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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Nicht wahr? Ja, die unzähligen Farben des Wassers müssen in ihren
Augen in wechselvollem Schimmer kommen und gehen; der wogende Wellen¬
schlag muß den bleichen Busen, muß alle ihre Formen durchrieseln, in dem Um¬
schlingen ihrer Arme muß die verzehrende Weichheit des Schaumes liegen, und
das Saugen des Meeresstrudels in ihrem Kuß.

Sie hatte sich ganz warm geredet und stand jetzt da, völlig hingerissen
von ihrer eignen Schilderung, ihre jungen Zuhörer mit großen, fragenden Kinder¬
augen anschauend.

Die aber sagten nichts. Ricks war dunkelrot geworden, und Erik schien
im höchsten Grade verlegen. Frithjof war ganz benommen und starrte sie mit
der offenbarsten Bewunderung an, und doch war er derjenige von den dreien,
der am wenigsten bemerkte, wie bezaubernd schön sie war, während sie so hinter
ihren eignen Worten vor ihnen stand. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Französische Legenden. Ein Buch von siebzehn Druckbogen über die
Frage, ob Metz durch Verrat oder weil es nicht mehr zu halten war, in die Hände
der Deutschen gekommen sei, würde dieses Gegenstandes halber in Deutschland
schwerlich viele Leser finden. Für uns hat diese Frage nie bestanden, und niemand
hat jemals bezweifelt, daß sie in Frankreich nur aufgeworfen worden ist, weil die
"öffentliche Meinung" doch einen Schuldigen als Opfer verlangte, da die Haupt¬
personen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten. Und diesen Unglück¬
lichen bedauerten wir wohl, innigerem Anteil an seinem Geschicke stand die Erinnerung
an Mexiko im Wege. Bazaines Verhalten gegen Maximilian zu rechtfertigen, hat
auch sein neuer Verteidiger nicht einmal versucht. Aber die Person dieses Ver¬
teidigers, des Grafen d'Herisson, ist mehr geeignet, Interesse zu erregen. Aus
seinem Vielgelesenen Journal ä'um Oküeisr ä'dräonnaneö, Millot, 1870 5. Kvrisr 1871,
kennt man ihn als einen Mann, dem es um geschichtliche Wahrheit zu thun ist,
und wie viele Männer dieser Art hat heutzutage das litterarische Frankreich auf¬
zuweisen? Deshalb haben wir seine neue Schrift 1,3, I^Aso.et"z av Alse" gelesen,
uns an dem uneigennützigen Eifer des Verfassers erfreut, manche Thatsache" kennen
gelernt, die wir, als der Prozeß Bazaines verhandelt wurde, übersehen oder doch
längst wieder vergessen hatten, haben indessen auch Gelegenheit zu Beobachtungen
gefunden, die in keiner unmittelbaren Berührung mit der Uebergabe von Metz und
dem Prozeß von Trianon stehen. Gegen die Methode der Behandlung des Stoffes
wäre manches einzuwenden. Genau genommen giebt d'Herisson auch diesmal wieder
mehr ein Tagebuch als eine geschichtliche Darstellung, erzählt, wie er darauf geführt
worden ist, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie er Umfrage gehalten, welche
Auskünfte er bekommen hat, schaltet Aktenstücke ein, nicht dort, wohin sie dem


Kleinere Mitteilungen.

Nicht wahr? Ja, die unzähligen Farben des Wassers müssen in ihren
Augen in wechselvollem Schimmer kommen und gehen; der wogende Wellen¬
schlag muß den bleichen Busen, muß alle ihre Formen durchrieseln, in dem Um¬
schlingen ihrer Arme muß die verzehrende Weichheit des Schaumes liegen, und
das Saugen des Meeresstrudels in ihrem Kuß.

Sie hatte sich ganz warm geredet und stand jetzt da, völlig hingerissen
von ihrer eignen Schilderung, ihre jungen Zuhörer mit großen, fragenden Kinder¬
augen anschauend.

Die aber sagten nichts. Ricks war dunkelrot geworden, und Erik schien
im höchsten Grade verlegen. Frithjof war ganz benommen und starrte sie mit
der offenbarsten Bewunderung an, und doch war er derjenige von den dreien,
der am wenigsten bemerkte, wie bezaubernd schön sie war, während sie so hinter
ihren eignen Worten vor ihnen stand. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Französische Legenden. Ein Buch von siebzehn Druckbogen über die
Frage, ob Metz durch Verrat oder weil es nicht mehr zu halten war, in die Hände
der Deutschen gekommen sei, würde dieses Gegenstandes halber in Deutschland
schwerlich viele Leser finden. Für uns hat diese Frage nie bestanden, und niemand
hat jemals bezweifelt, daß sie in Frankreich nur aufgeworfen worden ist, weil die
„öffentliche Meinung" doch einen Schuldigen als Opfer verlangte, da die Haupt¬
personen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten. Und diesen Unglück¬
lichen bedauerten wir wohl, innigerem Anteil an seinem Geschicke stand die Erinnerung
an Mexiko im Wege. Bazaines Verhalten gegen Maximilian zu rechtfertigen, hat
auch sein neuer Verteidiger nicht einmal versucht. Aber die Person dieses Ver¬
teidigers, des Grafen d'Herisson, ist mehr geeignet, Interesse zu erregen. Aus
seinem Vielgelesenen Journal ä'um Oküeisr ä'dräonnaneö, Millot, 1870 5. Kvrisr 1871,
kennt man ihn als einen Mann, dem es um geschichtliche Wahrheit zu thun ist,
und wie viele Männer dieser Art hat heutzutage das litterarische Frankreich auf¬
zuweisen? Deshalb haben wir seine neue Schrift 1,3, I^Aso.et«z av Alse« gelesen,
uns an dem uneigennützigen Eifer des Verfassers erfreut, manche Thatsache» kennen
gelernt, die wir, als der Prozeß Bazaines verhandelt wurde, übersehen oder doch
längst wieder vergessen hatten, haben indessen auch Gelegenheit zu Beobachtungen
gefunden, die in keiner unmittelbaren Berührung mit der Uebergabe von Metz und
dem Prozeß von Trianon stehen. Gegen die Methode der Behandlung des Stoffes
wäre manches einzuwenden. Genau genommen giebt d'Herisson auch diesmal wieder
mehr ein Tagebuch als eine geschichtliche Darstellung, erzählt, wie er darauf geführt
worden ist, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie er Umfrage gehalten, welche
Auskünfte er bekommen hat, schaltet Aktenstücke ein, nicht dort, wohin sie dem


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[0344] Kleinere Mitteilungen. Nicht wahr? Ja, die unzähligen Farben des Wassers müssen in ihren Augen in wechselvollem Schimmer kommen und gehen; der wogende Wellen¬ schlag muß den bleichen Busen, muß alle ihre Formen durchrieseln, in dem Um¬ schlingen ihrer Arme muß die verzehrende Weichheit des Schaumes liegen, und das Saugen des Meeresstrudels in ihrem Kuß. Sie hatte sich ganz warm geredet und stand jetzt da, völlig hingerissen von ihrer eignen Schilderung, ihre jungen Zuhörer mit großen, fragenden Kinder¬ augen anschauend. Die aber sagten nichts. Ricks war dunkelrot geworden, und Erik schien im höchsten Grade verlegen. Frithjof war ganz benommen und starrte sie mit der offenbarsten Bewunderung an, und doch war er derjenige von den dreien, der am wenigsten bemerkte, wie bezaubernd schön sie war, während sie so hinter ihren eignen Worten vor ihnen stand. (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Französische Legenden. Ein Buch von siebzehn Druckbogen über die Frage, ob Metz durch Verrat oder weil es nicht mehr zu halten war, in die Hände der Deutschen gekommen sei, würde dieses Gegenstandes halber in Deutschland schwerlich viele Leser finden. Für uns hat diese Frage nie bestanden, und niemand hat jemals bezweifelt, daß sie in Frankreich nur aufgeworfen worden ist, weil die „öffentliche Meinung" doch einen Schuldigen als Opfer verlangte, da die Haupt¬ personen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten. Und diesen Unglück¬ lichen bedauerten wir wohl, innigerem Anteil an seinem Geschicke stand die Erinnerung an Mexiko im Wege. Bazaines Verhalten gegen Maximilian zu rechtfertigen, hat auch sein neuer Verteidiger nicht einmal versucht. Aber die Person dieses Ver¬ teidigers, des Grafen d'Herisson, ist mehr geeignet, Interesse zu erregen. Aus seinem Vielgelesenen Journal ä'um Oküeisr ä'dräonnaneö, Millot, 1870 5. Kvrisr 1871, kennt man ihn als einen Mann, dem es um geschichtliche Wahrheit zu thun ist, und wie viele Männer dieser Art hat heutzutage das litterarische Frankreich auf¬ zuweisen? Deshalb haben wir seine neue Schrift 1,3, I^Aso.et«z av Alse« gelesen, uns an dem uneigennützigen Eifer des Verfassers erfreut, manche Thatsache» kennen gelernt, die wir, als der Prozeß Bazaines verhandelt wurde, übersehen oder doch längst wieder vergessen hatten, haben indessen auch Gelegenheit zu Beobachtungen gefunden, die in keiner unmittelbaren Berührung mit der Uebergabe von Metz und dem Prozeß von Trianon stehen. Gegen die Methode der Behandlung des Stoffes wäre manches einzuwenden. Genau genommen giebt d'Herisson auch diesmal wieder mehr ein Tagebuch als eine geschichtliche Darstellung, erzählt, wie er darauf geführt worden ist, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie er Umfrage gehalten, welche Auskünfte er bekommen hat, schaltet Aktenstücke ein, nicht dort, wohin sie dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/344>, abgerufen am 01.09.2024.