Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches der Schulregel anfängt? Ohne Zweifel Herr Dr. Riegel! Dus könnte lustig Zum Schlüsse spielt Herr Riegel noch den bei Leuten in seiner Lage sehr Das französische Wespennest. Der kürzlich verstorbene Alfons Karr war Republikaner -- fo wettert der Alte ^ , Republikaner wollen wir sein? Maßgebliches und Unmaßgebliches der Schulregel anfängt? Ohne Zweifel Herr Dr. Riegel! Dus könnte lustig Zum Schlüsse spielt Herr Riegel noch den bei Leuten in seiner Lage sehr Das französische Wespennest. Der kürzlich verstorbene Alfons Karr war Republikaner — fo wettert der Alte ^ , Republikaner wollen wir sein? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208725"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_392" prev="#ID_391"> der Schulregel anfängt? Ohne Zweifel Herr Dr. Riegel! Dus könnte lustig<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_393"> Zum Schlüsse spielt Herr Riegel noch den bei Leuten in seiner Lage sehr<lb/> beliebten Trumpf aus, seine Gegner nach dem Namen zu fragen. Sein neuester<lb/> Aufsatz ist cillerdiugs auch namenlos erschienen, aber jeder Satz trägt den Stempel<lb/> seines Verfassers. Er hat gegen unsre Einwendungen nichts sachliches vorzubringen<lb/> vermocht; glaubt er wirklich, daß es ihm etwas helfen würde, wenn er erführe,<lb/> ob Hinz oder Kunz die Bemerkungen in den Grenzboten zu Papiere gebracht hat!<lb/> Möglicherweise wird es uns einmal belieben, unsern Namen zu nennen, die grobe<lb/> Anzapfnng des Herrn Riegel kann uus aber nicht veranlasse», seine Neugier zu<lb/> befriedigen. Gutmütig, wie wir sind, geben wir ihm aber noch einen guten Rat. Er<lb/> wird doch einen wahren, aufrichtigen Freund haben? Nun gut, den frage er einmal<lb/> aufs Gewisse» nach seiner Meinung in dieser Sache, von dem lasse er sich sagen,<lb/> ob seine Herrschsucht und sein Eigensinn ihm selbst und dem Sprachverein förderlich<lb/> feien oder nicht.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Das französische Wespennest. </head> <p xml:id="ID_394"> Der kürzlich verstorbene Alfons Karr war<lb/> bekanntlich ein tüchtiger Gärtner und überhaupt ein großer Naturfreund. Im letzten<lb/> Jahre seines Lebens hat er dem Figaro, dessen Mitarbeiter er seit 1827 gewesen<lb/> war, eine Reihe naturgeschichtlicher Satiren geliefert, die allerlei menschliche Thor¬<lb/> heiten im Bilde des Lebens und Treibens kleiner Tiere, wie der Eintagsfliegen<lb/> und Käfer, verspotten. Die letzte dieser Satiren ist I^hö ^.bsillss überschrieben<lb/> und am 11. Oktober, elf Tage nach seinem Tode, erschienen. Sie schildert den<lb/> Bienenstock als eine Mnsterrevublik, in der ein jedes an seinem Platze seine Pflicht<lb/> erfüllt, ohne durch äußern Zwang dazu angehalten zu werden, und stellt ihm daun<lb/> die französische Republik gegenüber. Litterarisch ist die Satire insofern verfehlt,<lb/> als man in der Schilderung der Gebrechen des französischen Staatswesens die<lb/> durchgehende Beziehung auf den Bienenstock vermißt; es hätte etwa als Wespennest<lb/> dargestellt werden können, oder als ein Bienenstock, in dem bei eiuer Revolution die<lb/> Königinnen umgebracht und die Arbeitsbienen von den Drohnen unterjocht worden<lb/> Wäre». An sich aber ist alles, was er der herrschenden Clique sagt, kräftig und gut.</p><lb/> <p xml:id="ID_395"> Republikaner — fo wettert der Alte ^ , Republikaner wollen wir sein?<lb/> Worin besteht denn unsre Republik? Darin, daß sich unsre Volksvertreter mit eiuer<lb/> Stimme Mehrheit dafür erklärt haben. Nach I. I. Rousseau gehört Einstimmig¬<lb/> keit zu einem Verfassungswechsel; bei uus aber ist die eine Hälfte des Volkes<lb/> weniger einem von der andern Hälfte xlns einem unterjocht worden und wird wie<lb/> ein besiegter Feind behandelt. Nicht Sklaven sind wir, die ihre Fesseln zerbrochen<lb/> und sich befreit haben, sondern launische Bediente«, die alle Augenblicke ihren Herrn<lb/> wechseln. Wir gleichen jenen Wilden, die sich jeden Tag einen andern Götzen<lb/> machen, indem sie den ersten besten Gegenstand dazu wählen, auf den ihr Blick<lb/> fällt, wenn sie morgens aus ihrer Hütte treten: heute einen Vogel, morgen eine<lb/> Eidechse, übermorgen einen Kieselstein. Was nützt uns denn diese Republik?<lb/> Werden wir denn billiger und besser regiert? Lebe« wir glücklicher und freier,<lb/> wird uus das Fortkommen leichter, mindert sich das Elend? Die Steuern wachsen<lb/> täglich, unverschämte Geldverschwendung erweitert beständig die »nausfüllbnre Kluft<lb/> des Defizits, die Selbstmorde nehmen überHand, Freiheit und Gerechtigkeit werden<lb/> verhöhnt, indem die Schuldigen ihre Vettern und Freunde in die hohen Ämter<lb/> zu bringen wissen und bei diesen Schutz finden, das Privateigentum wird von den<lb/> Gewalthabern nicht mehr respektirt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
der Schulregel anfängt? Ohne Zweifel Herr Dr. Riegel! Dus könnte lustig
werden.
Zum Schlüsse spielt Herr Riegel noch den bei Leuten in seiner Lage sehr
beliebten Trumpf aus, seine Gegner nach dem Namen zu fragen. Sein neuester
Aufsatz ist cillerdiugs auch namenlos erschienen, aber jeder Satz trägt den Stempel
seines Verfassers. Er hat gegen unsre Einwendungen nichts sachliches vorzubringen
vermocht; glaubt er wirklich, daß es ihm etwas helfen würde, wenn er erführe,
ob Hinz oder Kunz die Bemerkungen in den Grenzboten zu Papiere gebracht hat!
Möglicherweise wird es uns einmal belieben, unsern Namen zu nennen, die grobe
Anzapfnng des Herrn Riegel kann uus aber nicht veranlasse», seine Neugier zu
befriedigen. Gutmütig, wie wir sind, geben wir ihm aber noch einen guten Rat. Er
wird doch einen wahren, aufrichtigen Freund haben? Nun gut, den frage er einmal
aufs Gewisse» nach seiner Meinung in dieser Sache, von dem lasse er sich sagen,
ob seine Herrschsucht und sein Eigensinn ihm selbst und dem Sprachverein förderlich
feien oder nicht.
Das französische Wespennest. Der kürzlich verstorbene Alfons Karr war
bekanntlich ein tüchtiger Gärtner und überhaupt ein großer Naturfreund. Im letzten
Jahre seines Lebens hat er dem Figaro, dessen Mitarbeiter er seit 1827 gewesen
war, eine Reihe naturgeschichtlicher Satiren geliefert, die allerlei menschliche Thor¬
heiten im Bilde des Lebens und Treibens kleiner Tiere, wie der Eintagsfliegen
und Käfer, verspotten. Die letzte dieser Satiren ist I^hö ^.bsillss überschrieben
und am 11. Oktober, elf Tage nach seinem Tode, erschienen. Sie schildert den
Bienenstock als eine Mnsterrevublik, in der ein jedes an seinem Platze seine Pflicht
erfüllt, ohne durch äußern Zwang dazu angehalten zu werden, und stellt ihm daun
die französische Republik gegenüber. Litterarisch ist die Satire insofern verfehlt,
als man in der Schilderung der Gebrechen des französischen Staatswesens die
durchgehende Beziehung auf den Bienenstock vermißt; es hätte etwa als Wespennest
dargestellt werden können, oder als ein Bienenstock, in dem bei eiuer Revolution die
Königinnen umgebracht und die Arbeitsbienen von den Drohnen unterjocht worden
Wäre». An sich aber ist alles, was er der herrschenden Clique sagt, kräftig und gut.
Republikaner — fo wettert der Alte ^ , Republikaner wollen wir sein?
Worin besteht denn unsre Republik? Darin, daß sich unsre Volksvertreter mit eiuer
Stimme Mehrheit dafür erklärt haben. Nach I. I. Rousseau gehört Einstimmig¬
keit zu einem Verfassungswechsel; bei uus aber ist die eine Hälfte des Volkes
weniger einem von der andern Hälfte xlns einem unterjocht worden und wird wie
ein besiegter Feind behandelt. Nicht Sklaven sind wir, die ihre Fesseln zerbrochen
und sich befreit haben, sondern launische Bediente«, die alle Augenblicke ihren Herrn
wechseln. Wir gleichen jenen Wilden, die sich jeden Tag einen andern Götzen
machen, indem sie den ersten besten Gegenstand dazu wählen, auf den ihr Blick
fällt, wenn sie morgens aus ihrer Hütte treten: heute einen Vogel, morgen eine
Eidechse, übermorgen einen Kieselstein. Was nützt uns denn diese Republik?
Werden wir denn billiger und besser regiert? Lebe« wir glücklicher und freier,
wird uus das Fortkommen leichter, mindert sich das Elend? Die Steuern wachsen
täglich, unverschämte Geldverschwendung erweitert beständig die »nausfüllbnre Kluft
des Defizits, die Selbstmorde nehmen überHand, Freiheit und Gerechtigkeit werden
verhöhnt, indem die Schuldigen ihre Vettern und Freunde in die hohen Ämter
zu bringen wissen und bei diesen Schutz finden, das Privateigentum wird von den
Gewalthabern nicht mehr respektirt.
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