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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

haben unser Gut, wir haben unser Blut, wir haben unsre Ehre und Namen dahin-
gegeben und nichts damit ausgerichtet, als daß wir uns schier zu Dienstknechten,
und fremde Ncitwncn berühmt, uns des hohen Namens fast verlustig und diejenigen,
so wir vorher im"n kannten, damit herrlich gemachet. WnS sind Rhein, Weser,
Elbe und Oderstrvm nunmehr anders, als fremder Nationen Gefangene?" Zuletzt
fordert der Verfasser jeden, der "kein schwedisch Brot essen will," auf, daran zu
denken, "was er für die Ehre des teutschen Namens zu thun habe": "Bedenke,
daß dn ein Teutscher bist."

Wer der Verfasser dieser interessanten kleinen Schrift ist, die mit einer Ent¬
schiedenheit und Begeisterung, wie sie in jener Zeit selten ist, dein nationalen Ge¬
danken Worte verleiht, ist nicht bekannt. Erdniannsdörfcr in seiner noch unvoll¬
endeten deutsche" Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt
Friedrichs des Großen, nach der ich oben zitirt habe, hält es für wahrscheinlich,
daß der Geheime Rat Friedrich von Jena der Verfasser sei; andre schreiben die
R L Schrift dem Oberpräsidenten Otto von Schwerin zu.


Gerichtliches Musterdcutsch.

MblKkks odlixs: vou dem vornehmsten
deutschen Gerichte sind wir berechtigt die beste deutsche Sprache zu erwarte". Was
soll man aber in dieser Beziehung zu folgender Leistung des erstell Zivilsenates des
Reichsgerichtes sage":

"Diese beschräiikte Anfcchtniig wird übrigens auch uur zu einem Ziele führen,
wenn nicht auch bei Beseitigung des Abkommens, doch immer, weil das Rechts¬
geschäft bestehen bleibt, welches die Schuld begründet, die gesetzliche Befugnis
zur Ausrechnung, die für den Fall des Konkurses nach ^ 17, Absatz l der Kvn-
kursvrdnnng von gewissen sonst gellenden Voraussetzungen unabhängig ist, be¬
stehen bleibt, also nnr dann, wenn, wahrend um sich wegen der Natur der
Forderung oder der Schuld die Kompensation aus Gründen, die nicht dnrch
47 a. a. O. (!) beseitigt werden, unzulässig wäre, dnrch jenes Abkommen
dieselbe vollzogen oder ihre künftige Vollziehung vereinbart oder die Natur
der Forderung oder der Schuld mit der Wirkung des Eintritts der Kompcnsnbilitäl
geändert worden wäre."

Wörtlich so zu lesen in Band 2l>, S. 83, 84 der Entscheidungen deS Reichs¬
gerichtes in Zivilsachen. Welchen Wert die Veröffentlichung solcher Entscheidungs-
gründe haben soll, ist schwer einzusehen; mau möchte fast vermuten, daß der Zweck
nur der sei, die unvermeidlich jedes Jahr erscheinenden zwei Bände der Ent¬
scheidungen zu füllen.


Auch deutsch!

Ein böhmischer Postmeister namens Swoboda (zu deutsch:
Freiheit) verspricht in einem Wahlprvgramm, alle sei"e Kräfte dafür einzusetze",
"daß namentlich dem Notstände der Landwirte jene Quellen erschlossen
werden, welche ihm die Möglichkeit einer gesicherte" Existenz und eine gedeihlichere
Zukunft erhoffen lassen." Der HM scheint mit Falstaff zu denken: Die arm¬
selige" Mißbräuche der Zeit haben Aufmunterung nötig.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

haben unser Gut, wir haben unser Blut, wir haben unsre Ehre und Namen dahin-
gegeben und nichts damit ausgerichtet, als daß wir uns schier zu Dienstknechten,
und fremde Ncitwncn berühmt, uns des hohen Namens fast verlustig und diejenigen,
so wir vorher im»n kannten, damit herrlich gemachet. WnS sind Rhein, Weser,
Elbe und Oderstrvm nunmehr anders, als fremder Nationen Gefangene?" Zuletzt
fordert der Verfasser jeden, der „kein schwedisch Brot essen will," auf, daran zu
denken, „was er für die Ehre des teutschen Namens zu thun habe": „Bedenke,
daß dn ein Teutscher bist."

Wer der Verfasser dieser interessanten kleinen Schrift ist, die mit einer Ent¬
schiedenheit und Begeisterung, wie sie in jener Zeit selten ist, dein nationalen Ge¬
danken Worte verleiht, ist nicht bekannt. Erdniannsdörfcr in seiner noch unvoll¬
endeten deutsche« Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt
Friedrichs des Großen, nach der ich oben zitirt habe, hält es für wahrscheinlich,
daß der Geheime Rat Friedrich von Jena der Verfasser sei; andre schreiben die
R L Schrift dem Oberpräsidenten Otto von Schwerin zu.


Gerichtliches Musterdcutsch.

MblKkks odlixs: vou dem vornehmsten
deutschen Gerichte sind wir berechtigt die beste deutsche Sprache zu erwarte». Was
soll man aber in dieser Beziehung zu folgender Leistung des erstell Zivilsenates des
Reichsgerichtes sage«:

„Diese beschräiikte Anfcchtniig wird übrigens auch uur zu einem Ziele führen,
wenn nicht auch bei Beseitigung des Abkommens, doch immer, weil das Rechts¬
geschäft bestehen bleibt, welches die Schuld begründet, die gesetzliche Befugnis
zur Ausrechnung, die für den Fall des Konkurses nach ^ 17, Absatz l der Kvn-
kursvrdnnng von gewissen sonst gellenden Voraussetzungen unabhängig ist, be¬
stehen bleibt, also nnr dann, wenn, wahrend um sich wegen der Natur der
Forderung oder der Schuld die Kompensation aus Gründen, die nicht dnrch
47 a. a. O. (!) beseitigt werden, unzulässig wäre, dnrch jenes Abkommen
dieselbe vollzogen oder ihre künftige Vollziehung vereinbart oder die Natur
der Forderung oder der Schuld mit der Wirkung des Eintritts der Kompcnsnbilitäl
geändert worden wäre."

Wörtlich so zu lesen in Band 2l>, S. 83, 84 der Entscheidungen deS Reichs¬
gerichtes in Zivilsachen. Welchen Wert die Veröffentlichung solcher Entscheidungs-
gründe haben soll, ist schwer einzusehen; mau möchte fast vermuten, daß der Zweck
nur der sei, die unvermeidlich jedes Jahr erscheinenden zwei Bände der Ent¬
scheidungen zu füllen.


Auch deutsch!

Ein böhmischer Postmeister namens Swoboda (zu deutsch:
Freiheit) verspricht in einem Wahlprvgramm, alle sei«e Kräfte dafür einzusetze«,
„daß namentlich dem Notstände der Landwirte jene Quellen erschlossen
werden, welche ihm die Möglichkeit einer gesicherte« Existenz und eine gedeihlichere
Zukunft erhoffen lassen." Der HM scheint mit Falstaff zu denken: Die arm¬
selige« Mißbräuche der Zeit haben Aufmunterung nötig.




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[0483] Maßgebliches und Unmaßgebliches haben unser Gut, wir haben unser Blut, wir haben unsre Ehre und Namen dahin- gegeben und nichts damit ausgerichtet, als daß wir uns schier zu Dienstknechten, und fremde Ncitwncn berühmt, uns des hohen Namens fast verlustig und diejenigen, so wir vorher im»n kannten, damit herrlich gemachet. WnS sind Rhein, Weser, Elbe und Oderstrvm nunmehr anders, als fremder Nationen Gefangene?" Zuletzt fordert der Verfasser jeden, der „kein schwedisch Brot essen will," auf, daran zu denken, „was er für die Ehre des teutschen Namens zu thun habe": „Bedenke, daß dn ein Teutscher bist." Wer der Verfasser dieser interessanten kleinen Schrift ist, die mit einer Ent¬ schiedenheit und Begeisterung, wie sie in jener Zeit selten ist, dein nationalen Ge¬ danken Worte verleiht, ist nicht bekannt. Erdniannsdörfcr in seiner noch unvoll¬ endeten deutsche« Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen, nach der ich oben zitirt habe, hält es für wahrscheinlich, daß der Geheime Rat Friedrich von Jena der Verfasser sei; andre schreiben die R L Schrift dem Oberpräsidenten Otto von Schwerin zu. Gerichtliches Musterdcutsch. MblKkks odlixs: vou dem vornehmsten deutschen Gerichte sind wir berechtigt die beste deutsche Sprache zu erwarte». Was soll man aber in dieser Beziehung zu folgender Leistung des erstell Zivilsenates des Reichsgerichtes sage«: „Diese beschräiikte Anfcchtniig wird übrigens auch uur zu einem Ziele führen, wenn nicht auch bei Beseitigung des Abkommens, doch immer, weil das Rechts¬ geschäft bestehen bleibt, welches die Schuld begründet, die gesetzliche Befugnis zur Ausrechnung, die für den Fall des Konkurses nach ^ 17, Absatz l der Kvn- kursvrdnnng von gewissen sonst gellenden Voraussetzungen unabhängig ist, be¬ stehen bleibt, also nnr dann, wenn, wahrend um sich wegen der Natur der Forderung oder der Schuld die Kompensation aus Gründen, die nicht dnrch 47 a. a. O. (!) beseitigt werden, unzulässig wäre, dnrch jenes Abkommen dieselbe vollzogen oder ihre künftige Vollziehung vereinbart oder die Natur der Forderung oder der Schuld mit der Wirkung des Eintritts der Kompcnsnbilitäl geändert worden wäre." Wörtlich so zu lesen in Band 2l>, S. 83, 84 der Entscheidungen deS Reichs¬ gerichtes in Zivilsachen. Welchen Wert die Veröffentlichung solcher Entscheidungs- gründe haben soll, ist schwer einzusehen; mau möchte fast vermuten, daß der Zweck nur der sei, die unvermeidlich jedes Jahr erscheinenden zwei Bände der Ent¬ scheidungen zu füllen. Auch deutsch! Ein böhmischer Postmeister namens Swoboda (zu deutsch: Freiheit) verspricht in einem Wahlprvgramm, alle sei«e Kräfte dafür einzusetze«, „daß namentlich dem Notstände der Landwirte jene Quellen erschlossen werden, welche ihm die Möglichkeit einer gesicherte« Existenz und eine gedeihlichere Zukunft erhoffen lassen." Der HM scheint mit Falstaff zu denken: Die arm¬ selige« Mißbräuche der Zeit haben Aufmunterung nötig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/483>, abgerufen am 22.07.2024.