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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Schließlich hält es die Besprechung für nötig, einen Sah als "unvollendet"
besonders zu rügen. Dieser Satz (Seite 72 f.) lautet: "Sofort erscheint Elias
Schlegel auf dem Plane, um diese Verunglimpfung -- nun, noch ist es ja viel-
umstritteu, ob Schlegels Aufsah eine Zurückweisung oder nicht vielmehr eine
Unterstützung des Gottschedschen Sturmlaufs ist." Tadelnd zu behaupten, dieser
Satz sei (doch Wohl aus Ungeschick oder Flüchtigkeit?) unvollendet, ist in der
That das Zeichen eines -- nun, noch will ich es dem Verfasser der Besprechung
überlassen, ob er lieber als flüchtig oder als sonstwas gelten will. So! da stände
denn von neuem ein "unvollendeter" Satz.

Ob mir der ungenannte Verfasser der Besprechung die Genugthuung geben
wird, seineu Namen öffentlich zu nennen?

Unser Berichterstatter bemerkt hierzu folgendes: Dieser "Erwiderung" habe ich
die Origiualstellen zur Vergleichung beigefügt, bei dem unvollendeten Satze besorgt
sie es selbst. Es ist jedenfalls eine erfreuliche Neuerung der neuesten Litteratur,
Satzteile einfach durch Gedankenstriche auszudrücken. Manche Schriftsteller könnten
sie sich für die meisten ihrer Sätze, ja für ihre Bücher zum Muster nehmen.
Was giebt sich übrigens der Biograph Joh. El. Schlegels solche Mühe, zwei der
mitgeteilten Proben unentstellt und in ihrer ganzen Bedeutung vorzuführen,
während er über einen solchen Schatz verfügt? Seite 1L4: "Was will es dem¬
gegenüber bedeuten, daß dem Verfasser, obgleich neugeboren(!), noch schwache Reste
der Schalen ankleben, welche er so siegreich durchbrochen hat?" Seite 99: "Eine
solche Erklärung (Goethes über die Wirkungen des Leipziger -- Kaffees) verbreitet
ungeahntes Licht(!) auch über die Stimmung unsres Elias Schlegel." Seite 66:
"Diese Lokalfärbung -- Erdgeruch nennt sie recht glücklich der zeitgenössische Realis¬
mus" u. f. w. Sollte wirklich nicht bloß der Biograph Joh. El. Schlegels, sondern
der gesamte "zeitgenössische Realismus" Jakob Grimms Wort über die Tierfabel
so unglücklich anwende"? Aber es muß bei dieser Fülle schon auf das Buch
selbst verwiesen werden, das sie birgt. Es lag uns fern, die Schrift "abzulehnen,"
vollends inmitten einer Litteratur, die das "Erheiternde" (/e/<.0too </)Aa^r,.xc^
K B sagt Aristoteles) so wenig Pflegt.




Litteratur
Beiträge zur Biographie Ferdinand Freiligraths von Gisberte Freiligrath.
Minden i. W. I. C. C. Bruns' Verlag. 1889

Vor sieben Jahren veröffentlichte Wilhelm Buchner eine mehr als tausend
Seiten umfassende, sehr ausführliche Lebeusbeschreibung Freiligraths in Briefen:
ein monumentales Werk, das aber nnr wenige Menschen in seiner ganzen Breite
gelesen haben werden, eigentlich mehr das gesammelte Material für eine Lebens¬
beschreibung, als selbst ein geschichtliches Werk, das doch nach allgemeinen Vor¬
urteilen billigen Ansprüchen an eine schöne Form genügen soll. Man sollte nun


Schließlich hält es die Besprechung für nötig, einen Sah als „unvollendet"
besonders zu rügen. Dieser Satz (Seite 72 f.) lautet: „Sofort erscheint Elias
Schlegel auf dem Plane, um diese Verunglimpfung — nun, noch ist es ja viel-
umstritteu, ob Schlegels Aufsah eine Zurückweisung oder nicht vielmehr eine
Unterstützung des Gottschedschen Sturmlaufs ist." Tadelnd zu behaupten, dieser
Satz sei (doch Wohl aus Ungeschick oder Flüchtigkeit?) unvollendet, ist in der
That das Zeichen eines — nun, noch will ich es dem Verfasser der Besprechung
überlassen, ob er lieber als flüchtig oder als sonstwas gelten will. So! da stände
denn von neuem ein „unvollendeter" Satz.

Ob mir der ungenannte Verfasser der Besprechung die Genugthuung geben
wird, seineu Namen öffentlich zu nennen?

Unser Berichterstatter bemerkt hierzu folgendes: Dieser „Erwiderung" habe ich
die Origiualstellen zur Vergleichung beigefügt, bei dem unvollendeten Satze besorgt
sie es selbst. Es ist jedenfalls eine erfreuliche Neuerung der neuesten Litteratur,
Satzteile einfach durch Gedankenstriche auszudrücken. Manche Schriftsteller könnten
sie sich für die meisten ihrer Sätze, ja für ihre Bücher zum Muster nehmen.
Was giebt sich übrigens der Biograph Joh. El. Schlegels solche Mühe, zwei der
mitgeteilten Proben unentstellt und in ihrer ganzen Bedeutung vorzuführen,
während er über einen solchen Schatz verfügt? Seite 1L4: „Was will es dem¬
gegenüber bedeuten, daß dem Verfasser, obgleich neugeboren(!), noch schwache Reste
der Schalen ankleben, welche er so siegreich durchbrochen hat?" Seite 99: „Eine
solche Erklärung (Goethes über die Wirkungen des Leipziger — Kaffees) verbreitet
ungeahntes Licht(!) auch über die Stimmung unsres Elias Schlegel." Seite 66:
„Diese Lokalfärbung — Erdgeruch nennt sie recht glücklich der zeitgenössische Realis¬
mus" u. f. w. Sollte wirklich nicht bloß der Biograph Joh. El. Schlegels, sondern
der gesamte „zeitgenössische Realismus" Jakob Grimms Wort über die Tierfabel
so unglücklich anwende»? Aber es muß bei dieser Fülle schon auf das Buch
selbst verwiesen werden, das sie birgt. Es lag uns fern, die Schrift „abzulehnen,"
vollends inmitten einer Litteratur, die das „Erheiternde" (/e/<.0too </)Aa^r,.xc^
K B sagt Aristoteles) so wenig Pflegt.




Litteratur
Beiträge zur Biographie Ferdinand Freiligraths von Gisberte Freiligrath.
Minden i. W. I. C. C. Bruns' Verlag. 1889

Vor sieben Jahren veröffentlichte Wilhelm Buchner eine mehr als tausend
Seiten umfassende, sehr ausführliche Lebeusbeschreibung Freiligraths in Briefen:
ein monumentales Werk, das aber nnr wenige Menschen in seiner ganzen Breite
gelesen haben werden, eigentlich mehr das gesammelte Material für eine Lebens¬
beschreibung, als selbst ein geschichtliches Werk, das doch nach allgemeinen Vor¬
urteilen billigen Ansprüchen an eine schöne Form genügen soll. Man sollte nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/198>, abgerufen am 05.02.2025.