Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Litteratur Onkel August. Roman von F. Peters. Zwei Bände, Leipzig, 0'art Meißner, 1892 Ein wunderlicher Roman, bei dem mau wieder einmal kaum weiß, ob er Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunoiv ni Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur Onkel August. Roman von F. Peters. Zwei Bände, Leipzig, 0'art Meißner, 1892 Ein wunderlicher Roman, bei dem mau wieder einmal kaum weiß, ob er Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunoiv ni Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212580"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_273"> Onkel August. Roman von F. Peters. Zwei Bände, Leipzig, 0'art Meißner, 1892</p><lb/> <p xml:id="ID_274"> Ein wunderlicher Roman, bei dem mau wieder einmal kaum weiß, ob er<lb/> ernste Lebensdnrstellnng oder eine fröhliche Parodie der neuerdings beliebten „Wahr¬<lb/> heit" sein soll. Er kauu beides sein, eine Geschichte, die uns sagen will, daß so,<lb/> wie der schlampampende Superintendent Amt, der unverschämte und ungebildete<lb/> „Fetthammel" Onkel August, die alberne Frau Oberamtmann Vnpnpp und die<lb/> dummen Jungen Walter und Wilhelm Amt, die Nur durch Universität und Leut-<lb/> uautsgarnison bis zu ihrer glücklichen Verehelichung begleiten, ungefähr die große<lb/> Mehrzahl der gegenwärtigen Menschen beschaffen sei, oder auch eine satirische<lb/> Spiegelung der jüngsten Ideale, die dann mir etwas größere Deutlichkeit zu wünschen<lb/> übrig lassen würde. Auf alle Fälle redet der bewegende Protz der gnuzen Hand¬<lb/> lung, Onkel August, ein Deutsch, das ihn durchaus befähigen würde, in einem<lb/> Drama von Gerhart Hauptmann oder A. Holz aufzutreten. Gegen die Annahme,<lb/> daß es sich um eine Satire handle, spricht die breitspurige Wichtigkeit, mit der im<lb/> ersten Bande die Korpssimpelei Walter Amts, das Schnldenwescn des Leutnants<lb/> Wilhelm Amt behandelt und der erzieherische Einfluß beider Erfahrungen ius beste<lb/> Licht gerückt wird. Einen Anlauf zu erquicklicher Wirkung nimmt der Roman in<lb/> den Kapiteln, die das Hanslchrerlebcn Walter Amts, seine Neigung zu Wally<lb/> Bahnson schildern und dem verwöhnten jungen Philologen soviel Trotz und echten<lb/> Stolz zusprechen, daß er sich lieber durch mißliche Verhältnisse durchschlägt, als<lb/> bei dem widerwärtigen Onkel Angust bettelt. Besonders erstaunlich ist das freilich<lb/> nicht, und da am letzten Ende Onkel August, ohne ein Testament zu machen, von<lb/> einem wohlthätigen Schlage gerührt wird, so bleibt der Ausgang weit unter dem<lb/> Leben, in dem es, sagen wir manchmal, doch unabhängige Menschen und glückliche<lb/> Ehen auch ohne reiche Erbschaften giebt. Auch von Wilhelm Amt erfahren wir,<lb/> daß er als Pächter eines großen Guts „die richtige Mitte zwischen der Zag¬<lb/> haftigkeit des Schülers und dem Hochmut des Offiziers" findet. Selbst die widrige<lb/> Episode der armen, von ihrer Familie grausam und schamlos mißhandelten Tante<lb/> Minna kommt durch ihre Hälfte der Erbschaft zu einem glücklichen Abschluß und<lb/> so saure und dazu verhutzelte Essiggurken die Fräulein Schwestern der beiden Amts<lb/> sind, so steht zu hoffen, daß sie als Erbinnen auch noch Männer finden werden<lb/> in einer Zeit, die keinen andern Gott anbetet, als den Mammon. Im Ernst muß<lb/> man sich fragen, an welchen Leserkreis der Verfasser eines Romans wie „Onkel<lb/> August" denkt. Die Wirklichkeitsfanatiker jüngsten Datums werden die Abwesenheit<lb/> gewisser „erotischer" Elemente nicht verzeihen, und die wenigen, die von der<lb/> poetischen Litteratur etwas mehr verlangen, als die Photographie zufälliger Tri¬<lb/> vialitäten und Plumper Häßlichkeiten des alltäglichen Lebens, werden bedauern, daß<lb/> der Verfasser, der nicht ohne Beobachtungsgabe und Frische ist, in der Hauptsache<lb/> nur widerwärtige Eindrücke vom Leben empfangen zu haben scheint.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunoiv ni Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Litteratur
Onkel August. Roman von F. Peters. Zwei Bände, Leipzig, 0'art Meißner, 1892
Ein wunderlicher Roman, bei dem mau wieder einmal kaum weiß, ob er
ernste Lebensdnrstellnng oder eine fröhliche Parodie der neuerdings beliebten „Wahr¬
heit" sein soll. Er kauu beides sein, eine Geschichte, die uns sagen will, daß so,
wie der schlampampende Superintendent Amt, der unverschämte und ungebildete
„Fetthammel" Onkel August, die alberne Frau Oberamtmann Vnpnpp und die
dummen Jungen Walter und Wilhelm Amt, die Nur durch Universität und Leut-
uautsgarnison bis zu ihrer glücklichen Verehelichung begleiten, ungefähr die große
Mehrzahl der gegenwärtigen Menschen beschaffen sei, oder auch eine satirische
Spiegelung der jüngsten Ideale, die dann mir etwas größere Deutlichkeit zu wünschen
übrig lassen würde. Auf alle Fälle redet der bewegende Protz der gnuzen Hand¬
lung, Onkel August, ein Deutsch, das ihn durchaus befähigen würde, in einem
Drama von Gerhart Hauptmann oder A. Holz aufzutreten. Gegen die Annahme,
daß es sich um eine Satire handle, spricht die breitspurige Wichtigkeit, mit der im
ersten Bande die Korpssimpelei Walter Amts, das Schnldenwescn des Leutnants
Wilhelm Amt behandelt und der erzieherische Einfluß beider Erfahrungen ius beste
Licht gerückt wird. Einen Anlauf zu erquicklicher Wirkung nimmt der Roman in
den Kapiteln, die das Hanslchrerlebcn Walter Amts, seine Neigung zu Wally
Bahnson schildern und dem verwöhnten jungen Philologen soviel Trotz und echten
Stolz zusprechen, daß er sich lieber durch mißliche Verhältnisse durchschlägt, als
bei dem widerwärtigen Onkel Angust bettelt. Besonders erstaunlich ist das freilich
nicht, und da am letzten Ende Onkel August, ohne ein Testament zu machen, von
einem wohlthätigen Schlage gerührt wird, so bleibt der Ausgang weit unter dem
Leben, in dem es, sagen wir manchmal, doch unabhängige Menschen und glückliche
Ehen auch ohne reiche Erbschaften giebt. Auch von Wilhelm Amt erfahren wir,
daß er als Pächter eines großen Guts „die richtige Mitte zwischen der Zag¬
haftigkeit des Schülers und dem Hochmut des Offiziers" findet. Selbst die widrige
Episode der armen, von ihrer Familie grausam und schamlos mißhandelten Tante
Minna kommt durch ihre Hälfte der Erbschaft zu einem glücklichen Abschluß und
so saure und dazu verhutzelte Essiggurken die Fräulein Schwestern der beiden Amts
sind, so steht zu hoffen, daß sie als Erbinnen auch noch Männer finden werden
in einer Zeit, die keinen andern Gott anbetet, als den Mammon. Im Ernst muß
man sich fragen, an welchen Leserkreis der Verfasser eines Romans wie „Onkel
August" denkt. Die Wirklichkeitsfanatiker jüngsten Datums werden die Abwesenheit
gewisser „erotischer" Elemente nicht verzeihen, und die wenigen, die von der
poetischen Litteratur etwas mehr verlangen, als die Photographie zufälliger Tri¬
vialitäten und Plumper Häßlichkeiten des alltäglichen Lebens, werden bedauern, daß
der Verfasser, der nicht ohne Beobachtungsgabe und Frische ist, in der Hauptsache
nur widerwärtige Eindrücke vom Leben empfangen zu haben scheint.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunoiv ni Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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