geeignet schienen. Nun
liegen sie hier gedruckt vor, das erste Drittel eines Bändchens füllend, das mit
dem Bildnis des Dichters ans einer Zeit geschmückt ist, als er noch nicht so be¬
häbig war, sondern mit muntern Angen in die Welt schaute, in der Tracht eines
Wanderburschen — wie an dem etwas übereilten Denkmal in Heidelberg. Und
wir erfreuen uus jeuer humorvollen Säkkinger Briefe heute uoch mehr als beim
ersten Lesen, wo wir noch nicht ahnen konnten, daß dem jungen Schreiberknecht
zwischen Polizeiakten und Studien über landesübliche Getränke der Stoff zu dem
— leider zur Oper verhunzten — Trompeter und zum Etkehcird zuwachsen würde.
Jetzt mutet uus manche Stelle wie eine kvmmentireude Anmerkung zu den Dich¬
tungen an, und die übermäßige Verherrlichung des Trinkens ohne Durst lassen wir
bei einem kaum der Universität entronnenen gern gelten. Weniger befriedigend im
ganzen sind die weitern Berichte, die Scheffel, zum Hofsekretär in Bruchsal vor¬
gerückt, später der Juristerei (und, wie er meint, auch der Poesie) abtrünnig und
mit dem „Malerspieß" bewaffnet, über italienische Wanderungen an den „Engeren"
in Heidelberg gesandt hat. Er befleißigt sich darin eines Chronikenstils, aus dem
er doch immer wieder herausfällt, und der, auch abgesehn hiervon, dem Vortrage
etwas gesuchtes und gezwungnes giebt. Schade drum. sind seine Erlebnisse auf
der Fahrt uach Rom, dort und im Albanergebirge u. f. w. nnr selten außer¬
gewöhnlicher Art, und spielt auch da die „Trinknng" eine etwas zu große Rolle,
so giebt ihnen doch die Zeit (während der Besetzung durch die Franzosen und vor
deu Eisenbahnen) ihre besondre Färbung, und die Briefe würden einen eben so
frischen und natürlichen Eindruck wie die Säkkinger machen, wenn sie in demselben
natürlichen Stil geschrieben wären.
Für die Redaktion verantwortlich: or. G. Wustmann in Leipzig
Verlag von Fr, Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |