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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Diego Oelazqnez und sein Jahrhundert

würdigen Abschnitt bilden und, wenn sie die erhoffte staatliche Förderung mit
sich bringt, eine neue Ära noch größerer und allgemeinerer Vorteile und
Segnungen durch Umwendung der Stenographie einleiten, denen die Aussicht
auf dereinstige stenographische Einigung des Reiches die Krone aufsetzen wird.
Daß aber die ganze Angelegenheit nicht als unwichtig oder bedeutungslos bei
den Verhandlungen über die preußische Schulreform unter den Tisch falle,
sondern wirklich erörtert und zu einem bestimmten Abschluß gebracht werde,
dazu wollen die vorstehenden Gedanken Anregung geben. Möchten sie ihre
Absicht erreichen.




Diego Velazquez und sein Jahrhundert
von Adolf Rosonberg

n einer Zeit, wo ein namenloser "Deutscher" Rembrandt als den
Retter aus allen Nöten der Politik, der Moral, der Wissenschaft,
der Kunst und des gesamten geistigen und materiellen Lebens
angepriesen und durch eine unendliche Melodie berauschender
Phrasen die große Masse der Urtcilslvsen bethört hat, ist das
malerische Ideal der ausübenden Künstler wie der laufenden Kunstfreunde, die
die Bewegung des Kunstmarktes mit alter und neuer Ware lebendig erhalten,
so weit von Rembrandt entfernt wie noch nie zuvor seit zwei Jahrhunderten.
Daß Rembrandt schon bei Lebzeiten mit einer entgegengesetzten Geschmacks¬
richtung seiner Landsleute zu kämpfen hatte, ist aus seiner Biographie,
namentlich aus der Geschichte seines wirtschaftlichen Verfalles, bekannt, der
gerade anhob, als der Künstler eben erst das, was wir jetzt den eigentlichen
Nembrandtstil nennen, zur vollen Reife gebracht hatte. Wenn aber auch die
Zeitgenossen, die sich von ihm malen ließen, nicht mit seiner subjektiven, indi¬
viduell gefärbten Naturauffassung einverstanden waren, so sielen ihm doch die
Maler zu. Die Schüler seiner spätern Jahre und seine Amsterdamer Kunst¬
genossen, die etwas Besondres mitbringen wollten, wenn sie in fremder Herren
Ländern Beschäftigung suchten, trugen den malerischen Stil aus der letzten
Zeit des Meisters in die Weite, und er nahm stetig an Geltung zu bis gegen
das Ende des achtzehnten Jahrhunderts, wo der fabrikmäßigen Herstellung von
Ahnenbildergalerien ein vorläufiger Stillstand geboten wurde. Aber auch
dann noch blühte der Rembraudtstil im Verborgenen fort, und in neuester Zeit
erhob er sich wieder zu voller Kraft durch die geschäftige Thätigkeit eines


Diego Oelazqnez und sein Jahrhundert

würdigen Abschnitt bilden und, wenn sie die erhoffte staatliche Förderung mit
sich bringt, eine neue Ära noch größerer und allgemeinerer Vorteile und
Segnungen durch Umwendung der Stenographie einleiten, denen die Aussicht
auf dereinstige stenographische Einigung des Reiches die Krone aufsetzen wird.
Daß aber die ganze Angelegenheit nicht als unwichtig oder bedeutungslos bei
den Verhandlungen über die preußische Schulreform unter den Tisch falle,
sondern wirklich erörtert und zu einem bestimmten Abschluß gebracht werde,
dazu wollen die vorstehenden Gedanken Anregung geben. Möchten sie ihre
Absicht erreichen.




Diego Velazquez und sein Jahrhundert
von Adolf Rosonberg

n einer Zeit, wo ein namenloser „Deutscher" Rembrandt als den
Retter aus allen Nöten der Politik, der Moral, der Wissenschaft,
der Kunst und des gesamten geistigen und materiellen Lebens
angepriesen und durch eine unendliche Melodie berauschender
Phrasen die große Masse der Urtcilslvsen bethört hat, ist das
malerische Ideal der ausübenden Künstler wie der laufenden Kunstfreunde, die
die Bewegung des Kunstmarktes mit alter und neuer Ware lebendig erhalten,
so weit von Rembrandt entfernt wie noch nie zuvor seit zwei Jahrhunderten.
Daß Rembrandt schon bei Lebzeiten mit einer entgegengesetzten Geschmacks¬
richtung seiner Landsleute zu kämpfen hatte, ist aus seiner Biographie,
namentlich aus der Geschichte seines wirtschaftlichen Verfalles, bekannt, der
gerade anhob, als der Künstler eben erst das, was wir jetzt den eigentlichen
Nembrandtstil nennen, zur vollen Reife gebracht hatte. Wenn aber auch die
Zeitgenossen, die sich von ihm malen ließen, nicht mit seiner subjektiven, indi¬
viduell gefärbten Naturauffassung einverstanden waren, so sielen ihm doch die
Maler zu. Die Schüler seiner spätern Jahre und seine Amsterdamer Kunst¬
genossen, die etwas Besondres mitbringen wollten, wenn sie in fremder Herren
Ländern Beschäftigung suchten, trugen den malerischen Stil aus der letzten
Zeit des Meisters in die Weite, und er nahm stetig an Geltung zu bis gegen
das Ende des achtzehnten Jahrhunderts, wo der fabrikmäßigen Herstellung von
Ahnenbildergalerien ein vorläufiger Stillstand geboten wurde. Aber auch
dann noch blühte der Rembraudtstil im Verborgenen fort, und in neuester Zeit
erhob er sich wieder zu voller Kraft durch die geschäftige Thätigkeit eines


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[0374] Diego Oelazqnez und sein Jahrhundert würdigen Abschnitt bilden und, wenn sie die erhoffte staatliche Förderung mit sich bringt, eine neue Ära noch größerer und allgemeinerer Vorteile und Segnungen durch Umwendung der Stenographie einleiten, denen die Aussicht auf dereinstige stenographische Einigung des Reiches die Krone aufsetzen wird. Daß aber die ganze Angelegenheit nicht als unwichtig oder bedeutungslos bei den Verhandlungen über die preußische Schulreform unter den Tisch falle, sondern wirklich erörtert und zu einem bestimmten Abschluß gebracht werde, dazu wollen die vorstehenden Gedanken Anregung geben. Möchten sie ihre Absicht erreichen. Diego Velazquez und sein Jahrhundert von Adolf Rosonberg n einer Zeit, wo ein namenloser „Deutscher" Rembrandt als den Retter aus allen Nöten der Politik, der Moral, der Wissenschaft, der Kunst und des gesamten geistigen und materiellen Lebens angepriesen und durch eine unendliche Melodie berauschender Phrasen die große Masse der Urtcilslvsen bethört hat, ist das malerische Ideal der ausübenden Künstler wie der laufenden Kunstfreunde, die die Bewegung des Kunstmarktes mit alter und neuer Ware lebendig erhalten, so weit von Rembrandt entfernt wie noch nie zuvor seit zwei Jahrhunderten. Daß Rembrandt schon bei Lebzeiten mit einer entgegengesetzten Geschmacks¬ richtung seiner Landsleute zu kämpfen hatte, ist aus seiner Biographie, namentlich aus der Geschichte seines wirtschaftlichen Verfalles, bekannt, der gerade anhob, als der Künstler eben erst das, was wir jetzt den eigentlichen Nembrandtstil nennen, zur vollen Reife gebracht hatte. Wenn aber auch die Zeitgenossen, die sich von ihm malen ließen, nicht mit seiner subjektiven, indi¬ viduell gefärbten Naturauffassung einverstanden waren, so sielen ihm doch die Maler zu. Die Schüler seiner spätern Jahre und seine Amsterdamer Kunst¬ genossen, die etwas Besondres mitbringen wollten, wenn sie in fremder Herren Ländern Beschäftigung suchten, trugen den malerischen Stil aus der letzten Zeit des Meisters in die Weite, und er nahm stetig an Geltung zu bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts, wo der fabrikmäßigen Herstellung von Ahnenbildergalerien ein vorläufiger Stillstand geboten wurde. Aber auch dann noch blühte der Rembraudtstil im Verborgenen fort, und in neuester Zeit erhob er sich wieder zu voller Kraft durch die geschäftige Thätigkeit eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/374>, abgerufen am 03.07.2024.