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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

me, wichtige Nachricht ist in der ersten Woche des neuen Jahres
durch die Zeitungen gegangen, wichtig auch für uns, obwohl
die Örtlichkeiten und die Verhältnisse, auf die sie sich zunächst
bezieht, mit Deutschland und seinen Interessen wenig zu thun
zu haben scheinen: die Erklärung und das Gesetz, wodurch der
Sultan die Fortdauer des Handels mit Sklaven für die weiten Gebiete seines
Reiches fortan rechtlich unmöglich gemacht hat, während sie bisher in der
alten Welt die Hauptmärktc für diese Ware der afrikanischen Ausfuhr abge¬
geben hatten. Die Maßregel beansprucht unsre Aufmerksamkeit in mehrfacher
Richtung. Wir begrüßen sie als Menschenfreunde, als Besitzer einer große"
und vielversprechenden .Kolonie in dem Weltteile, den die Sklavenjagden ent¬
völkern und so der Arbeitskräfte berauben, die wir zur Erschließung und Aus¬
beutung jener Erwerbung bedürfen, endlich als Bundesgenossen der Engländer
bei der Blockade der Hufen, die bisher vorzüglich zur Sklaveuausfuhr nach
den türkischen Provinzen Asiens dienten. Dazu kommt noch eine weitere Be¬
trachtung, die gewissermaßen einen komischen Anstrich hat. Frankreich schreitet,
wie die Franzose" behaupten und sich nicht ausreden lassen, an der Spitze der
Gesittung, die Türkei wird als ein Staat aufgefaßt, der ihr nachznhiuke" ver¬
suche, aber wenig Erfolg dabei aufzuweisen habe. Noch nie hat man erlebt,
sie einem westlichen Lande "ut einer Reform ein gutes Beispiel gegeben
hätte, vollends deu Angehörigen des Normalvolkes zwischen den Bogesen und
den Pyrenäen. Selbst die Möglichkeit dazu schien ausgeschlossen. Und was
l'egiebt sich jetzt? Der Halbbarbar am Goldner Horn macht dem Sklaven¬
handel, so weit er zu gebieten hat, ein Ende, und die Regierung des Normal-
Volkes, obwohl schon als republitnuische zur Förderung und Beschützung der


Grenzboteii I 1890 14


Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

me, wichtige Nachricht ist in der ersten Woche des neuen Jahres
durch die Zeitungen gegangen, wichtig auch für uns, obwohl
die Örtlichkeiten und die Verhältnisse, auf die sie sich zunächst
bezieht, mit Deutschland und seinen Interessen wenig zu thun
zu haben scheinen: die Erklärung und das Gesetz, wodurch der
Sultan die Fortdauer des Handels mit Sklaven für die weiten Gebiete seines
Reiches fortan rechtlich unmöglich gemacht hat, während sie bisher in der
alten Welt die Hauptmärktc für diese Ware der afrikanischen Ausfuhr abge¬
geben hatten. Die Maßregel beansprucht unsre Aufmerksamkeit in mehrfacher
Richtung. Wir begrüßen sie als Menschenfreunde, als Besitzer einer große»
und vielversprechenden .Kolonie in dem Weltteile, den die Sklavenjagden ent¬
völkern und so der Arbeitskräfte berauben, die wir zur Erschließung und Aus¬
beutung jener Erwerbung bedürfen, endlich als Bundesgenossen der Engländer
bei der Blockade der Hufen, die bisher vorzüglich zur Sklaveuausfuhr nach
den türkischen Provinzen Asiens dienten. Dazu kommt noch eine weitere Be¬
trachtung, die gewissermaßen einen komischen Anstrich hat. Frankreich schreitet,
wie die Franzose» behaupten und sich nicht ausreden lassen, an der Spitze der
Gesittung, die Türkei wird als ein Staat aufgefaßt, der ihr nachznhiuke» ver¬
suche, aber wenig Erfolg dabei aufzuweisen habe. Noch nie hat man erlebt,
sie einem westlichen Lande »ut einer Reform ein gutes Beispiel gegeben
hätte, vollends deu Angehörigen des Normalvolkes zwischen den Bogesen und
den Pyrenäen. Selbst die Möglichkeit dazu schien ausgeschlossen. Und was
l'egiebt sich jetzt? Der Halbbarbar am Goldner Horn macht dem Sklaven¬
handel, so weit er zu gebieten hat, ein Ende, und die Regierung des Normal-
Volkes, obwohl schon als republitnuische zur Förderung und Beschützung der


Grenzboteii I 1890 14
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[0113] [Abbildung] Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel me, wichtige Nachricht ist in der ersten Woche des neuen Jahres durch die Zeitungen gegangen, wichtig auch für uns, obwohl die Örtlichkeiten und die Verhältnisse, auf die sie sich zunächst bezieht, mit Deutschland und seinen Interessen wenig zu thun zu haben scheinen: die Erklärung und das Gesetz, wodurch der Sultan die Fortdauer des Handels mit Sklaven für die weiten Gebiete seines Reiches fortan rechtlich unmöglich gemacht hat, während sie bisher in der alten Welt die Hauptmärktc für diese Ware der afrikanischen Ausfuhr abge¬ geben hatten. Die Maßregel beansprucht unsre Aufmerksamkeit in mehrfacher Richtung. Wir begrüßen sie als Menschenfreunde, als Besitzer einer große» und vielversprechenden .Kolonie in dem Weltteile, den die Sklavenjagden ent¬ völkern und so der Arbeitskräfte berauben, die wir zur Erschließung und Aus¬ beutung jener Erwerbung bedürfen, endlich als Bundesgenossen der Engländer bei der Blockade der Hufen, die bisher vorzüglich zur Sklaveuausfuhr nach den türkischen Provinzen Asiens dienten. Dazu kommt noch eine weitere Be¬ trachtung, die gewissermaßen einen komischen Anstrich hat. Frankreich schreitet, wie die Franzose» behaupten und sich nicht ausreden lassen, an der Spitze der Gesittung, die Türkei wird als ein Staat aufgefaßt, der ihr nachznhiuke» ver¬ suche, aber wenig Erfolg dabei aufzuweisen habe. Noch nie hat man erlebt, sie einem westlichen Lande »ut einer Reform ein gutes Beispiel gegeben hätte, vollends deu Angehörigen des Normalvolkes zwischen den Bogesen und den Pyrenäen. Selbst die Möglichkeit dazu schien ausgeschlossen. Und was l'egiebt sich jetzt? Der Halbbarbar am Goldner Horn macht dem Sklaven¬ handel, so weit er zu gebieten hat, ein Ende, und die Regierung des Normal- Volkes, obwohl schon als republitnuische zur Förderung und Beschützung der Grenzboteii I 1890 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/113>, abgerufen am 22.07.2024.