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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die allgemeine Wehrpflicht in den Wertgesetzen Deutschlands und Frankreichs

vollständiger sein, sodaß unsre ostafrikanische Kolonie mit Zuversicht einer bessern
Zukunft entgegensieht.

Eine neue Wolke, die in Lissabon aufgestiegen ist, wird sich hoffentlich
in Dunst auflösen. Nach der dortigen Dia hätte der englische Konsul Johnston
die Eingebornen in der Nähe der deutscheu Niederlassungen am Nhasfasee
aufgefordert, sich der britischen Macht zu unterwerfen. Bestätigte sich das, so
würde England im Begriff stehen, die Ostafrikanische Gesellschaft des Hinter¬
landes zu berauben, das auf allen Karten zu ihrem Interessenkreise gerechnet
wird, und uns den Zugang zu dem Gebiete der großen innerafrikanischen Seen
abzuschneiden. Doch wollen wir daran vorläufig noch zweifeln. Wäre wirklich
Gefahr vorhanden, so wird der bewährte diplomatische Zauberstab des Reichs¬
kanzlers sie zu beschwören wissen.




Die allgemeine Wehrpflicht
in den ZVehrgesetzen Deutschlands und Frankreichs

le Heeresverfassungen stehen nicht nur im engsten Zusammenhange
mit deu allgemeinen Zustünden der Nationen, sie sind auch der
beste Ausdruck des innern Wertes, der sicherste Wertmesser der
Kulturhöhe eines Volkes. Man prüfe die Heereseinrichtungen
aller Völker und aller Zeiten, überall wird man dies bestätigt
sinden. Ganz besonders aber tritt es in der Geschichte der Wehrverfassung
Preußens zu Tage. In derselben Zeit, wo dem Preußischen Volke Immanuel
Kant geboren wurde, "stabilirte" Friedrich Wilhelm der Erste, der die Ver¬
körperung des kategorischen Imperativs darstellte, in seinem Kantonreglement
"wie einen roolisr as brcmvo" den Grundsatz, daß alle Einwohner des Landes
für die Waffen geboren seien. Zum erstenmale wieder seit den glänzenden
Tagen Roms ward hier die allgemeine Wehrpflicht als die Grundlage der Wehr-
verfassuug eines Staates hingestellt. Sie konnte in dem durch deu sieben¬
jährigen Krieg wirtschaftlich entkräfteter Lande während der seichten nach-
friderieianischen Jahre vergessen werden, aber sie ging dem Volke des Großen
Friedrich, der Schiller, Fichte und Scharnhorst nicht wieder ganz verloren.
Wie der gesamte preußische Staatskörper gestählt, verjüngt nach den schweren
Schlägen Napoleons emporwuchs, so reformirte sich uach ihnen auch die Wehr¬
verfassung. Man ahmte nicht etwa die Heereseinrichtungen des gewaltigen


Die allgemeine Wehrpflicht in den Wertgesetzen Deutschlands und Frankreichs

vollständiger sein, sodaß unsre ostafrikanische Kolonie mit Zuversicht einer bessern
Zukunft entgegensieht.

Eine neue Wolke, die in Lissabon aufgestiegen ist, wird sich hoffentlich
in Dunst auflösen. Nach der dortigen Dia hätte der englische Konsul Johnston
die Eingebornen in der Nähe der deutscheu Niederlassungen am Nhasfasee
aufgefordert, sich der britischen Macht zu unterwerfen. Bestätigte sich das, so
würde England im Begriff stehen, die Ostafrikanische Gesellschaft des Hinter¬
landes zu berauben, das auf allen Karten zu ihrem Interessenkreise gerechnet
wird, und uns den Zugang zu dem Gebiete der großen innerafrikanischen Seen
abzuschneiden. Doch wollen wir daran vorläufig noch zweifeln. Wäre wirklich
Gefahr vorhanden, so wird der bewährte diplomatische Zauberstab des Reichs¬
kanzlers sie zu beschwören wissen.




Die allgemeine Wehrpflicht
in den ZVehrgesetzen Deutschlands und Frankreichs

le Heeresverfassungen stehen nicht nur im engsten Zusammenhange
mit deu allgemeinen Zustünden der Nationen, sie sind auch der
beste Ausdruck des innern Wertes, der sicherste Wertmesser der
Kulturhöhe eines Volkes. Man prüfe die Heereseinrichtungen
aller Völker und aller Zeiten, überall wird man dies bestätigt
sinden. Ganz besonders aber tritt es in der Geschichte der Wehrverfassung
Preußens zu Tage. In derselben Zeit, wo dem Preußischen Volke Immanuel
Kant geboren wurde, „stabilirte" Friedrich Wilhelm der Erste, der die Ver¬
körperung des kategorischen Imperativs darstellte, in seinem Kantonreglement
„wie einen roolisr as brcmvo" den Grundsatz, daß alle Einwohner des Landes
für die Waffen geboren seien. Zum erstenmale wieder seit den glänzenden
Tagen Roms ward hier die allgemeine Wehrpflicht als die Grundlage der Wehr-
verfassuug eines Staates hingestellt. Sie konnte in dem durch deu sieben¬
jährigen Krieg wirtschaftlich entkräfteter Lande während der seichten nach-
friderieianischen Jahre vergessen werden, aber sie ging dem Volke des Großen
Friedrich, der Schiller, Fichte und Scharnhorst nicht wieder ganz verloren.
Wie der gesamte preußische Staatskörper gestählt, verjüngt nach den schweren
Schlägen Napoleons emporwuchs, so reformirte sich uach ihnen auch die Wehr¬
verfassung. Man ahmte nicht etwa die Heereseinrichtungen des gewaltigen


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[0068] Die allgemeine Wehrpflicht in den Wertgesetzen Deutschlands und Frankreichs vollständiger sein, sodaß unsre ostafrikanische Kolonie mit Zuversicht einer bessern Zukunft entgegensieht. Eine neue Wolke, die in Lissabon aufgestiegen ist, wird sich hoffentlich in Dunst auflösen. Nach der dortigen Dia hätte der englische Konsul Johnston die Eingebornen in der Nähe der deutscheu Niederlassungen am Nhasfasee aufgefordert, sich der britischen Macht zu unterwerfen. Bestätigte sich das, so würde England im Begriff stehen, die Ostafrikanische Gesellschaft des Hinter¬ landes zu berauben, das auf allen Karten zu ihrem Interessenkreise gerechnet wird, und uns den Zugang zu dem Gebiete der großen innerafrikanischen Seen abzuschneiden. Doch wollen wir daran vorläufig noch zweifeln. Wäre wirklich Gefahr vorhanden, so wird der bewährte diplomatische Zauberstab des Reichs¬ kanzlers sie zu beschwören wissen. Die allgemeine Wehrpflicht in den ZVehrgesetzen Deutschlands und Frankreichs le Heeresverfassungen stehen nicht nur im engsten Zusammenhange mit deu allgemeinen Zustünden der Nationen, sie sind auch der beste Ausdruck des innern Wertes, der sicherste Wertmesser der Kulturhöhe eines Volkes. Man prüfe die Heereseinrichtungen aller Völker und aller Zeiten, überall wird man dies bestätigt sinden. Ganz besonders aber tritt es in der Geschichte der Wehrverfassung Preußens zu Tage. In derselben Zeit, wo dem Preußischen Volke Immanuel Kant geboren wurde, „stabilirte" Friedrich Wilhelm der Erste, der die Ver¬ körperung des kategorischen Imperativs darstellte, in seinem Kantonreglement „wie einen roolisr as brcmvo" den Grundsatz, daß alle Einwohner des Landes für die Waffen geboren seien. Zum erstenmale wieder seit den glänzenden Tagen Roms ward hier die allgemeine Wehrpflicht als die Grundlage der Wehr- verfassuug eines Staates hingestellt. Sie konnte in dem durch deu sieben¬ jährigen Krieg wirtschaftlich entkräfteter Lande während der seichten nach- friderieianischen Jahre vergessen werden, aber sie ging dem Volke des Großen Friedrich, der Schiller, Fichte und Scharnhorst nicht wieder ganz verloren. Wie der gesamte preußische Staatskörper gestählt, verjüngt nach den schweren Schlägen Napoleons emporwuchs, so reformirte sich uach ihnen auch die Wehr¬ verfassung. Man ahmte nicht etwa die Heereseinrichtungen des gewaltigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/68>, abgerufen am 23.07.2024.