Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Litteratur Die ewigen Rätsel. Populär-philosophische Vorträge, gehalten im Litterarischen Berein zu Baden-Baden von Rudolf von Wichert, Oberstleutnant z. D, Zweite Serie Diese Vorträge verdienen Empfehlung, weil sie wirklich populär-philosophisch Der Augsburger Religionsfriede. Bon Gustav Wolf. Stuttgart, Göschen, 1890 Der Verfasser ist durch glückliche archivalische Funde und freundliche Förderung Litteratur Die ewigen Rätsel. Populär-philosophische Vorträge, gehalten im Litterarischen Berein zu Baden-Baden von Rudolf von Wichert, Oberstleutnant z. D, Zweite Serie Diese Vorträge verdienen Empfehlung, weil sie wirklich populär-philosophisch Der Augsburger Religionsfriede. Bon Gustav Wolf. Stuttgart, Göschen, 1890 Der Verfasser ist durch glückliche archivalische Funde und freundliche Förderung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208727"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Die ewigen Rätsel. Populär-philosophische Vorträge, gehalten im Litterarischen Berein<lb/> zu Baden-Baden von Rudolf von Wichert, Oberstleutnant z. D, Zweite Serie</head><lb/> <p xml:id="ID_400"> Diese Vorträge verdienen Empfehlung, weil sie wirklich populär-philosophisch<lb/> im besten Sinne des Wortes sind, und weil sie den Standpunkt eines vernünftigen<lb/> Glaubens um Gott mit Wärme und Einsicht vertreten. Die vorliegende zweite<lb/> Serie umfaßt: Raum und Zeit, das Schöne, Sinn und Verstand, den Zweck im<lb/> Weltall, Wissen und Glaube», deu Militarismus. Der Verfasser lehnt sich vor¬<lb/> zugsweise an Kant und Lotze an, hat aber die gesamte philosophische Litteratur der<lb/> Gegenwart gründlich studirt und selbständig verarbeitet. Die verschiednen Spiel¬<lb/> arten des modernen Materialismus und Atheismus kritisirt er mit manchem hübschen<lb/> treffenden Wort. „Nur ein auf dem englischen Wollsack großgezogener Doktrina¬<lb/> rismus — sagt er z. B. im letzten Vortrage — konnte den Nutzen zum Moralprinzip<lb/> erheben und in ihm den einzig denkbaren Beweggrund unsrer Handlungen finden;<lb/> und wenn der ebenfalls ans englischem Boden erwachsene Darwinismus deu Nutzen<lb/> sogar zum Lebensprinzip steigert, ist es da zu verwundern, wenn die urteilslose<lb/> Menge der ihr aufoktrvyirteu (so!) Abstammung von der Tierheit znjanchzt, da sie in<lb/> ihren Ahnen tagtäglich so würdige Vorbilder der Nützlichkeitsmoral vor Augen hat?"<lb/> Das Zujauchzen wird doch mehr von den Gelehrten als von der Menge besorgt;<lb/> den gemeinen Mann zu überreden, daß er ein bloßes Vieh sei, kostet immer einige<lb/> Mühe. Bei dem proletarischen Teile des Volkes ist es su den jahrzehntelangen<lb/> Anstrengungen der „Volksaufklärer" schließlich gelungen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der Augsburger Religionsfriede. Bon Gustav Wolf. Stuttgart, Göschen, 1890</head><lb/> <p xml:id="ID_401"> Der Verfasser ist durch glückliche archivalische Funde und freundliche Förderung<lb/> namentlich von feiten Maurenbrechers in den Stand gesetzt worden, die Entstehung<lb/> des Augsburger Religivnsfriedens wissenschaftlich genauer und unparteiischer dar-<lb/> zustellen, als es bisher geschehen ist. Eine übermäßige Hervorhebung der Einzel¬<lb/> heiten hat er im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit vermieden. So ist<lb/> sein Buch, wenn mich nicht leicht, doch lesbar und dabei überzeugend geschrieben.<lb/> Deutlich sehen wir, wie im Fürstenrat und bei deu Kurfürsten keineswegs bloß<lb/> konfessionelle Motive zu Tage treten, mich sehr weltliche und Partikularistische Rück¬<lb/> sichten wirken mit, und in lebhaftem Kampfe der Interessen geht es nicht ohne<lb/> Kompromisse verschiedener Art ab. Das Ganze ist ein rühmlicher Beweis von der<lb/> gründliche» und methodischen Arbeit, wie sie in unsern historischen Seminaren in<lb/> Übung steht.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Litteratur
Die ewigen Rätsel. Populär-philosophische Vorträge, gehalten im Litterarischen Berein
zu Baden-Baden von Rudolf von Wichert, Oberstleutnant z. D, Zweite Serie
Diese Vorträge verdienen Empfehlung, weil sie wirklich populär-philosophisch
im besten Sinne des Wortes sind, und weil sie den Standpunkt eines vernünftigen
Glaubens um Gott mit Wärme und Einsicht vertreten. Die vorliegende zweite
Serie umfaßt: Raum und Zeit, das Schöne, Sinn und Verstand, den Zweck im
Weltall, Wissen und Glaube», deu Militarismus. Der Verfasser lehnt sich vor¬
zugsweise an Kant und Lotze an, hat aber die gesamte philosophische Litteratur der
Gegenwart gründlich studirt und selbständig verarbeitet. Die verschiednen Spiel¬
arten des modernen Materialismus und Atheismus kritisirt er mit manchem hübschen
treffenden Wort. „Nur ein auf dem englischen Wollsack großgezogener Doktrina¬
rismus — sagt er z. B. im letzten Vortrage — konnte den Nutzen zum Moralprinzip
erheben und in ihm den einzig denkbaren Beweggrund unsrer Handlungen finden;
und wenn der ebenfalls ans englischem Boden erwachsene Darwinismus deu Nutzen
sogar zum Lebensprinzip steigert, ist es da zu verwundern, wenn die urteilslose
Menge der ihr aufoktrvyirteu (so!) Abstammung von der Tierheit znjanchzt, da sie in
ihren Ahnen tagtäglich so würdige Vorbilder der Nützlichkeitsmoral vor Augen hat?"
Das Zujauchzen wird doch mehr von den Gelehrten als von der Menge besorgt;
den gemeinen Mann zu überreden, daß er ein bloßes Vieh sei, kostet immer einige
Mühe. Bei dem proletarischen Teile des Volkes ist es su den jahrzehntelangen
Anstrengungen der „Volksaufklärer" schließlich gelungen.
Der Augsburger Religionsfriede. Bon Gustav Wolf. Stuttgart, Göschen, 1890
Der Verfasser ist durch glückliche archivalische Funde und freundliche Förderung
namentlich von feiten Maurenbrechers in den Stand gesetzt worden, die Entstehung
des Augsburger Religivnsfriedens wissenschaftlich genauer und unparteiischer dar-
zustellen, als es bisher geschehen ist. Eine übermäßige Hervorhebung der Einzel¬
heiten hat er im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit vermieden. So ist
sein Buch, wenn mich nicht leicht, doch lesbar und dabei überzeugend geschrieben.
Deutlich sehen wir, wie im Fürstenrat und bei deu Kurfürsten keineswegs bloß
konfessionelle Motive zu Tage treten, mich sehr weltliche und Partikularistische Rück¬
sichten wirken mit, und in lebhaftem Kampfe der Interessen geht es nicht ohne
Kompromisse verschiedener Art ab. Das Ganze ist ein rühmlicher Beweis von der
gründliche» und methodischen Arbeit, wie sie in unsern historischen Seminaren in
Übung steht.
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