Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Litteratur schlechten Spezimen die geistige Unreife oder Unfähigkeit seines Sohnes zu er¬ Litteratur Im Kampf mit Vorurteilen. Novelle von Haus Wittenberg, Leipzig, Karl HinsiorssS BerlmMuchhaudlung, 189" Der Verfasser -- nach dem Stil zu urteile" doch wohl eine Dame -- ver Litteratur schlechten Spezimen die geistige Unreife oder Unfähigkeit seines Sohnes zu er¬ Litteratur Im Kampf mit Vorurteilen. Novelle von Haus Wittenberg, Leipzig, Karl HinsiorssS BerlmMuchhaudlung, 189» Der Verfasser — nach dem Stil zu urteile« doch wohl eine Dame — ver <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209528"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_832" prev="#ID_831"> schlechten Spezimen die geistige Unreife oder Unfähigkeit seines Sohnes zu er¬<lb/> kennen vermöchte, sondern weil er befürchten muß, das; ihm ein querköpfiger Schnl-<lb/> thronn die Freude an seinein Kinde zu rauben imstande ist; denn die Fehlerzahl<lb/> im Spezimen giebt bei einer gar nicht unbedeutenden Zahl von Gymnasialphilo¬<lb/> logen den Ausschlag bei der Versetzung. Dos; wir nicht übertreiben, werden uns<lb/> viele Väter bezeugen, die sich vor der Versetzung nach dein Klassenstande ihrer<lb/> Kinder bei gewissen Lehrern erkundigt haben. Alsbald zieht ein solcher Kommi߬<lb/> philologe, gleich einem Feldwebel, sein Notizbuch aus der Brusttasche und macht<lb/> die Rechnung auf. Er hat sich, sobald eine gewisse Summe von Fehlern erreicht<lb/> ist, einen dicken Strich gemacht, der die Versetzungsgreuze bezeichnet. Schmerzlich<lb/> zuckt er mit den Achseln und bedeutet dem armen Vater, das; sein Sohn sich —<lb/> unter dem Striche befinde. Das muß anders werden. Ein solches Nechenerempel<lb/> darf nicht über den Hausfrieden oder über das Lebensglück unsrer Kinder ent¬<lb/> scheiden, besonders jetzt nicht mehr, wo der lateinische Aufsatz und das griechische<lb/> Skriptum als Zielleistnugeu des Ghmnasinms glücklich beseitigt worden sind. Nicht<lb/> wenige Gymnasialdirektoren und Gymnasialphilologen sind mit uus völlig ein¬<lb/> verstanden, aber sie vermögen häufig gegen die bei ihren Kollegen herrschenden<lb/> Anschauungen nichts auszurichten. Deshalb müssen alle Väter, denen das Lebens¬<lb/> glück ihrer Kinder am Herzen liegt, und die wünschen, daß ihren Kindern ihre<lb/> Ingeudfreude nicht zerstört werde, gegen die von uns als falsch bezeichnete Auf¬<lb/> fassung kämpfen und so lauge kämpfen, bis sie siegen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Im Kampf mit Vorurteilen. Novelle von Haus Wittenberg, Leipzig, Karl<lb/> HinsiorssS BerlmMuchhaudlung, 189»</head><lb/> <p xml:id="ID_833" next="#ID_834"> Der Verfasser — nach dem Stil zu urteile« doch wohl eine Dame — ver<lb/> sucht in der vorliegenden Novelle die trüben Erfahrungen eines jungen Mannes<lb/> entwickeln, der ans psychologischen Gründen ein Duell ablehnt, obgleich er<lb/> Reserveoffizier ist; von einem wirklichen Kämpfen, wie es Hans Wittenberg ver<lb/> spricht, ist freilich nicht viel zu boren. Der Verfasser hat sich in einer Zeitschrift<lb/> dagegen verwahrt, daß er dieses Motiv einer Dichtung Bleibtrens entlehnt habe<lb/> und beschuldigt seinerseits Bleibtreu des Plagiats, wogegen dieser sich nnn wieder<lb/> verwahrt — das ist eine bequeme Art, seinen Namen bekannt zu machen. 'I.-me,<lb/> '.'« !>">it V<"N' uno mnslstts! Die Novelle ist wirklich nichts mehr. Sie verrät<lb/> »i allen Dingen so sehr den Anfänger, daß man dein Verfasser nur den Rat geben<lb/> kann, seine Werke erst neun Jahre ungedruckt liegen zu lassen; seine reifer ge¬<lb/> wordene Selbstkritik und Menschenkenntnis werden ihn dann gewiß von der Ver¬<lb/> öffentlichung solcher Machwerke abhalten. Auch seine Sprache muß anders werden,<lb/> Wendungen wie „die ganze Gesellschaft war sortir» darüber informire, inwieweit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
Litteratur
schlechten Spezimen die geistige Unreife oder Unfähigkeit seines Sohnes zu er¬
kennen vermöchte, sondern weil er befürchten muß, das; ihm ein querköpfiger Schnl-
thronn die Freude an seinein Kinde zu rauben imstande ist; denn die Fehlerzahl
im Spezimen giebt bei einer gar nicht unbedeutenden Zahl von Gymnasialphilo¬
logen den Ausschlag bei der Versetzung. Dos; wir nicht übertreiben, werden uns
viele Väter bezeugen, die sich vor der Versetzung nach dein Klassenstande ihrer
Kinder bei gewissen Lehrern erkundigt haben. Alsbald zieht ein solcher Kommi߬
philologe, gleich einem Feldwebel, sein Notizbuch aus der Brusttasche und macht
die Rechnung auf. Er hat sich, sobald eine gewisse Summe von Fehlern erreicht
ist, einen dicken Strich gemacht, der die Versetzungsgreuze bezeichnet. Schmerzlich
zuckt er mit den Achseln und bedeutet dem armen Vater, das; sein Sohn sich —
unter dem Striche befinde. Das muß anders werden. Ein solches Nechenerempel
darf nicht über den Hausfrieden oder über das Lebensglück unsrer Kinder ent¬
scheiden, besonders jetzt nicht mehr, wo der lateinische Aufsatz und das griechische
Skriptum als Zielleistnugeu des Ghmnasinms glücklich beseitigt worden sind. Nicht
wenige Gymnasialdirektoren und Gymnasialphilologen sind mit uus völlig ein¬
verstanden, aber sie vermögen häufig gegen die bei ihren Kollegen herrschenden
Anschauungen nichts auszurichten. Deshalb müssen alle Väter, denen das Lebens¬
glück ihrer Kinder am Herzen liegt, und die wünschen, daß ihren Kindern ihre
Ingeudfreude nicht zerstört werde, gegen die von uns als falsch bezeichnete Auf¬
fassung kämpfen und so lauge kämpfen, bis sie siegen.
Litteratur
Im Kampf mit Vorurteilen. Novelle von Haus Wittenberg, Leipzig, Karl
HinsiorssS BerlmMuchhaudlung, 189»
Der Verfasser — nach dem Stil zu urteile« doch wohl eine Dame — ver
sucht in der vorliegenden Novelle die trüben Erfahrungen eines jungen Mannes
entwickeln, der ans psychologischen Gründen ein Duell ablehnt, obgleich er
Reserveoffizier ist; von einem wirklichen Kämpfen, wie es Hans Wittenberg ver
spricht, ist freilich nicht viel zu boren. Der Verfasser hat sich in einer Zeitschrift
dagegen verwahrt, daß er dieses Motiv einer Dichtung Bleibtrens entlehnt habe
und beschuldigt seinerseits Bleibtreu des Plagiats, wogegen dieser sich nnn wieder
verwahrt — das ist eine bequeme Art, seinen Namen bekannt zu machen. 'I.-me,
'.'« !>">it V<"N' uno mnslstts! Die Novelle ist wirklich nichts mehr. Sie verrät
»i allen Dingen so sehr den Anfänger, daß man dein Verfasser nur den Rat geben
kann, seine Werke erst neun Jahre ungedruckt liegen zu lassen; seine reifer ge¬
wordene Selbstkritik und Menschenkenntnis werden ihn dann gewiß von der Ver¬
öffentlichung solcher Machwerke abhalten. Auch seine Sprache muß anders werden,
Wendungen wie „die ganze Gesellschaft war sortir» darüber informire, inwieweit
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