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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

a"ö den betrunken Briefwechseln mit Körner, Goethe, Lotte und Neinwcilds, von
Ncitgliedern des Seminars gesammelt und geordnet, vervollständigen das Bild des
damaligen Kreises des Dichters, Urkunden und Aktenstücke "wer Schillers akade¬
mische Thätigkeit bilden den Schluss,


Kuno Fischer: lieber den Witz. Die Erklärungsarte" des Goethischen Faust.
Shakespeares Charaktereutw'icklnng Richards III. Heidelberg, Winter, 1889

Der Verfasser seht in diesen drei zierlichen Bändchen die hier schon wiederholt
berücksichtigte Sammlung seiner kleinern, namentlich Goethe betreffenden Schriften
fort, die bisher die Rede" "Über die Freiheit" und "Iphigenie" gebracht hat.
Die eingehende historisch-psychologische Interpretation des Shakespearischen Welt¬
bildes der rücksichtslosen Herrschsucht reiht sich dem erstgenannten Neudruck der
Schrift "Über den Witz" würdig an. Der Vortrag über die Erklärungsarten des
Faust ist neuern Datums (vor zwei Jahren in der MnseumSgesellschaft zu Karls¬
ruhe gehalten) und nur der damals gerade aufgefundnen "Nrhaudschrift" halber
zurückgehalten werden. Hat dieser "Urfaust" nnn anch nicht den höchsten Erwar¬
tungen entsprochen, die sich an ihn knüpften, so ist er doch überaus wertvoll,
namentlich als ästhetisches Dokument zur Beleuchtung des NeifnngsprozesseS dichter¬
ischen Schaffens, doppelt wertvoll bei Goethe, dessen reifes Alter mau gar zu gern
zu Gunsten seiner "titanischen Jugend" herabdrückt. Die Prosahhpolhese ist durch
diesen Fund anch für die Gläubigen zerstört worden, die eignen Angaben des
Dichters über die Geschichte seines Lebenswerkes wurden nicht widerlegt, ja vielfach
bestätigt. Auf diese zuverlässige Urkunde stützt nnn bereits Fischer zum Teil seine
Ausführungen, die auf der einen Seite die. Dentnngssncht, ans der andern die Ent-
lehnungSsucht der Erklärer ablehnen und ans Hervorhebung deS rein persönlichen
und menschlichen Elements in der Dichtung hinauslaufen. Der in allem mensch¬
lichen Wissen und Thun hernmgeworfene Dichter ist (nach der bekannten Stelle aus
Dichtung und Wahrheit) selber Faust, der Anfangsmonolog der einzig mögliche Nr-
scmst. Ihm treten Gretchen und der ältere (noch nicht zum absolutem "Teufel"
gewordne) "Mephisto" als Urbestandleile zur Seile. Die Gründe der zur Welt¬
wirklichkeit gewordenen Macht der doch so kurz gefaßten. Liebestragödie "Faust und
Goethe" werden im einzelnen, dargelegt. Heben wir noch an der ältern, ans
Jenenser ästhetischen Vorlesungen hervorgegangn"" Schrift "Über den Witz" neben
der treffenden philosophischen Entwicklung (der Witz wird ans die Wirksamkeit, des
Selbstbewußtseins znriickgefiihrt) noch die reiche Einstreuung von "Witzen" hervor,
die durchaus nicht nach trocknen Belegen, schmecken, so haben wir neben dem innern
anch noch einen äußern Grund namhaft gemacht, sich die hier gebotenen Gaben nicht
entgehen zu lassen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunew in Leipzig -- Druck ven Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

a»ö den betrunken Briefwechseln mit Körner, Goethe, Lotte und Neinwcilds, von
Ncitgliedern des Seminars gesammelt und geordnet, vervollständigen das Bild des
damaligen Kreises des Dichters, Urkunden und Aktenstücke »wer Schillers akade¬
mische Thätigkeit bilden den Schluss,


Kuno Fischer: lieber den Witz. Die Erklärungsarte» des Goethischen Faust.
Shakespeares Charaktereutw'icklnng Richards III. Heidelberg, Winter, 1889

Der Verfasser seht in diesen drei zierlichen Bändchen die hier schon wiederholt
berücksichtigte Sammlung seiner kleinern, namentlich Goethe betreffenden Schriften
fort, die bisher die Rede» „Über die Freiheit" und „Iphigenie" gebracht hat.
Die eingehende historisch-psychologische Interpretation des Shakespearischen Welt¬
bildes der rücksichtslosen Herrschsucht reiht sich dem erstgenannten Neudruck der
Schrift „Über den Witz" würdig an. Der Vortrag über die Erklärungsarten des
Faust ist neuern Datums (vor zwei Jahren in der MnseumSgesellschaft zu Karls¬
ruhe gehalten) und nur der damals gerade aufgefundnen „Nrhaudschrift" halber
zurückgehalten werden. Hat dieser „Urfaust" nnn anch nicht den höchsten Erwar¬
tungen entsprochen, die sich an ihn knüpften, so ist er doch überaus wertvoll,
namentlich als ästhetisches Dokument zur Beleuchtung des NeifnngsprozesseS dichter¬
ischen Schaffens, doppelt wertvoll bei Goethe, dessen reifes Alter mau gar zu gern
zu Gunsten seiner „titanischen Jugend" herabdrückt. Die Prosahhpolhese ist durch
diesen Fund anch für die Gläubigen zerstört worden, die eignen Angaben des
Dichters über die Geschichte seines Lebenswerkes wurden nicht widerlegt, ja vielfach
bestätigt. Auf diese zuverlässige Urkunde stützt nnn bereits Fischer zum Teil seine
Ausführungen, die auf der einen Seite die. Dentnngssncht, ans der andern die Ent-
lehnungSsucht der Erklärer ablehnen und ans Hervorhebung deS rein persönlichen
und menschlichen Elements in der Dichtung hinauslaufen. Der in allem mensch¬
lichen Wissen und Thun hernmgeworfene Dichter ist (nach der bekannten Stelle aus
Dichtung und Wahrheit) selber Faust, der Anfangsmonolog der einzig mögliche Nr-
scmst. Ihm treten Gretchen und der ältere (noch nicht zum absolutem „Teufel"
gewordne) „Mephisto" als Urbestandleile zur Seile. Die Gründe der zur Welt¬
wirklichkeit gewordenen Macht der doch so kurz gefaßten. Liebestragödie „Faust und
Goethe" werden im einzelnen, dargelegt. Heben wir noch an der ältern, ans
Jenenser ästhetischen Vorlesungen hervorgegangn«» Schrift „Über den Witz" neben
der treffenden philosophischen Entwicklung (der Witz wird ans die Wirksamkeit, des
Selbstbewußtseins znriickgefiihrt) noch die reiche Einstreuung von „Witzen" hervor,
die durchaus nicht nach trocknen Belegen, schmecken, so haben wir neben dem innern
anch noch einen äußern Grund namhaft gemacht, sich die hier gebotenen Gaben nicht
entgehen zu lassen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunew in Leipzig — Druck ven Carl Marquart in Leipzig
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[0256] Litteratur a»ö den betrunken Briefwechseln mit Körner, Goethe, Lotte und Neinwcilds, von Ncitgliedern des Seminars gesammelt und geordnet, vervollständigen das Bild des damaligen Kreises des Dichters, Urkunden und Aktenstücke »wer Schillers akade¬ mische Thätigkeit bilden den Schluss, Kuno Fischer: lieber den Witz. Die Erklärungsarte» des Goethischen Faust. Shakespeares Charaktereutw'icklnng Richards III. Heidelberg, Winter, 1889 Der Verfasser seht in diesen drei zierlichen Bändchen die hier schon wiederholt berücksichtigte Sammlung seiner kleinern, namentlich Goethe betreffenden Schriften fort, die bisher die Rede» „Über die Freiheit" und „Iphigenie" gebracht hat. Die eingehende historisch-psychologische Interpretation des Shakespearischen Welt¬ bildes der rücksichtslosen Herrschsucht reiht sich dem erstgenannten Neudruck der Schrift „Über den Witz" würdig an. Der Vortrag über die Erklärungsarten des Faust ist neuern Datums (vor zwei Jahren in der MnseumSgesellschaft zu Karls¬ ruhe gehalten) und nur der damals gerade aufgefundnen „Nrhaudschrift" halber zurückgehalten werden. Hat dieser „Urfaust" nnn anch nicht den höchsten Erwar¬ tungen entsprochen, die sich an ihn knüpften, so ist er doch überaus wertvoll, namentlich als ästhetisches Dokument zur Beleuchtung des NeifnngsprozesseS dichter¬ ischen Schaffens, doppelt wertvoll bei Goethe, dessen reifes Alter mau gar zu gern zu Gunsten seiner „titanischen Jugend" herabdrückt. Die Prosahhpolhese ist durch diesen Fund anch für die Gläubigen zerstört worden, die eignen Angaben des Dichters über die Geschichte seines Lebenswerkes wurden nicht widerlegt, ja vielfach bestätigt. Auf diese zuverlässige Urkunde stützt nnn bereits Fischer zum Teil seine Ausführungen, die auf der einen Seite die. Dentnngssncht, ans der andern die Ent- lehnungSsucht der Erklärer ablehnen und ans Hervorhebung deS rein persönlichen und menschlichen Elements in der Dichtung hinauslaufen. Der in allem mensch¬ lichen Wissen und Thun hernmgeworfene Dichter ist (nach der bekannten Stelle aus Dichtung und Wahrheit) selber Faust, der Anfangsmonolog der einzig mögliche Nr- scmst. Ihm treten Gretchen und der ältere (noch nicht zum absolutem „Teufel" gewordne) „Mephisto" als Urbestandleile zur Seile. Die Gründe der zur Welt¬ wirklichkeit gewordenen Macht der doch so kurz gefaßten. Liebestragödie „Faust und Goethe" werden im einzelnen, dargelegt. Heben wir noch an der ältern, ans Jenenser ästhetischen Vorlesungen hervorgegangn«» Schrift „Über den Witz" neben der treffenden philosophischen Entwicklung (der Witz wird ans die Wirksamkeit, des Selbstbewußtseins znriickgefiihrt) noch die reiche Einstreuung von „Witzen" hervor, die durchaus nicht nach trocknen Belegen, schmecken, so haben wir neben dem innern anch noch einen äußern Grund namhaft gemacht, sich die hier gebotenen Gaben nicht entgehen zu lassen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuvw in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunew in Leipzig — Druck ven Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/256>, abgerufen am 23.06.2024.