Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Kleinere Mitteilungen. nur zu vergleichen, welche Mühe die Uebersetzung dieser durchaus französischen Preßbanditen. In der letzten Zeit ist in München ein Preßprozeß gegen Der Redakteur des "Blitz in München, ein mährischer Jude namens Morgen¬ Kleinere Mitteilungen. nur zu vergleichen, welche Mühe die Uebersetzung dieser durchaus französischen Preßbanditen. In der letzten Zeit ist in München ein Preßprozeß gegen Der Redakteur des „Blitz in München, ein mährischer Jude namens Morgen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202263"/> <fw type="header" place="top"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> nur zu vergleichen, welche Mühe die Uebersetzung dieser durchaus französischen<lb/> Stelle ins Deutsche gemacht hat. „Ein braves, edles, in seinen Freiheiten bedrohtes<lb/> Volk bittet, ersucht und beruft mich," so übersetzt der „Reichsanzeiger." Und wer<lb/> den Satz sinngetreuer wiedergeben will, wird immer mehr in eine holprige Ueber-<lb/> sctzersprache geraten: „es bittet mich, es legt mir die Verpflichtung auf, es fordert<lb/> von mir" — das würde dem Original mehr entsprechen, aber keinem Deutschen<lb/> würde die eine oder die andre Fassung aus der Feder fließen. Bei weiterin<lb/> Durchgehen der Briefe bieten sich weitere Belegstellen dar, doch genügt die eine<lb/> vollkommen, um zu zeigen, daß die Ausrede des „Figaro" recht unglücklich ist.<lb/> Oder send etwa die verschiednen Lesarten in der Proklamation des Prinzen bei<lb/> seinem Einzuge in Sofia auch in Berlin fabrizirt worden?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Preßbanditen.</head> <p xml:id="ID_622"> In der letzten Zeit ist in München ein Preßprozeß gegen<lb/> die Redakteure Dr. Sigl und Viereck verhandelt worden, der eine kurze Besprechung<lb/> verdient. Das Münchner „Vaterland" hatte geschrieben: Ein renommirtes Geschäft<lb/> veröffentlichte in mehreren hiesigen Blättern ein Geschäftsinserat, das z. B. im<lb/> „Vaterland" für zweimalige Aufnahme 23 Mark kostete. Der Herausgeber eines<lb/> in fünfzig Exemplaren „verbreiteten" Wochenblattes wußte sich das Juserat mit<lb/> vernehmlichem Knacken des Revolvers zu zweimaliger Aufnahme zu verschaffen und<lb/> präsentirte dann die Rechnung mit — 440 Mark, sage vierhundertundvierzig Mark,<lb/> welche Summe dann auf 400 Mark „ermäßigt," beziehungsweise damit bezahlt<lb/> wurde! So wirds gemacht, und so wird die Existenz von Blättern ermöglicht,<lb/> die nicht selten nicht bloß dem Papiere nach von Lumpen herrühren und im<lb/> übrigen eine Schmach für das „intelligente" Deutschland sind. Daß aber der¬<lb/> gleichen möglich ist, daran sind die Leser, weit mehr aber noch Geschäftsleute schuld,<lb/> die aus Thorheit, Faulheit oder Feigheit eine solche Presse mit ihrem Gelde be¬<lb/> zahlen. In einem andern Falle ist derselbe Redakteur einer hiesigen Brauerei als<lb/> „Morgenstern des Heiles" erschienen und hat ihm für ein Juserat, das im „Vater¬<lb/> land" 15 Mark gekostet hatte, die enorme Summe von 350 Mark abverlangt und<lb/> 300 Mark wirklich erhalten."</p><lb/> <p xml:id="ID_623" next="#ID_624"> Der Redakteur des „Blitz in München, ein mährischer Jude namens Morgen¬<lb/> stern, fühlt sich durch die Mitteilung des „Vaterland" angegriffen und erhebt Klage<lb/> wegen Verleumdung. Durch die Untersuchung wird festgestellt, daß der Pp. Morgen¬<lb/> stern einen Geschäftsmann besucht, welcher damals in öffentlichen Blättern ange¬<lb/> feindet wird, und demselben bemerklich macht, daß auch er sich diesen Anfeindungen<lb/> anschließen könnte, daß er aber den Standpunkt des Geschäftsmannes teile und<lb/> diesen nun um ein kleines Inserat für sein Blatt bitte. Der Geschäftsmann be¬<lb/> greift sofort, um was es sich handelt, giebt dem Morgenstern ein Inserat, das<lb/> nach der teuersten Berechnung andrer Blätter 70 Mark kostete, und erhält von<lb/> diesem eine Rechnung über 440 Mark, die er, um Ruhe zu haben, mit 400 Mark<lb/> bezahlt. Ein andrer Zeuge bezeugt, daß der Kläger eine Reihe von Rechnungen<lb/> für Inserate eingereicht hat, welche, absolut wertlos für das Geschäft, weil in dein<lb/> elenden Wiukelblatte des Klägers erschienen, nur den Vorteil gehabt haben, daß<lb/> man vor sachlichen und persönlichen Angriffen geschützt gewesen sei. Eine Anzahl<lb/> andrer Zeugen bestätigt, daß dem Kläger Schweigegeld bezahlt worden ist; daß er<lb/> für ein Inserat soviel berechnet hat, als dessen einunddreißigmalige Aufnahme in<lb/> einem anständigen Blatte kostete; daß er einem Zeugen für die Unterlassung seiner<lb/> Abbildung in seinem Blatte zwei Rechnungen von je 400 Mark einreichte, wovon<lb/> dieser 200 und 250 Mark bezahlte; daß er in einem Falle der Weigerung eines</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Kleinere Mitteilungen.
nur zu vergleichen, welche Mühe die Uebersetzung dieser durchaus französischen
Stelle ins Deutsche gemacht hat. „Ein braves, edles, in seinen Freiheiten bedrohtes
Volk bittet, ersucht und beruft mich," so übersetzt der „Reichsanzeiger." Und wer
den Satz sinngetreuer wiedergeben will, wird immer mehr in eine holprige Ueber-
sctzersprache geraten: „es bittet mich, es legt mir die Verpflichtung auf, es fordert
von mir" — das würde dem Original mehr entsprechen, aber keinem Deutschen
würde die eine oder die andre Fassung aus der Feder fließen. Bei weiterin
Durchgehen der Briefe bieten sich weitere Belegstellen dar, doch genügt die eine
vollkommen, um zu zeigen, daß die Ausrede des „Figaro" recht unglücklich ist.
Oder send etwa die verschiednen Lesarten in der Proklamation des Prinzen bei
seinem Einzuge in Sofia auch in Berlin fabrizirt worden?
Preßbanditen. In der letzten Zeit ist in München ein Preßprozeß gegen
die Redakteure Dr. Sigl und Viereck verhandelt worden, der eine kurze Besprechung
verdient. Das Münchner „Vaterland" hatte geschrieben: Ein renommirtes Geschäft
veröffentlichte in mehreren hiesigen Blättern ein Geschäftsinserat, das z. B. im
„Vaterland" für zweimalige Aufnahme 23 Mark kostete. Der Herausgeber eines
in fünfzig Exemplaren „verbreiteten" Wochenblattes wußte sich das Juserat mit
vernehmlichem Knacken des Revolvers zu zweimaliger Aufnahme zu verschaffen und
präsentirte dann die Rechnung mit — 440 Mark, sage vierhundertundvierzig Mark,
welche Summe dann auf 400 Mark „ermäßigt," beziehungsweise damit bezahlt
wurde! So wirds gemacht, und so wird die Existenz von Blättern ermöglicht,
die nicht selten nicht bloß dem Papiere nach von Lumpen herrühren und im
übrigen eine Schmach für das „intelligente" Deutschland sind. Daß aber der¬
gleichen möglich ist, daran sind die Leser, weit mehr aber noch Geschäftsleute schuld,
die aus Thorheit, Faulheit oder Feigheit eine solche Presse mit ihrem Gelde be¬
zahlen. In einem andern Falle ist derselbe Redakteur einer hiesigen Brauerei als
„Morgenstern des Heiles" erschienen und hat ihm für ein Juserat, das im „Vater¬
land" 15 Mark gekostet hatte, die enorme Summe von 350 Mark abverlangt und
300 Mark wirklich erhalten."
Der Redakteur des „Blitz in München, ein mährischer Jude namens Morgen¬
stern, fühlt sich durch die Mitteilung des „Vaterland" angegriffen und erhebt Klage
wegen Verleumdung. Durch die Untersuchung wird festgestellt, daß der Pp. Morgen¬
stern einen Geschäftsmann besucht, welcher damals in öffentlichen Blättern ange¬
feindet wird, und demselben bemerklich macht, daß auch er sich diesen Anfeindungen
anschließen könnte, daß er aber den Standpunkt des Geschäftsmannes teile und
diesen nun um ein kleines Inserat für sein Blatt bitte. Der Geschäftsmann be¬
greift sofort, um was es sich handelt, giebt dem Morgenstern ein Inserat, das
nach der teuersten Berechnung andrer Blätter 70 Mark kostete, und erhält von
diesem eine Rechnung über 440 Mark, die er, um Ruhe zu haben, mit 400 Mark
bezahlt. Ein andrer Zeuge bezeugt, daß der Kläger eine Reihe von Rechnungen
für Inserate eingereicht hat, welche, absolut wertlos für das Geschäft, weil in dein
elenden Wiukelblatte des Klägers erschienen, nur den Vorteil gehabt haben, daß
man vor sachlichen und persönlichen Angriffen geschützt gewesen sei. Eine Anzahl
andrer Zeugen bestätigt, daß dem Kläger Schweigegeld bezahlt worden ist; daß er
für ein Inserat soviel berechnet hat, als dessen einunddreißigmalige Aufnahme in
einem anständigen Blatte kostete; daß er einem Zeugen für die Unterlassung seiner
Abbildung in seinem Blatte zwei Rechnungen von je 400 Mark einreichte, wovon
dieser 200 und 250 Mark bezahlte; daß er in einem Falle der Weigerung eines
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