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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ulrich von Hütten.

und nachgerade mit ihm verwachsenen Standesvorstellungen -- ich meine nicht
diejenigen, welche jeder gebildete Stand über persönliche Ehre hat, sondern die,
welche sich in keinem andern Stande wiederfinden, von andern Ständen, zumal
vom Kaufmannsstande, weder anerkannt noch geachtet werden -- daß er die¬
selben vorerst und bis auf weiteres aä aotg, legt. Denn sie sind eine Beigabe
des Ofsizierstandes, welche die übrigen Stände nur schwer, diejenigen aber, von
denen er meist abhängig sein wird, gar nicht ertragen, und der gegenüber sie
sich nur mit Mißtrauen Verhalten. Im allgemeinen wird jedoch der Offizier,
sobald er ohne Ansprüche als solcher auftritt, artig und vielleicht zuvorkom¬
mender als Zivilpersonen von seinen Arbeitgebern behandelt werden nach dem
Grundsatze: AoblöLW oblieg; doch wird dies je nach den beiderseitigen Per¬
sönlichkeiten verschieden^ sein. (Schluß folgt.)




Ulrich von Hütten.

in 21. April d. I. werden es vierhundert Jahre, daß Ulrich
von Hütten geboren wurde. Das deutsche Volk, welches vor
wenigen Jahren den Jubeltag der hundertjährigen Wiederkehr
von Luthers Geburtstag gefeiert hat, wird an diesem Tage
gewiß auch seines wackern Mitstreiters gedenken, für den sich nun
bald auch ein sichtbares Gedächtnismal erheben wird. Es fehlt freilich in
unsern Tagen nicht an solchen, die auch diesen Mann seiner Nation zu ver¬
leiden bemüht sind, die behaupten, Huttens ganze Bedeutung habe im Zerstören
bestanden, irgend eine fruchtbare Idee habe den Mann nie bewegt. Sei er
doch weiter nichts gewesen als der begabteste, aber auch der leidenschaftlichste
Wortführer einer Revolutionspartei, der zur Erreichung seines nebelhaften Frei¬
heitsphantoms alle Mittel für erlaubt gehalten habe. Gewiß, Hütten war
eine Kampfnatur; er war durch und durch Polemiker, ein unermüdlicher Rufer
im Streit, dessen Muse der sittliche Zorn war. Aber bei manchen Fehlern,
die ihm mit seiner Zeit, seinem Stande und seinem Charakter anhängen, ist der
beredte Ritter, den man wohl schon den ersten deutschen Journalisten genannt
hat, weil er als einer der ersten die Bedeutung des gedruckten Wortes erkannt
und es zur Erreichung seiner Ziele benutzt hat, doch etwas ganz andres ge¬
wesen als der ideenlose Revolutionär, zu dem ihn eine gewisse Richtung der
neuern Geschichtschreibung stempeln null. Ein Blick auf sein Wirken und
Streben wird dies am besten darthun.


Ulrich von Hütten.

und nachgerade mit ihm verwachsenen Standesvorstellungen — ich meine nicht
diejenigen, welche jeder gebildete Stand über persönliche Ehre hat, sondern die,
welche sich in keinem andern Stande wiederfinden, von andern Ständen, zumal
vom Kaufmannsstande, weder anerkannt noch geachtet werden — daß er die¬
selben vorerst und bis auf weiteres aä aotg, legt. Denn sie sind eine Beigabe
des Ofsizierstandes, welche die übrigen Stände nur schwer, diejenigen aber, von
denen er meist abhängig sein wird, gar nicht ertragen, und der gegenüber sie
sich nur mit Mißtrauen Verhalten. Im allgemeinen wird jedoch der Offizier,
sobald er ohne Ansprüche als solcher auftritt, artig und vielleicht zuvorkom¬
mender als Zivilpersonen von seinen Arbeitgebern behandelt werden nach dem
Grundsatze: AoblöLW oblieg; doch wird dies je nach den beiderseitigen Per¬
sönlichkeiten verschieden^ sein. (Schluß folgt.)




Ulrich von Hütten.

in 21. April d. I. werden es vierhundert Jahre, daß Ulrich
von Hütten geboren wurde. Das deutsche Volk, welches vor
wenigen Jahren den Jubeltag der hundertjährigen Wiederkehr
von Luthers Geburtstag gefeiert hat, wird an diesem Tage
gewiß auch seines wackern Mitstreiters gedenken, für den sich nun
bald auch ein sichtbares Gedächtnismal erheben wird. Es fehlt freilich in
unsern Tagen nicht an solchen, die auch diesen Mann seiner Nation zu ver¬
leiden bemüht sind, die behaupten, Huttens ganze Bedeutung habe im Zerstören
bestanden, irgend eine fruchtbare Idee habe den Mann nie bewegt. Sei er
doch weiter nichts gewesen als der begabteste, aber auch der leidenschaftlichste
Wortführer einer Revolutionspartei, der zur Erreichung seines nebelhaften Frei¬
heitsphantoms alle Mittel für erlaubt gehalten habe. Gewiß, Hütten war
eine Kampfnatur; er war durch und durch Polemiker, ein unermüdlicher Rufer
im Streit, dessen Muse der sittliche Zorn war. Aber bei manchen Fehlern,
die ihm mit seiner Zeit, seinem Stande und seinem Charakter anhängen, ist der
beredte Ritter, den man wohl schon den ersten deutschen Journalisten genannt
hat, weil er als einer der ersten die Bedeutung des gedruckten Wortes erkannt
und es zur Erreichung seiner Ziele benutzt hat, doch etwas ganz andres ge¬
wesen als der ideenlose Revolutionär, zu dem ihn eine gewisse Richtung der
neuern Geschichtschreibung stempeln null. Ein Blick auf sein Wirken und
Streben wird dies am besten darthun.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/24>, abgerufen am 27.07.2024.