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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Rokokostndien

lischcr Beleuchtung und Umrahmung hinstellt, so wendet sich die Muse mit
Abscheu von diesem Mißbrauch der Kunst ab.

Das Publikum aber war ganz entzückt von dieser Leistung, Lorbeerkränze
wurden dem Dichter zugeworfen, und die Zeitungen preisen sein Talent.

Nachschrift. Inzwischen hat sich doch auch die Kritik eingestellt, zu der
Vossens ungeschickt zum Ausdruck gebrachtes Selbstgefühl allerdings heraus¬
gefordert hat. Ein witziger Rezensent hat das Stück kurz und treffend: "Die
dramatisirte Hacke" genannt.




Rokokostudien
2. Die Musche

es weiß euch mit euer" Malereien Bescheid, recht gut. Gott
hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres."
So konnte ein Hamlet rectivivus des siebzehnten und achtzehnten
Jahrhunderts auch den Frauen zurufen. Wie sein dänischer Vor¬
gänger, hätte er alleu Anlaß gehabt, toll zu werden. Denn die
Kunst, das natürliche Gesicht hinter einer gleißnerischen Hülle kosmetischer
Mittel verschwinden zu lassen, ist wohl nie wieder zu gleicher Vollkommen¬
heit gebracht worden wie von den Schönen dieser Zeit.


Uons I" voyons tous los ,joui'8,
N-As Mriiüs "vus vus,

spottete ein französischer Witzling über eine schminksüchtige Dame. Es galt
für weite Kreise.

Unter den Mächten, die dazu berufen waren, den Schimmer der Jngend
und Schönheit den flüchtigen Jahren zum Trotz auf Stirn und Wangen zu
zaubern, erfreuten sich ihrer kräftigen Wirkung willen Schminke und Puder
besondrer Gunst. Ihr eigentümlicher Hauch umschwebt die Gestalten jener
Epoche, wie sie uns in den Schöpfungen der Porträtkuust, besonders der
Pastellmalerei des Rokoko noch jetzt anschaulich entgegentreten.

Aber die blendenden Erfolge dieser Mittel, ans deren bescheidenere An¬
wendung auch die heutige Kosmetik nicht völlig verzichten kann, genügten nicht
dem Bedürfnisse der Frauen nach möglichster Hervorhebung einer gefälligen
Außenseite; sie wurden gesteigert durch ein Zierstück, das, einst hochgepriesen,
in dem hentigei? Betrachter zunächst uur die Gefühle der Befremdung und des
Widerwillens wachruft. Es ist dies das Schmiukpflästercheu, Schönpflästerchen


Rokokostndien

lischcr Beleuchtung und Umrahmung hinstellt, so wendet sich die Muse mit
Abscheu von diesem Mißbrauch der Kunst ab.

Das Publikum aber war ganz entzückt von dieser Leistung, Lorbeerkränze
wurden dem Dichter zugeworfen, und die Zeitungen preisen sein Talent.

Nachschrift. Inzwischen hat sich doch auch die Kritik eingestellt, zu der
Vossens ungeschickt zum Ausdruck gebrachtes Selbstgefühl allerdings heraus¬
gefordert hat. Ein witziger Rezensent hat das Stück kurz und treffend: „Die
dramatisirte Hacke" genannt.




Rokokostudien
2. Die Musche

es weiß euch mit euer» Malereien Bescheid, recht gut. Gott
hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres."
So konnte ein Hamlet rectivivus des siebzehnten und achtzehnten
Jahrhunderts auch den Frauen zurufen. Wie sein dänischer Vor¬
gänger, hätte er alleu Anlaß gehabt, toll zu werden. Denn die
Kunst, das natürliche Gesicht hinter einer gleißnerischen Hülle kosmetischer
Mittel verschwinden zu lassen, ist wohl nie wieder zu gleicher Vollkommen¬
heit gebracht worden wie von den Schönen dieser Zeit.


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spottete ein französischer Witzling über eine schminksüchtige Dame. Es galt
für weite Kreise.

Unter den Mächten, die dazu berufen waren, den Schimmer der Jngend
und Schönheit den flüchtigen Jahren zum Trotz auf Stirn und Wangen zu
zaubern, erfreuten sich ihrer kräftigen Wirkung willen Schminke und Puder
besondrer Gunst. Ihr eigentümlicher Hauch umschwebt die Gestalten jener
Epoche, wie sie uns in den Schöpfungen der Porträtkuust, besonders der
Pastellmalerei des Rokoko noch jetzt anschaulich entgegentreten.

Aber die blendenden Erfolge dieser Mittel, ans deren bescheidenere An¬
wendung auch die heutige Kosmetik nicht völlig verzichten kann, genügten nicht
dem Bedürfnisse der Frauen nach möglichster Hervorhebung einer gefälligen
Außenseite; sie wurden gesteigert durch ein Zierstück, das, einst hochgepriesen,
in dem hentigei? Betrachter zunächst uur die Gefühle der Befremdung und des
Widerwillens wachruft. Es ist dies das Schmiukpflästercheu, Schönpflästerchen


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[0518] Rokokostndien lischcr Beleuchtung und Umrahmung hinstellt, so wendet sich die Muse mit Abscheu von diesem Mißbrauch der Kunst ab. Das Publikum aber war ganz entzückt von dieser Leistung, Lorbeerkränze wurden dem Dichter zugeworfen, und die Zeitungen preisen sein Talent. Nachschrift. Inzwischen hat sich doch auch die Kritik eingestellt, zu der Vossens ungeschickt zum Ausdruck gebrachtes Selbstgefühl allerdings heraus¬ gefordert hat. Ein witziger Rezensent hat das Stück kurz und treffend: „Die dramatisirte Hacke" genannt. Rokokostudien 2. Die Musche es weiß euch mit euer» Malereien Bescheid, recht gut. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres." So konnte ein Hamlet rectivivus des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts auch den Frauen zurufen. Wie sein dänischer Vor¬ gänger, hätte er alleu Anlaß gehabt, toll zu werden. Denn die Kunst, das natürliche Gesicht hinter einer gleißnerischen Hülle kosmetischer Mittel verschwinden zu lassen, ist wohl nie wieder zu gleicher Vollkommen¬ heit gebracht worden wie von den Schönen dieser Zeit. Uons I» voyons tous los ,joui'8, N-As Mriiüs »vus vus, spottete ein französischer Witzling über eine schminksüchtige Dame. Es galt für weite Kreise. Unter den Mächten, die dazu berufen waren, den Schimmer der Jngend und Schönheit den flüchtigen Jahren zum Trotz auf Stirn und Wangen zu zaubern, erfreuten sich ihrer kräftigen Wirkung willen Schminke und Puder besondrer Gunst. Ihr eigentümlicher Hauch umschwebt die Gestalten jener Epoche, wie sie uns in den Schöpfungen der Porträtkuust, besonders der Pastellmalerei des Rokoko noch jetzt anschaulich entgegentreten. Aber die blendenden Erfolge dieser Mittel, ans deren bescheidenere An¬ wendung auch die heutige Kosmetik nicht völlig verzichten kann, genügten nicht dem Bedürfnisse der Frauen nach möglichster Hervorhebung einer gefälligen Außenseite; sie wurden gesteigert durch ein Zierstück, das, einst hochgepriesen, in dem hentigei? Betrachter zunächst uur die Gefühle der Befremdung und des Widerwillens wachruft. Es ist dies das Schmiukpflästercheu, Schönpflästerchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/518>, abgerufen am 22.07.2024.