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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Fran Gottsched.

der gesamten staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuhalten, nich;
bewußt gewesen.

Deshalb vorwärts zur Wahrung des befestigten Grundbesitzes! Fort mit
aller Güterverpachtnng auf Zeit! Seßhaftmcichung des gesamten ländlichen
Arbeiterstandes! Der Besitzende, der auch nur im kleinsten Maßstabe Besitzende,
hat ein Interesse an Aufrechterhaltung des Eigentums und der staatlichen Ord¬
nung, er dient ebenso treu Gott wie seinem irdischen Herrn.




Frau Gottsched.
von Albert Richter.

le Gattin des berühmten Leipziger Professors Johann Christoph
Gottsched war eine Frau, die in ihrer Jugend ganz den Bil¬
dungsgang genommen hatte, der für Töchter der bessern Stände
im achtzehnten Jahrhundert der gewöhnliche war, die aber später
an Bildung und geistiger Reife weit über den Frauen ihrer Zeit
stand, und die daneben allezeit, in der Jugend wie im Alter, ein Muster edler
Weiblichkeit war. Wenn sie in allzu großer Bescheidenheit meinte, daß ihr
Name nur dadurch auf die Nachwelt kommen würde, daß sie des berühmten
Mannes Gattin gewesen sei, so hat sie darin geirrt. Sie schreibt in einem
Gedichte zu ihres Gatten Geburtstage im Jahre 1737:


Mein Gottsched, du allein
Und daß du mich geliebt, das soll mein Lorbeer sein.
Daß du mich hast gelehrt, daß du mich unterwiesen,
Das wird der Nachwelt noch durch manches Blatt gepriesen,
Wer solchen Meister hat, da stirbt der Schüler nicht,
Wenn ihm gleich das Verdienst zur Ewigkeit gebricht.
So les' ich denn durch dich! Wie könnt ich schöner leben?
Dein Ansehn wird mir schon Ruhm, Lob und Ehre geben.

Die Nachwelt urteilt anders. Wenn sie nicht mehr in das einseitige Ver¬
dammungsurteil einstimmt, das seiner Zeit über Gottsched ergangen ist, in jenes
Urteil, das Gottsched auch seiner wahrsten Verdienste um deutsche Sprache und
Litteratur, um Hochhaltung des deutsche" Namens und der deutschen Ehre
beraubte, so kann sie anderseits sich auch nicht mehr damit begnügen, seine
Gattin als geistreicher und feinfühlender ihm gegenüberzustellen. Die Nach¬
welt hat vor allem anzuerkennen, daß Frau Gottsched wohl eine gelehrte und
geistreiche Frau war, aber eine solche, die daneben mit all den Tugenden geschmückt
war, welche man deutschen Frauen so oft als ihren besondern Schmuck nach¬
gerühmt hat, welche aber an gelehrten Frauen auch in Deutschland so oft zu


Fran Gottsched.

der gesamten staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuhalten, nich;
bewußt gewesen.

Deshalb vorwärts zur Wahrung des befestigten Grundbesitzes! Fort mit
aller Güterverpachtnng auf Zeit! Seßhaftmcichung des gesamten ländlichen
Arbeiterstandes! Der Besitzende, der auch nur im kleinsten Maßstabe Besitzende,
hat ein Interesse an Aufrechterhaltung des Eigentums und der staatlichen Ord¬
nung, er dient ebenso treu Gott wie seinem irdischen Herrn.




Frau Gottsched.
von Albert Richter.

le Gattin des berühmten Leipziger Professors Johann Christoph
Gottsched war eine Frau, die in ihrer Jugend ganz den Bil¬
dungsgang genommen hatte, der für Töchter der bessern Stände
im achtzehnten Jahrhundert der gewöhnliche war, die aber später
an Bildung und geistiger Reife weit über den Frauen ihrer Zeit
stand, und die daneben allezeit, in der Jugend wie im Alter, ein Muster edler
Weiblichkeit war. Wenn sie in allzu großer Bescheidenheit meinte, daß ihr
Name nur dadurch auf die Nachwelt kommen würde, daß sie des berühmten
Mannes Gattin gewesen sei, so hat sie darin geirrt. Sie schreibt in einem
Gedichte zu ihres Gatten Geburtstage im Jahre 1737:


Mein Gottsched, du allein
Und daß du mich geliebt, das soll mein Lorbeer sein.
Daß du mich hast gelehrt, daß du mich unterwiesen,
Das wird der Nachwelt noch durch manches Blatt gepriesen,
Wer solchen Meister hat, da stirbt der Schüler nicht,
Wenn ihm gleich das Verdienst zur Ewigkeit gebricht.
So les' ich denn durch dich! Wie könnt ich schöner leben?
Dein Ansehn wird mir schon Ruhm, Lob und Ehre geben.

Die Nachwelt urteilt anders. Wenn sie nicht mehr in das einseitige Ver¬
dammungsurteil einstimmt, das seiner Zeit über Gottsched ergangen ist, in jenes
Urteil, das Gottsched auch seiner wahrsten Verdienste um deutsche Sprache und
Litteratur, um Hochhaltung des deutsche» Namens und der deutschen Ehre
beraubte, so kann sie anderseits sich auch nicht mehr damit begnügen, seine
Gattin als geistreicher und feinfühlender ihm gegenüberzustellen. Die Nach¬
welt hat vor allem anzuerkennen, daß Frau Gottsched wohl eine gelehrte und
geistreiche Frau war, aber eine solche, die daneben mit all den Tugenden geschmückt
war, welche man deutschen Frauen so oft als ihren besondern Schmuck nach¬
gerühmt hat, welche aber an gelehrten Frauen auch in Deutschland so oft zu


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[0602] Fran Gottsched. der gesamten staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuhalten, nich; bewußt gewesen. Deshalb vorwärts zur Wahrung des befestigten Grundbesitzes! Fort mit aller Güterverpachtnng auf Zeit! Seßhaftmcichung des gesamten ländlichen Arbeiterstandes! Der Besitzende, der auch nur im kleinsten Maßstabe Besitzende, hat ein Interesse an Aufrechterhaltung des Eigentums und der staatlichen Ord¬ nung, er dient ebenso treu Gott wie seinem irdischen Herrn. Frau Gottsched. von Albert Richter. le Gattin des berühmten Leipziger Professors Johann Christoph Gottsched war eine Frau, die in ihrer Jugend ganz den Bil¬ dungsgang genommen hatte, der für Töchter der bessern Stände im achtzehnten Jahrhundert der gewöhnliche war, die aber später an Bildung und geistiger Reife weit über den Frauen ihrer Zeit stand, und die daneben allezeit, in der Jugend wie im Alter, ein Muster edler Weiblichkeit war. Wenn sie in allzu großer Bescheidenheit meinte, daß ihr Name nur dadurch auf die Nachwelt kommen würde, daß sie des berühmten Mannes Gattin gewesen sei, so hat sie darin geirrt. Sie schreibt in einem Gedichte zu ihres Gatten Geburtstage im Jahre 1737: Mein Gottsched, du allein Und daß du mich geliebt, das soll mein Lorbeer sein. Daß du mich hast gelehrt, daß du mich unterwiesen, Das wird der Nachwelt noch durch manches Blatt gepriesen, Wer solchen Meister hat, da stirbt der Schüler nicht, Wenn ihm gleich das Verdienst zur Ewigkeit gebricht. So les' ich denn durch dich! Wie könnt ich schöner leben? Dein Ansehn wird mir schon Ruhm, Lob und Ehre geben. Die Nachwelt urteilt anders. Wenn sie nicht mehr in das einseitige Ver¬ dammungsurteil einstimmt, das seiner Zeit über Gottsched ergangen ist, in jenes Urteil, das Gottsched auch seiner wahrsten Verdienste um deutsche Sprache und Litteratur, um Hochhaltung des deutsche» Namens und der deutschen Ehre beraubte, so kann sie anderseits sich auch nicht mehr damit begnügen, seine Gattin als geistreicher und feinfühlender ihm gegenüberzustellen. Die Nach¬ welt hat vor allem anzuerkennen, daß Frau Gottsched wohl eine gelehrte und geistreiche Frau war, aber eine solche, die daneben mit all den Tugenden geschmückt war, welche man deutschen Frauen so oft als ihren besondern Schmuck nach¬ gerühmt hat, welche aber an gelehrten Frauen auch in Deutschland so oft zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/602>, abgerufen am 22.07.2024.