Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Die Überbürdung Schluß darauf hin, daß unsre Verbindung mit Österreich durch eine wirtschaftliche Damit soll keineswegs ein friedeusseliger Optimismus gepredigt werden. Die Überbürdung achten der Kaiser selbst deu Herren Schulassessoren mit schnei¬ Bis zum dreizehnten Lebensjahre besuchte ich die höhere Bürgerschule Die Überbürdung Schluß darauf hin, daß unsre Verbindung mit Österreich durch eine wirtschaftliche Damit soll keineswegs ein friedeusseliger Optimismus gepredigt werden. Die Überbürdung achten der Kaiser selbst deu Herren Schulassessoren mit schnei¬ Bis zum dreizehnten Lebensjahre besuchte ich die höhere Bürgerschule <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209296"/> <fw type="header" place="top"> Die Überbürdung</fw><lb/> <p xml:id="ID_165" prev="#ID_164"> Schluß darauf hin, daß unsre Verbindung mit Österreich durch eine wirtschaftliche<lb/> Einigung neu befestigt tverden wird, und daß unsre politischen Beziehungen<lb/> zu allen übrigen europäischen Staaten ebenso freundschaftlich geblieben sind,<lb/> wie sie es vor Jahresfrist waren, so fällt die Klage über den Rückgang unsrer<lb/> Stellung in auswärtigen Dingen wohl in sich zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_166"> Damit soll keineswegs ein friedeusseliger Optimismus gepredigt werden.<lb/> Wir halten vielmehr die Gesamtlage Europas nach wie vor für schwül und<lb/> gefährlich, und für unsre sicherste Stütze nach wie vor die eigne Machtstellung.<lb/> Gilt auch der Friede heute für gesichert, so sind doch Überraschungen keines¬<lb/> wegs abgeschlossen, denn im Osten wie im Westen entscheiden darüber<lb/> Personenfragen. Umsomehr aber gilt es, zusammenzustehen, um nicht ein Mi߬<lb/> verständnis aufkommen zu lassen, das in seinen Wirkungen eine moralische und<lb/> physische Schwächung bedeuten würde.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Überbürdung</head><lb/> <p xml:id="ID_167"> achten der Kaiser selbst deu Herren Schulassessoren mit schnei¬<lb/> digen Hieb in die Parade gefahren ist, werden sie wohl eine<lb/> oder die andre Provinz ihres Reiches preisgeben und u. a. auch<lb/> durch Streichung der lateinischen und griechischen Persa den<lb/> Herzenswunsch des bekümmerten Vaters und Humanisten in<lb/> Ur. 40 der vorjährigen Grenzboten erfüllen müssen. Trotzdem fürchte ich, daß<lb/> die Hanptursache der Überbürdung von allen Reformen unberührt bleiben<lb/> wird, um das, was ich meine, verständlicher zu machen, schicke ich eine»<lb/> kurzen Abriß der Geschichte meines eignen Schullebens voraus, der zeigen<lb/> wird, wie ein Unterricht aussieht, der die Schüler nicht überbürdet.</p><lb/> <p xml:id="ID_168" next="#ID_169"> Bis zum dreizehnten Lebensjahre besuchte ich die höhere Bürgerschule<lb/> meines Vaterstädtchens. Die Klassen waren denen des Gymnasiums gleich<lb/> benamset; der angehende NVC-Schütz trat in die „Sexta" ein. „N gieht<lb/> schun el de Sexte," sagte die Mutter, wenn sie ihren siebenjährigen Sprößling<lb/> vorstellte. In Sexta und Ouiuta süßen Knaben und Mädchen zusammen, es<lb/> gab also auch Sextanerinnen. Sehr hübsch war die biblische Geschichtsstunde<lb/> Sonnabends früh von acht bis nenn in der Quinta. Der Lehrer nahm das<lb/> Schulgeld ein, und nur lasen einstweilen biblische Geschichten nach folgendem<lb/> Turnus. Der Lehrer rief eiuen Knaben auf. Dieser las, so lauge er Lust<lb/> hatte, und rief dann ein Mädchen. Diese rief wieder einen Knaben, und so<lb/> fort. Bald entspannen sich zarte Beziehungen zwischen hüben und drüben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Die Überbürdung
Schluß darauf hin, daß unsre Verbindung mit Österreich durch eine wirtschaftliche
Einigung neu befestigt tverden wird, und daß unsre politischen Beziehungen
zu allen übrigen europäischen Staaten ebenso freundschaftlich geblieben sind,
wie sie es vor Jahresfrist waren, so fällt die Klage über den Rückgang unsrer
Stellung in auswärtigen Dingen wohl in sich zusammen.
Damit soll keineswegs ein friedeusseliger Optimismus gepredigt werden.
Wir halten vielmehr die Gesamtlage Europas nach wie vor für schwül und
gefährlich, und für unsre sicherste Stütze nach wie vor die eigne Machtstellung.
Gilt auch der Friede heute für gesichert, so sind doch Überraschungen keines¬
wegs abgeschlossen, denn im Osten wie im Westen entscheiden darüber
Personenfragen. Umsomehr aber gilt es, zusammenzustehen, um nicht ein Mi߬
verständnis aufkommen zu lassen, das in seinen Wirkungen eine moralische und
physische Schwächung bedeuten würde.
Die Überbürdung
achten der Kaiser selbst deu Herren Schulassessoren mit schnei¬
digen Hieb in die Parade gefahren ist, werden sie wohl eine
oder die andre Provinz ihres Reiches preisgeben und u. a. auch
durch Streichung der lateinischen und griechischen Persa den
Herzenswunsch des bekümmerten Vaters und Humanisten in
Ur. 40 der vorjährigen Grenzboten erfüllen müssen. Trotzdem fürchte ich, daß
die Hanptursache der Überbürdung von allen Reformen unberührt bleiben
wird, um das, was ich meine, verständlicher zu machen, schicke ich eine»
kurzen Abriß der Geschichte meines eignen Schullebens voraus, der zeigen
wird, wie ein Unterricht aussieht, der die Schüler nicht überbürdet.
Bis zum dreizehnten Lebensjahre besuchte ich die höhere Bürgerschule
meines Vaterstädtchens. Die Klassen waren denen des Gymnasiums gleich
benamset; der angehende NVC-Schütz trat in die „Sexta" ein. „N gieht
schun el de Sexte," sagte die Mutter, wenn sie ihren siebenjährigen Sprößling
vorstellte. In Sexta und Ouiuta süßen Knaben und Mädchen zusammen, es
gab also auch Sextanerinnen. Sehr hübsch war die biblische Geschichtsstunde
Sonnabends früh von acht bis nenn in der Quinta. Der Lehrer nahm das
Schulgeld ein, und nur lasen einstweilen biblische Geschichten nach folgendem
Turnus. Der Lehrer rief eiuen Knaben auf. Dieser las, so lauge er Lust
hatte, und rief dann ein Mädchen. Diese rief wieder einen Knaben, und so
fort. Bald entspannen sich zarte Beziehungen zwischen hüben und drüben
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |