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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zu unsrer mismcirtigen Politik

schreibt: und bezw. -- das ist das höchste seiner Gefühle! Die Besitzer
und bezw. Pächter der Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht --
die Eltern und bezw. Erzieher der schulpflichtigen Kinder werden hiermit
aufgefordert -- man muß die Zahl der Personen für einen bestimmten Raum
und bezw. deu mindesten Raum sür einen Einwohner festsetzen -- solcher
haarsträubende Unsinn wird täglich geschrieben "und bezw." gedruckt, und
die, die ihn leisten, bilden sich womöglich noch ein, sie Hütten sich wunder wie
sein und scharfsinnig ausgedrückt! Schließlich schreiben wir auch noch in Todes¬
anzeigen: Heute starb unser geliebter Vater, bezw. Großvater, bezw.
Bruder, bezw. Onkel, und der Herr Referendar, der für seine Kinder Spiel¬
zeug eingekauft hat, sagt vielleicht zur Fran Referendarin: Ich habe für Fritz
und Mariechen eine Schachtel Soldaten bezw. eine Puppe mitgebracht!

Über solche Albernheiten der Akten- und ZeitungSsprache müßten die Lehrer
des Deutschen im Unterricht so oft die Schale ihres Spottes ausgießen, daß
die Jungen für ihr ganzes Leben dagegen gefeit würden und später mit der
größten Screnität im Kolleg säßen, wenn der Herr Professor aller Nasen lang
mit seinem bezw. kommt. Aber freilich, wenn der Rektor, der vielleicht den
deutschen Unterricht in der Oberprima giebt, im Osterprogramm selber ans
jeder Seite dreimal bezw. schreibt, und der Herr Schulrat in keinem seiner
wvhlstilisirteu Erlasse ohne bezw. auskommt, dann muß es ja auch der Junge
für äußerst feierlich und weise halten!

(FvrtselMig folgt)




Zu unsrer auswärtigen Politik

s wird noch in frischer Erinnerung sein, mit wie regen FriedeuS-
hvffuuugeu der Beginn des neuen Jahres begrüßt worden ist.
Kein Wölkchen trübte den Horizont. Ein Austausch von Be¬
suchen und Höflichkeitsbezeugungen zwischen den Nachbarstaaten,
insbesondre zwischen Nußland und Österreich, schien dieser
Stimmung entsprungen zu sein, sodaß, wer politische Zukunftsmusik zu treiben
berufen war, sich in den friedlichsten Tönen ergehen konnte.

Das ist plötzlich anders geworden. Die kritischen Monate, in denen sich
der Winter zum Frühling wendet, haben auch diesmal Gewitterwolken mit sich
geführt, und im Augenblick drückt eine schwüle Luft auf das europäische Ver-


Zu unsrer mismcirtigen Politik

schreibt: und bezw. — das ist das höchste seiner Gefühle! Die Besitzer
und bezw. Pächter der Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht —
die Eltern und bezw. Erzieher der schulpflichtigen Kinder werden hiermit
aufgefordert — man muß die Zahl der Personen für einen bestimmten Raum
und bezw. deu mindesten Raum sür einen Einwohner festsetzen — solcher
haarsträubende Unsinn wird täglich geschrieben „und bezw." gedruckt, und
die, die ihn leisten, bilden sich womöglich noch ein, sie Hütten sich wunder wie
sein und scharfsinnig ausgedrückt! Schließlich schreiben wir auch noch in Todes¬
anzeigen: Heute starb unser geliebter Vater, bezw. Großvater, bezw.
Bruder, bezw. Onkel, und der Herr Referendar, der für seine Kinder Spiel¬
zeug eingekauft hat, sagt vielleicht zur Fran Referendarin: Ich habe für Fritz
und Mariechen eine Schachtel Soldaten bezw. eine Puppe mitgebracht!

Über solche Albernheiten der Akten- und ZeitungSsprache müßten die Lehrer
des Deutschen im Unterricht so oft die Schale ihres Spottes ausgießen, daß
die Jungen für ihr ganzes Leben dagegen gefeit würden und später mit der
größten Screnität im Kolleg säßen, wenn der Herr Professor aller Nasen lang
mit seinem bezw. kommt. Aber freilich, wenn der Rektor, der vielleicht den
deutschen Unterricht in der Oberprima giebt, im Osterprogramm selber ans
jeder Seite dreimal bezw. schreibt, und der Herr Schulrat in keinem seiner
wvhlstilisirteu Erlasse ohne bezw. auskommt, dann muß es ja auch der Junge
für äußerst feierlich und weise halten!

(FvrtselMig folgt)




Zu unsrer auswärtigen Politik

s wird noch in frischer Erinnerung sein, mit wie regen FriedeuS-
hvffuuugeu der Beginn des neuen Jahres begrüßt worden ist.
Kein Wölkchen trübte den Horizont. Ein Austausch von Be¬
suchen und Höflichkeitsbezeugungen zwischen den Nachbarstaaten,
insbesondre zwischen Nußland und Österreich, schien dieser
Stimmung entsprungen zu sein, sodaß, wer politische Zukunftsmusik zu treiben
berufen war, sich in den friedlichsten Tönen ergehen konnte.

Das ist plötzlich anders geworden. Die kritischen Monate, in denen sich
der Winter zum Frühling wendet, haben auch diesmal Gewitterwolken mit sich
geführt, und im Augenblick drückt eine schwüle Luft auf das europäische Ver-


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[0110] Zu unsrer mismcirtigen Politik schreibt: und bezw. — das ist das höchste seiner Gefühle! Die Besitzer und bezw. Pächter der Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht — die Eltern und bezw. Erzieher der schulpflichtigen Kinder werden hiermit aufgefordert — man muß die Zahl der Personen für einen bestimmten Raum und bezw. deu mindesten Raum sür einen Einwohner festsetzen — solcher haarsträubende Unsinn wird täglich geschrieben „und bezw." gedruckt, und die, die ihn leisten, bilden sich womöglich noch ein, sie Hütten sich wunder wie sein und scharfsinnig ausgedrückt! Schließlich schreiben wir auch noch in Todes¬ anzeigen: Heute starb unser geliebter Vater, bezw. Großvater, bezw. Bruder, bezw. Onkel, und der Herr Referendar, der für seine Kinder Spiel¬ zeug eingekauft hat, sagt vielleicht zur Fran Referendarin: Ich habe für Fritz und Mariechen eine Schachtel Soldaten bezw. eine Puppe mitgebracht! Über solche Albernheiten der Akten- und ZeitungSsprache müßten die Lehrer des Deutschen im Unterricht so oft die Schale ihres Spottes ausgießen, daß die Jungen für ihr ganzes Leben dagegen gefeit würden und später mit der größten Screnität im Kolleg säßen, wenn der Herr Professor aller Nasen lang mit seinem bezw. kommt. Aber freilich, wenn der Rektor, der vielleicht den deutschen Unterricht in der Oberprima giebt, im Osterprogramm selber ans jeder Seite dreimal bezw. schreibt, und der Herr Schulrat in keinem seiner wvhlstilisirteu Erlasse ohne bezw. auskommt, dann muß es ja auch der Junge für äußerst feierlich und weise halten! (FvrtselMig folgt) Zu unsrer auswärtigen Politik s wird noch in frischer Erinnerung sein, mit wie regen FriedeuS- hvffuuugeu der Beginn des neuen Jahres begrüßt worden ist. Kein Wölkchen trübte den Horizont. Ein Austausch von Be¬ suchen und Höflichkeitsbezeugungen zwischen den Nachbarstaaten, insbesondre zwischen Nußland und Österreich, schien dieser Stimmung entsprungen zu sein, sodaß, wer politische Zukunftsmusik zu treiben berufen war, sich in den friedlichsten Tönen ergehen konnte. Das ist plötzlich anders geworden. Die kritischen Monate, in denen sich der Winter zum Frühling wendet, haben auch diesmal Gewitterwolken mit sich geführt, und im Augenblick drückt eine schwüle Luft auf das europäische Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/110>, abgerufen am 04.07.2024.