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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

le "Kolonisirung von Lothringen" steht zwar augenblicklich nicht
auf der Tagesordnung, wie noch etwa vor Jahr und Tag, wo
man glauben konnte, daß das Reich für die Sache eintreten würde;
diese nationale Angelegenheit wird aber über kurz oder lang wieder
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise erregen und dann vielleicht
auch die Teilnahme der Reichsregierung erwecken. Es liegt hier nämlich nicht
nur ein wirklicher Mißstand vor, sondern auch die Möglichkeit der Abhilfe.
Der größere Grundbesitz in Lothringen -- und hierin liegt der Mißstand --
ist weit über die Hälfte in den Hände" französischer Eigentümer; dasselbe ist,
wenn auch nicht in ganz gleichem Grade, im Elsaß der Fall. In Lothringen
sind aber weit mehr größere Güter als im Elsaß, und davon mag wohl die
Mehrzahl käuflich sein; die Gelegenheiten zum Ankauf in Lothringen sind weit
zahlreicher und wohl auch günstiger als im Elsaß, und darin liegt auch die
größere Leichtigkeit der Abhilfe. So mag es auch gekommen sein, daß man
in Deutschland gerade in Lothringen die Thatsache, daß Ausländer einen großen
Teil des Grundbesitzes in den Händen haben, als Mißstand empfindet, während
man über die gleiche Thatsache im Elsaß wegsieht. Mau hat wohl auch das
Gegenstück zu der nationalen Aufgabe in Posen Vorzugsweise im französische"
Sprachgebiete der Westmark gesucht. In der Presse steht die Angelegenheit,
wie gesagt, heute nicht ans der Tagesordnung; eine vielleicht nicht sehr geschickt
geleitete erste Bewegung für die Sache ist in Stillstand geraten, und von einer
etwas pomphaft aufgerufenen Unternehmung zum Ankaufe von Großgrundbesitz
in Lothringen hörte man vor Jahr und Tag nur einige Wochen lang. Das
Interesse an der Sache besteht aber ungeschwächt fort; es sind inzwischen Käufe
abgeschlossen worden, Unterhandlungen sind anderseits im Gange, und zahlreich
sind die Anfragen, die ins Land gehen. Es dürfte daher auch jetzt an der
Zeit sein, über die Sachlage einmal Umschau zu halten.

Kurze Zeit nach dein Frankfurter Friedensschlüsse ist in der deutschen
Presse viel davon die Rede gewesen, daß es zur Förderung der deutschem
Sache im französischen Teile von Lothringen von großem Nutzen sein würde,
wenn deutsche Landwirte ius Land gezogen würden, und es wird wohl noch
vielen erinnerlich sein, daß damals der Vorschlag gemacht wurde, es sollte die




Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

le „Kolonisirung von Lothringen" steht zwar augenblicklich nicht
auf der Tagesordnung, wie noch etwa vor Jahr und Tag, wo
man glauben konnte, daß das Reich für die Sache eintreten würde;
diese nationale Angelegenheit wird aber über kurz oder lang wieder
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise erregen und dann vielleicht
auch die Teilnahme der Reichsregierung erwecken. Es liegt hier nämlich nicht
nur ein wirklicher Mißstand vor, sondern auch die Möglichkeit der Abhilfe.
Der größere Grundbesitz in Lothringen — und hierin liegt der Mißstand —
ist weit über die Hälfte in den Hände» französischer Eigentümer; dasselbe ist,
wenn auch nicht in ganz gleichem Grade, im Elsaß der Fall. In Lothringen
sind aber weit mehr größere Güter als im Elsaß, und davon mag wohl die
Mehrzahl käuflich sein; die Gelegenheiten zum Ankauf in Lothringen sind weit
zahlreicher und wohl auch günstiger als im Elsaß, und darin liegt auch die
größere Leichtigkeit der Abhilfe. So mag es auch gekommen sein, daß man
in Deutschland gerade in Lothringen die Thatsache, daß Ausländer einen großen
Teil des Grundbesitzes in den Händen haben, als Mißstand empfindet, während
man über die gleiche Thatsache im Elsaß wegsieht. Mau hat wohl auch das
Gegenstück zu der nationalen Aufgabe in Posen Vorzugsweise im französische«
Sprachgebiete der Westmark gesucht. In der Presse steht die Angelegenheit,
wie gesagt, heute nicht ans der Tagesordnung; eine vielleicht nicht sehr geschickt
geleitete erste Bewegung für die Sache ist in Stillstand geraten, und von einer
etwas pomphaft aufgerufenen Unternehmung zum Ankaufe von Großgrundbesitz
in Lothringen hörte man vor Jahr und Tag nur einige Wochen lang. Das
Interesse an der Sache besteht aber ungeschwächt fort; es sind inzwischen Käufe
abgeschlossen worden, Unterhandlungen sind anderseits im Gange, und zahlreich
sind die Anfragen, die ins Land gehen. Es dürfte daher auch jetzt an der
Zeit sein, über die Sachlage einmal Umschau zu halten.

Kurze Zeit nach dein Frankfurter Friedensschlüsse ist in der deutschen
Presse viel davon die Rede gewesen, daß es zur Förderung der deutschem
Sache im französischen Teile von Lothringen von großem Nutzen sein würde,
wenn deutsche Landwirte ius Land gezogen würden, und es wird wohl noch
vielen erinnerlich sein, daß damals der Vorschlag gemacht wurde, es sollte die


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[0214] [Abbildung] Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen le „Kolonisirung von Lothringen" steht zwar augenblicklich nicht auf der Tagesordnung, wie noch etwa vor Jahr und Tag, wo man glauben konnte, daß das Reich für die Sache eintreten würde; diese nationale Angelegenheit wird aber über kurz oder lang wieder die Aufmerksamkeit weiterer Kreise erregen und dann vielleicht auch die Teilnahme der Reichsregierung erwecken. Es liegt hier nämlich nicht nur ein wirklicher Mißstand vor, sondern auch die Möglichkeit der Abhilfe. Der größere Grundbesitz in Lothringen — und hierin liegt der Mißstand — ist weit über die Hälfte in den Hände» französischer Eigentümer; dasselbe ist, wenn auch nicht in ganz gleichem Grade, im Elsaß der Fall. In Lothringen sind aber weit mehr größere Güter als im Elsaß, und davon mag wohl die Mehrzahl käuflich sein; die Gelegenheiten zum Ankauf in Lothringen sind weit zahlreicher und wohl auch günstiger als im Elsaß, und darin liegt auch die größere Leichtigkeit der Abhilfe. So mag es auch gekommen sein, daß man in Deutschland gerade in Lothringen die Thatsache, daß Ausländer einen großen Teil des Grundbesitzes in den Händen haben, als Mißstand empfindet, während man über die gleiche Thatsache im Elsaß wegsieht. Mau hat wohl auch das Gegenstück zu der nationalen Aufgabe in Posen Vorzugsweise im französische« Sprachgebiete der Westmark gesucht. In der Presse steht die Angelegenheit, wie gesagt, heute nicht ans der Tagesordnung; eine vielleicht nicht sehr geschickt geleitete erste Bewegung für die Sache ist in Stillstand geraten, und von einer etwas pomphaft aufgerufenen Unternehmung zum Ankaufe von Großgrundbesitz in Lothringen hörte man vor Jahr und Tag nur einige Wochen lang. Das Interesse an der Sache besteht aber ungeschwächt fort; es sind inzwischen Käufe abgeschlossen worden, Unterhandlungen sind anderseits im Gange, und zahlreich sind die Anfragen, die ins Land gehen. Es dürfte daher auch jetzt an der Zeit sein, über die Sachlage einmal Umschau zu halten. Kurze Zeit nach dein Frankfurter Friedensschlüsse ist in der deutschen Presse viel davon die Rede gewesen, daß es zur Förderung der deutschem Sache im französischen Teile von Lothringen von großem Nutzen sein würde, wenn deutsche Landwirte ius Land gezogen würden, und es wird wohl noch vielen erinnerlich sein, daß damals der Vorschlag gemacht wurde, es sollte die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/214>, abgerufen am 22.07.2024.