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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Das soziale Kaisertum

wei Kundgebungen des Kaisers sind erfolgt von weittragendster
Bedeutung. Wer, der Monarchie lind der friedlichen Entwick¬
lung unsers Vaterlandes feind, sie abschwächen will, wird doch
immer zugestehe": müssen, daß sich der deutsche Kaiser nu die
Spitze der Arbeiterschutzgesetzgebung gestellt hat. Aber selbst in
dieser Nbschwächung reicht ihre Tragweite über die Grenzen unsers Vaterlandes
hinaus; in der Fürsorge für den deutschen Arbeiter, wie sie in den kaiserlichen
Willensäußerungen enthalten ist, liegt gleichzeitig die für den vierten Stand in
allen Staaten der Welt, und die hochherzigen Worte Kaiser Wilhelms II- werden
nicht mir in den deutschen Gauen, sie werden in den Fabriken Belgiens und
in der Schweiz, in England und Frankreich, diesseits und jenseits der Alpen
und des Ozeans begeisterten Wiederhall finden. Wer sich aber in seinem Ur¬
teil zu der Höhe dieser kaiserlichen Gesinnung aufzuschwingen vermag, der wird
eine dankbare Genugthuung empfinden, daß das hohenzollernsche Vermächtnis
in dem gegenwärtige Träger der Krone einen Hüter und einen Mehrer
-- sorlivör ^r^usws -- gefunden hat. Die Hohenzollern sind nie Könige
einer Klasse gewesen; in ihrem Staate hatte nie, wie im -moon rsssiiue, nur
der Adel eine Stellung. Selbst als noch überall ringsum die Grundsätze der
Feudalität die Welt beherrschten, lenkte sich die Fürsorge der brandenburg¬
preußischen Fürsten auf die niedern Stände ihres Volkes. Ihr Eintritt in die
Mark vollzog sich mit dem Niederbrechen der adlichen Zwingburgen. Der
Bürger und der Bauer betrachtete seine neuen Fürsten zugleich als seine Be¬
freier, und mit eigner Lebensgefahr mußte uoch Joachim I. die ungehorsamen
Junker von Raubrittertum und Plünderung zu Gehorsam und milden Sitten
zurückführen. Was Kurfürst Friedrich Wilhelm, den Mit- und Nachwelt mit
dem Namen "der Große" ehrten, für die niedern Klassen seines durch den


Grenzboten I 1890 38


Das soziale Kaisertum

wei Kundgebungen des Kaisers sind erfolgt von weittragendster
Bedeutung. Wer, der Monarchie lind der friedlichen Entwick¬
lung unsers Vaterlandes feind, sie abschwächen will, wird doch
immer zugestehe«: müssen, daß sich der deutsche Kaiser nu die
Spitze der Arbeiterschutzgesetzgebung gestellt hat. Aber selbst in
dieser Nbschwächung reicht ihre Tragweite über die Grenzen unsers Vaterlandes
hinaus; in der Fürsorge für den deutschen Arbeiter, wie sie in den kaiserlichen
Willensäußerungen enthalten ist, liegt gleichzeitig die für den vierten Stand in
allen Staaten der Welt, und die hochherzigen Worte Kaiser Wilhelms II- werden
nicht mir in den deutschen Gauen, sie werden in den Fabriken Belgiens und
in der Schweiz, in England und Frankreich, diesseits und jenseits der Alpen
und des Ozeans begeisterten Wiederhall finden. Wer sich aber in seinem Ur¬
teil zu der Höhe dieser kaiserlichen Gesinnung aufzuschwingen vermag, der wird
eine dankbare Genugthuung empfinden, daß das hohenzollernsche Vermächtnis
in dem gegenwärtige Träger der Krone einen Hüter und einen Mehrer
— sorlivör ^r^usws — gefunden hat. Die Hohenzollern sind nie Könige
einer Klasse gewesen; in ihrem Staate hatte nie, wie im -moon rsssiiue, nur
der Adel eine Stellung. Selbst als noch überall ringsum die Grundsätze der
Feudalität die Welt beherrschten, lenkte sich die Fürsorge der brandenburg¬
preußischen Fürsten auf die niedern Stände ihres Volkes. Ihr Eintritt in die
Mark vollzog sich mit dem Niederbrechen der adlichen Zwingburgen. Der
Bürger und der Bauer betrachtete seine neuen Fürsten zugleich als seine Be¬
freier, und mit eigner Lebensgefahr mußte uoch Joachim I. die ungehorsamen
Junker von Raubrittertum und Plünderung zu Gehorsam und milden Sitten
zurückführen. Was Kurfürst Friedrich Wilhelm, den Mit- und Nachwelt mit
dem Namen „der Große" ehrten, für die niedern Klassen seines durch den


Grenzboten I 1890 38
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[0305] [Abbildung] Das soziale Kaisertum wei Kundgebungen des Kaisers sind erfolgt von weittragendster Bedeutung. Wer, der Monarchie lind der friedlichen Entwick¬ lung unsers Vaterlandes feind, sie abschwächen will, wird doch immer zugestehe«: müssen, daß sich der deutsche Kaiser nu die Spitze der Arbeiterschutzgesetzgebung gestellt hat. Aber selbst in dieser Nbschwächung reicht ihre Tragweite über die Grenzen unsers Vaterlandes hinaus; in der Fürsorge für den deutschen Arbeiter, wie sie in den kaiserlichen Willensäußerungen enthalten ist, liegt gleichzeitig die für den vierten Stand in allen Staaten der Welt, und die hochherzigen Worte Kaiser Wilhelms II- werden nicht mir in den deutschen Gauen, sie werden in den Fabriken Belgiens und in der Schweiz, in England und Frankreich, diesseits und jenseits der Alpen und des Ozeans begeisterten Wiederhall finden. Wer sich aber in seinem Ur¬ teil zu der Höhe dieser kaiserlichen Gesinnung aufzuschwingen vermag, der wird eine dankbare Genugthuung empfinden, daß das hohenzollernsche Vermächtnis in dem gegenwärtige Träger der Krone einen Hüter und einen Mehrer — sorlivör ^r^usws — gefunden hat. Die Hohenzollern sind nie Könige einer Klasse gewesen; in ihrem Staate hatte nie, wie im -moon rsssiiue, nur der Adel eine Stellung. Selbst als noch überall ringsum die Grundsätze der Feudalität die Welt beherrschten, lenkte sich die Fürsorge der brandenburg¬ preußischen Fürsten auf die niedern Stände ihres Volkes. Ihr Eintritt in die Mark vollzog sich mit dem Niederbrechen der adlichen Zwingburgen. Der Bürger und der Bauer betrachtete seine neuen Fürsten zugleich als seine Be¬ freier, und mit eigner Lebensgefahr mußte uoch Joachim I. die ungehorsamen Junker von Raubrittertum und Plünderung zu Gehorsam und milden Sitten zurückführen. Was Kurfürst Friedrich Wilhelm, den Mit- und Nachwelt mit dem Namen „der Große" ehrten, für die niedern Klassen seines durch den Grenzboten I 1890 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/305>, abgerufen am 22.07.2024.