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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
I. p. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

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^^^T,bwohl Eriks Arbeiten hauptsächlich darin bestanden, daß er in
seinem Atelier auf dem Sofa lag und Shag rauchte und Mar-
ryat las, so fesselte es ihn doch für eine Zeit sehr ans Haus,
zwang sie dadurch zu neuer Vorsicht und machte neue Vorwände
und neue Lügen notwendig.

Daß Fennimore so erfinderisch in dieser Hinsicht war, schuf die erste
Wolke am Himmel. Es war im Anfang so gut wie nichts, nichts weiter als
ein flüchtig an Ricks vorbeiziehender Zweifel, ob seine Liebe nicht edler sei als
der Gegenstand derselben. Aber er war nicht klar und rein, dieser Gedanke,
nur eine flüchtige Ahnung, die nach diesem Wege hindeutete, ein undeutliches
Schwanken seines Sinnes, das nach jener Seite hinzog.

Aber es kam wieder, und zwar in verstärktem Maße, zuerst noch unbe¬
stimmt, dann von einem male zum andern schärfer und schärfer. Und es war
entsetzlich, mit welch rasender Hast es untergraben konnte, erniedrigen, den
Glanz verringern. Ihre Liebe ward nicht geringer, im Gegenteil, je mehr sie
herabsank, desto leidenschaftlicher, glühender wurde sie, aber dieses verstohlene
Händedrücken unter der Tischdecke, diese Küsse im Vorzimmer und hinter den
Thüren, diese langen Blicke, unmittelbar unter den Augen des Betrogenen,
das beraubte ihre Liebe des Erhabenen. Das Glück stand nicht mehr still über
ihren Häuptern, sie mußten das Lächeln, das Licht derselben erHaschen, wo sie
nur konnten, und List und Schlauheit waren nicht länger eine traurige Not¬
wendigkeit, sondern ein ergötzlicher Triumph; die Falschheit wurde ihr wahres
Element und machte sie klein und schlecht. Es gab auch entwürdigende
Geheimnisse, über die sie früher, jeder für sich, getrauert hatten, indem sich




Ricks Lyhne.
I. p. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)


^^^T,bwohl Eriks Arbeiten hauptsächlich darin bestanden, daß er in
seinem Atelier auf dem Sofa lag und Shag rauchte und Mar-
ryat las, so fesselte es ihn doch für eine Zeit sehr ans Haus,
zwang sie dadurch zu neuer Vorsicht und machte neue Vorwände
und neue Lügen notwendig.

Daß Fennimore so erfinderisch in dieser Hinsicht war, schuf die erste
Wolke am Himmel. Es war im Anfang so gut wie nichts, nichts weiter als
ein flüchtig an Ricks vorbeiziehender Zweifel, ob seine Liebe nicht edler sei als
der Gegenstand derselben. Aber er war nicht klar und rein, dieser Gedanke,
nur eine flüchtige Ahnung, die nach diesem Wege hindeutete, ein undeutliches
Schwanken seines Sinnes, das nach jener Seite hinzog.

Aber es kam wieder, und zwar in verstärktem Maße, zuerst noch unbe¬
stimmt, dann von einem male zum andern schärfer und schärfer. Und es war
entsetzlich, mit welch rasender Hast es untergraben konnte, erniedrigen, den
Glanz verringern. Ihre Liebe ward nicht geringer, im Gegenteil, je mehr sie
herabsank, desto leidenschaftlicher, glühender wurde sie, aber dieses verstohlene
Händedrücken unter der Tischdecke, diese Küsse im Vorzimmer und hinter den
Thüren, diese langen Blicke, unmittelbar unter den Augen des Betrogenen,
das beraubte ihre Liebe des Erhabenen. Das Glück stand nicht mehr still über
ihren Häuptern, sie mußten das Lächeln, das Licht derselben erHaschen, wo sie
nur konnten, und List und Schlauheit waren nicht länger eine traurige Not¬
wendigkeit, sondern ein ergötzlicher Triumph; die Falschheit wurde ihr wahres
Element und machte sie klein und schlecht. Es gab auch entwürdigende
Geheimnisse, über die sie früher, jeder für sich, getrauert hatten, indem sich


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[0431] [Abbildung] Ricks Lyhne. I. p. Jacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) ^« ^^^T,bwohl Eriks Arbeiten hauptsächlich darin bestanden, daß er in seinem Atelier auf dem Sofa lag und Shag rauchte und Mar- ryat las, so fesselte es ihn doch für eine Zeit sehr ans Haus, zwang sie dadurch zu neuer Vorsicht und machte neue Vorwände und neue Lügen notwendig. Daß Fennimore so erfinderisch in dieser Hinsicht war, schuf die erste Wolke am Himmel. Es war im Anfang so gut wie nichts, nichts weiter als ein flüchtig an Ricks vorbeiziehender Zweifel, ob seine Liebe nicht edler sei als der Gegenstand derselben. Aber er war nicht klar und rein, dieser Gedanke, nur eine flüchtige Ahnung, die nach diesem Wege hindeutete, ein undeutliches Schwanken seines Sinnes, das nach jener Seite hinzog. Aber es kam wieder, und zwar in verstärktem Maße, zuerst noch unbe¬ stimmt, dann von einem male zum andern schärfer und schärfer. Und es war entsetzlich, mit welch rasender Hast es untergraben konnte, erniedrigen, den Glanz verringern. Ihre Liebe ward nicht geringer, im Gegenteil, je mehr sie herabsank, desto leidenschaftlicher, glühender wurde sie, aber dieses verstohlene Händedrücken unter der Tischdecke, diese Küsse im Vorzimmer und hinter den Thüren, diese langen Blicke, unmittelbar unter den Augen des Betrogenen, das beraubte ihre Liebe des Erhabenen. Das Glück stand nicht mehr still über ihren Häuptern, sie mußten das Lächeln, das Licht derselben erHaschen, wo sie nur konnten, und List und Schlauheit waren nicht länger eine traurige Not¬ wendigkeit, sondern ein ergötzlicher Triumph; die Falschheit wurde ihr wahres Element und machte sie klein und schlecht. Es gab auch entwürdigende Geheimnisse, über die sie früher, jeder für sich, getrauert hatten, indem sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/431>, abgerufen am 22.07.2024.