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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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eignen Leibe, daß der hohe Nnbelknrs mit den Ersparnissen der Arbeiter und
dem Ruin der Landwirtschaft bezahlt worden ist. Man haßt ihn deshalb
fast ebenso wie Pobedonoszew. Alle übrigen Namen in Nußland sind uur
Namen, einflußreich, so weit sie sich den herrschenden Strömungen anschließen,
machtlos, sobald sie versuchen, eigne Wege zu gehn.

Auch das ist ein Irrtum, wenn man annimmt, daß die Judenvertreibungen
in Nußland populär seien, oder daß die Franzosenfreundschaft ebenso allgemein
sei, wie etwa der Russenknltns in Frankreich. Die große Masse lebt wie zu
allen Zeiten den Bedürfnissen des Tages und sehnt sich nach einer Änderung,
gleichviel welcher, bereit, jeder Führung zu folgen, die mit genügender Auto¬
rität aufzutreten vermag. Aber man begnügt sich mit Vorbereitung zu einer
Aktion, die man fürchtet, und wird sich durch die Ereignisse treiben lassen.

An uns wird es sein, ihnen wohl vorbereitet gegenüber zu stehen, wenn
der Augenblick gekommen ist.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Frage der Getreidezölle i

st
, wie wir aus den Offenherzigkeiten
verschiedener freisinnigen Zeitungen gelernt haben, viel leichter zu verstehen,
als Nur geglaubt hatten. Diese Zölle sind nämlich verwerflich, um nicht zu
sagen verbrecherisch, erstens weil die edelsten Kräfte der Nation, die sich vom
Hansirgewerbe zum Termmhcmdel aufgeschwungen haben, durch sie im Geschäfte
gestört werden können. Wenn sich der Himmel das boshafte Vergnügen macht,
nach anfangs ungünstigen Aussichten doch eine gute Ernte werde" zu lassen, sodaß
der Bedarf zum größten Teil im Lande gedeckt werden kann, wie kommt der, der
mes fröhlichen Mißwachs spekulirt hat, dazu, sein Geld zu verlieren? In den
allermeisten Fällen hat er jn nie ein Getreidekorn in seinem Besitze gehabt, ist
also ganz unschuldig in der Sache. Zweitens befördern die Zölle das abscheuliche
Herkommen, dort Mehlfrüchte zu bauen, wo die schönste" Spodiumfabrikeu und
andre dem. Volkswohl dienende Anstalten stehen könnten. Wem das nicht ein¬
leuchtet, der muß ein ganz verstockter Agrarier, d. h. ein Feind des Fort¬
schrittes sein.


Nochmals die Vereinsschriften.-

Der Vorschlag, daß wissenschaftliche
Vereine ihre Publikationen größern Bibliotheken zusenden sollten, wird gewiß all¬
gemeine Zustimmung finden. Aber es könnte auch anderweitig etwas geschehen,
uni zunächst der gelehrten Welt überhaupt von den Arbeiten Kenntnis zu geben,
die in Nereinsschriften, Gvmnasinlprogrnmmen u. s. w. erscheinen. Die Über¬
sichten im Litterarische" Zentralblatt ?e., die Bibliographische" Monatsberichte von


eignen Leibe, daß der hohe Nnbelknrs mit den Ersparnissen der Arbeiter und
dem Ruin der Landwirtschaft bezahlt worden ist. Man haßt ihn deshalb
fast ebenso wie Pobedonoszew. Alle übrigen Namen in Nußland sind uur
Namen, einflußreich, so weit sie sich den herrschenden Strömungen anschließen,
machtlos, sobald sie versuchen, eigne Wege zu gehn.

Auch das ist ein Irrtum, wenn man annimmt, daß die Judenvertreibungen
in Nußland populär seien, oder daß die Franzosenfreundschaft ebenso allgemein
sei, wie etwa der Russenknltns in Frankreich. Die große Masse lebt wie zu
allen Zeiten den Bedürfnissen des Tages und sehnt sich nach einer Änderung,
gleichviel welcher, bereit, jeder Führung zu folgen, die mit genügender Auto¬
rität aufzutreten vermag. Aber man begnügt sich mit Vorbereitung zu einer
Aktion, die man fürchtet, und wird sich durch die Ereignisse treiben lassen.

An uns wird es sein, ihnen wohl vorbereitet gegenüber zu stehen, wenn
der Augenblick gekommen ist.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Frage der Getreidezölle i

st
, wie wir aus den Offenherzigkeiten
verschiedener freisinnigen Zeitungen gelernt haben, viel leichter zu verstehen,
als Nur geglaubt hatten. Diese Zölle sind nämlich verwerflich, um nicht zu
sagen verbrecherisch, erstens weil die edelsten Kräfte der Nation, die sich vom
Hansirgewerbe zum Termmhcmdel aufgeschwungen haben, durch sie im Geschäfte
gestört werden können. Wenn sich der Himmel das boshafte Vergnügen macht,
nach anfangs ungünstigen Aussichten doch eine gute Ernte werde» zu lassen, sodaß
der Bedarf zum größten Teil im Lande gedeckt werden kann, wie kommt der, der
mes fröhlichen Mißwachs spekulirt hat, dazu, sein Geld zu verlieren? In den
allermeisten Fällen hat er jn nie ein Getreidekorn in seinem Besitze gehabt, ist
also ganz unschuldig in der Sache. Zweitens befördern die Zölle das abscheuliche
Herkommen, dort Mehlfrüchte zu bauen, wo die schönste» Spodiumfabrikeu und
andre dem. Volkswohl dienende Anstalten stehen könnten. Wem das nicht ein¬
leuchtet, der muß ein ganz verstockter Agrarier, d. h. ein Feind des Fort¬
schrittes sein.


Nochmals die Vereinsschriften.-

Der Vorschlag, daß wissenschaftliche
Vereine ihre Publikationen größern Bibliotheken zusenden sollten, wird gewiß all¬
gemeine Zustimmung finden. Aber es könnte auch anderweitig etwas geschehen,
uni zunächst der gelehrten Welt überhaupt von den Arbeiten Kenntnis zu geben,
die in Nereinsschriften, Gvmnasinlprogrnmmen u. s. w. erscheinen. Die Über¬
sichten im Litterarische» Zentralblatt ?e., die Bibliographische» Monatsberichte von


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[0542] eignen Leibe, daß der hohe Nnbelknrs mit den Ersparnissen der Arbeiter und dem Ruin der Landwirtschaft bezahlt worden ist. Man haßt ihn deshalb fast ebenso wie Pobedonoszew. Alle übrigen Namen in Nußland sind uur Namen, einflußreich, so weit sie sich den herrschenden Strömungen anschließen, machtlos, sobald sie versuchen, eigne Wege zu gehn. Auch das ist ein Irrtum, wenn man annimmt, daß die Judenvertreibungen in Nußland populär seien, oder daß die Franzosenfreundschaft ebenso allgemein sei, wie etwa der Russenknltns in Frankreich. Die große Masse lebt wie zu allen Zeiten den Bedürfnissen des Tages und sehnt sich nach einer Änderung, gleichviel welcher, bereit, jeder Führung zu folgen, die mit genügender Auto¬ rität aufzutreten vermag. Aber man begnügt sich mit Vorbereitung zu einer Aktion, die man fürchtet, und wird sich durch die Ereignisse treiben lassen. An uns wird es sein, ihnen wohl vorbereitet gegenüber zu stehen, wenn der Augenblick gekommen ist. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Frage der Getreidezölle i st , wie wir aus den Offenherzigkeiten verschiedener freisinnigen Zeitungen gelernt haben, viel leichter zu verstehen, als Nur geglaubt hatten. Diese Zölle sind nämlich verwerflich, um nicht zu sagen verbrecherisch, erstens weil die edelsten Kräfte der Nation, die sich vom Hansirgewerbe zum Termmhcmdel aufgeschwungen haben, durch sie im Geschäfte gestört werden können. Wenn sich der Himmel das boshafte Vergnügen macht, nach anfangs ungünstigen Aussichten doch eine gute Ernte werde» zu lassen, sodaß der Bedarf zum größten Teil im Lande gedeckt werden kann, wie kommt der, der mes fröhlichen Mißwachs spekulirt hat, dazu, sein Geld zu verlieren? In den allermeisten Fällen hat er jn nie ein Getreidekorn in seinem Besitze gehabt, ist also ganz unschuldig in der Sache. Zweitens befördern die Zölle das abscheuliche Herkommen, dort Mehlfrüchte zu bauen, wo die schönste» Spodiumfabrikeu und andre dem. Volkswohl dienende Anstalten stehen könnten. Wem das nicht ein¬ leuchtet, der muß ein ganz verstockter Agrarier, d. h. ein Feind des Fort¬ schrittes sein. Nochmals die Vereinsschriften.- Der Vorschlag, daß wissenschaftliche Vereine ihre Publikationen größern Bibliotheken zusenden sollten, wird gewiß all¬ gemeine Zustimmung finden. Aber es könnte auch anderweitig etwas geschehen, uni zunächst der gelehrten Welt überhaupt von den Arbeiten Kenntnis zu geben, die in Nereinsschriften, Gvmnasinlprogrnmmen u. s. w. erscheinen. Die Über¬ sichten im Litterarische» Zentralblatt ?e., die Bibliographische» Monatsberichte von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/542>, abgerufen am 24.07.2024.