Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neues von Anzengruber.

daß Frau Serao mit einigem Erfolge Zola nachahmt, nur muß man gestehen,
daß sie sehr viel weniger Talent, Fleiß und Lebenskenntnis besitzt als ihr
Herr und Meister, wenn sie ihn auch, wie wir gern anerkennen, in der Ab¬
wesenheit jedes Schamgefühls weit hinter sich läßt.

Am unangenehmsten ist uns die Art, wie Vasili mit dem Papste umgeht.
Was er über seine Politik sagt, kann man wohl ruhig auf sich beruhen lassen,
denn seine Behauptung, er, Vasili, gehöre zu den wenigen, denen es geglückt
sei, as xsus'trsr äans ig, mMsrisuss 1ntirait6 as I^son XIII., wird außer bei
dem angeblichen jungen Freunde, zu dessen Belehrung er seine erbaulichen
Bücher verfaßt, wohl nur ein mitleidiges Lächeln erregen; aber wenn er sagt:
I^s eures, <M us sont xg,s as Kours, l'avvellsnt, volcmtisrs, äaus 1s laisssr
aller ass "fünff as ocmksrsnsss" 1s ?a,xs Va.1ta.irs -- die geistreichen Be¬
merkungen, welche er hieran knüpft, übergehen wir --, so darf man, glauben
wir, daran erinnern, daß kein Mann bei der bessern italienischen Geistlichkeit
in höherer Achtung steht als der jetzige Papst. Typisch ist uns dafür in der
Erinnerung ein einfacher, alter Priester geblieben, der zu der täglichen Gesell¬
schaft des Kardinals Pecei gehört hatte, als derselbe noch in seinem Erzbistum
Perugia residirte, und bald, nachdem er Papst geworden war, eine Audienz
bei ihm hatte: Moi v-mia, sagte er mit Thränen in den Augen, al aver xsr-
äuto molto, aMväo Sioaoodino ?svoi äivsnus ?axa: raa seoc>, Jo ritrovato
un vsoonio amioo s vsäuto rin Arau soprano.




Neues von Anzengruber.
i.

eit vielen Jahren hat die dramatische Muse Ludwig Anzengrubers
-- wohl die kräftigste der Gegenwart -- geschwiegen, und die
literarische Welt begann nachgerade, sich daran zu gewöhnen,
seinem Namen wie dem so vieler andern Dichter, die auf den Er¬
trag ihrer Feder angewiesen sind, alljährlich zur Weihnachtszeit
auf dem Titelblatte irgend eines neuen Dorfromans zu begegnen. Ohne Zweifel
haben diese Romane nicht wenig dazu beigetragen, den Ruhm des Dichters in
breitere Kreise des deutschen Volkes zu tragen, als es seine Dramen vermochten.
Der Roman als solcher ist auch in den Leihbibliotheken jener vielen kleinen
Städte aufgestellt, die teil, ständiges oder kein Theater überhaupt besitzen, und
der Dialekt Anzengrubers ist, wie jeder Dialekt, geschrieben leichter zu verstehen
als gesprochen; Dramen hingegen werden gar nicht gelesen. Anzengrubers An-


Neues von Anzengruber.

daß Frau Serao mit einigem Erfolge Zola nachahmt, nur muß man gestehen,
daß sie sehr viel weniger Talent, Fleiß und Lebenskenntnis besitzt als ihr
Herr und Meister, wenn sie ihn auch, wie wir gern anerkennen, in der Ab¬
wesenheit jedes Schamgefühls weit hinter sich läßt.

Am unangenehmsten ist uns die Art, wie Vasili mit dem Papste umgeht.
Was er über seine Politik sagt, kann man wohl ruhig auf sich beruhen lassen,
denn seine Behauptung, er, Vasili, gehöre zu den wenigen, denen es geglückt
sei, as xsus'trsr äans ig, mMsrisuss 1ntirait6 as I^son XIII., wird außer bei
dem angeblichen jungen Freunde, zu dessen Belehrung er seine erbaulichen
Bücher verfaßt, wohl nur ein mitleidiges Lächeln erregen; aber wenn er sagt:
I^s eures, <M us sont xg,s as Kours, l'avvellsnt, volcmtisrs, äaus 1s laisssr
aller ass „fünff as ocmksrsnsss" 1s ?a,xs Va.1ta.irs — die geistreichen Be¬
merkungen, welche er hieran knüpft, übergehen wir —, so darf man, glauben
wir, daran erinnern, daß kein Mann bei der bessern italienischen Geistlichkeit
in höherer Achtung steht als der jetzige Papst. Typisch ist uns dafür in der
Erinnerung ein einfacher, alter Priester geblieben, der zu der täglichen Gesell¬
schaft des Kardinals Pecei gehört hatte, als derselbe noch in seinem Erzbistum
Perugia residirte, und bald, nachdem er Papst geworden war, eine Audienz
bei ihm hatte: Moi v-mia, sagte er mit Thränen in den Augen, al aver xsr-
äuto molto, aMväo Sioaoodino ?svoi äivsnus ?axa: raa seoc>, Jo ritrovato
un vsoonio amioo s vsäuto rin Arau soprano.




Neues von Anzengruber.
i.

eit vielen Jahren hat die dramatische Muse Ludwig Anzengrubers
— wohl die kräftigste der Gegenwart — geschwiegen, und die
literarische Welt begann nachgerade, sich daran zu gewöhnen,
seinem Namen wie dem so vieler andern Dichter, die auf den Er¬
trag ihrer Feder angewiesen sind, alljährlich zur Weihnachtszeit
auf dem Titelblatte irgend eines neuen Dorfromans zu begegnen. Ohne Zweifel
haben diese Romane nicht wenig dazu beigetragen, den Ruhm des Dichters in
breitere Kreise des deutschen Volkes zu tragen, als es seine Dramen vermochten.
Der Roman als solcher ist auch in den Leihbibliotheken jener vielen kleinen
Städte aufgestellt, die teil, ständiges oder kein Theater überhaupt besitzen, und
der Dialekt Anzengrubers ist, wie jeder Dialekt, geschrieben leichter zu verstehen
als gesprochen; Dramen hingegen werden gar nicht gelesen. Anzengrubers An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288932"/>
          <fw type="header" place="top"> Neues von Anzengruber.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1356" prev="#ID_1355"> daß Frau Serao mit einigem Erfolge Zola nachahmt, nur muß man gestehen,<lb/>
daß sie sehr viel weniger Talent, Fleiß und Lebenskenntnis besitzt als ihr<lb/>
Herr und Meister, wenn sie ihn auch, wie wir gern anerkennen, in der Ab¬<lb/>
wesenheit jedes Schamgefühls weit hinter sich läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1357"> Am unangenehmsten ist uns die Art, wie Vasili mit dem Papste umgeht.<lb/>
Was er über seine Politik sagt, kann man wohl ruhig auf sich beruhen lassen,<lb/>
denn seine Behauptung, er, Vasili, gehöre zu den wenigen, denen es geglückt<lb/>
sei, as xsus'trsr äans ig, mMsrisuss 1ntirait6 as I^son XIII., wird außer bei<lb/>
dem angeblichen jungen Freunde, zu dessen Belehrung er seine erbaulichen<lb/>
Bücher verfaßt, wohl nur ein mitleidiges Lächeln erregen; aber wenn er sagt:<lb/>
I^s eures, &lt;M us sont xg,s as Kours, l'avvellsnt, volcmtisrs, äaus 1s laisssr<lb/>
aller ass &#x201E;fünff as ocmksrsnsss" 1s ?a,xs Va.1ta.irs &#x2014; die geistreichen Be¬<lb/>
merkungen, welche er hieran knüpft, übergehen wir &#x2014;, so darf man, glauben<lb/>
wir, daran erinnern, daß kein Mann bei der bessern italienischen Geistlichkeit<lb/>
in höherer Achtung steht als der jetzige Papst. Typisch ist uns dafür in der<lb/>
Erinnerung ein einfacher, alter Priester geblieben, der zu der täglichen Gesell¬<lb/>
schaft des Kardinals Pecei gehört hatte, als derselbe noch in seinem Erzbistum<lb/>
Perugia residirte, und bald, nachdem er Papst geworden war, eine Audienz<lb/>
bei ihm hatte: Moi v-mia, sagte er mit Thränen in den Augen, al aver xsr-<lb/>
äuto molto, aMväo Sioaoodino ?svoi äivsnus ?axa: raa seoc&gt;, Jo ritrovato<lb/>
un vsoonio amioo s vsäuto rin Arau soprano.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neues von Anzengruber.<lb/>
i.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1358" next="#ID_1359"> eit vielen Jahren hat die dramatische Muse Ludwig Anzengrubers<lb/>
&#x2014; wohl die kräftigste der Gegenwart &#x2014; geschwiegen, und die<lb/>
literarische Welt begann nachgerade, sich daran zu gewöhnen,<lb/>
seinem Namen wie dem so vieler andern Dichter, die auf den Er¬<lb/>
trag ihrer Feder angewiesen sind, alljährlich zur Weihnachtszeit<lb/>
auf dem Titelblatte irgend eines neuen Dorfromans zu begegnen. Ohne Zweifel<lb/>
haben diese Romane nicht wenig dazu beigetragen, den Ruhm des Dichters in<lb/>
breitere Kreise des deutschen Volkes zu tragen, als es seine Dramen vermochten.<lb/>
Der Roman als solcher ist auch in den Leihbibliotheken jener vielen kleinen<lb/>
Städte aufgestellt, die teil, ständiges oder kein Theater überhaupt besitzen, und<lb/>
der Dialekt Anzengrubers ist, wie jeder Dialekt, geschrieben leichter zu verstehen<lb/>
als gesprochen; Dramen hingegen werden gar nicht gelesen. Anzengrubers An-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0479] Neues von Anzengruber. daß Frau Serao mit einigem Erfolge Zola nachahmt, nur muß man gestehen, daß sie sehr viel weniger Talent, Fleiß und Lebenskenntnis besitzt als ihr Herr und Meister, wenn sie ihn auch, wie wir gern anerkennen, in der Ab¬ wesenheit jedes Schamgefühls weit hinter sich läßt. Am unangenehmsten ist uns die Art, wie Vasili mit dem Papste umgeht. Was er über seine Politik sagt, kann man wohl ruhig auf sich beruhen lassen, denn seine Behauptung, er, Vasili, gehöre zu den wenigen, denen es geglückt sei, as xsus'trsr äans ig, mMsrisuss 1ntirait6 as I^son XIII., wird außer bei dem angeblichen jungen Freunde, zu dessen Belehrung er seine erbaulichen Bücher verfaßt, wohl nur ein mitleidiges Lächeln erregen; aber wenn er sagt: I^s eures, <M us sont xg,s as Kours, l'avvellsnt, volcmtisrs, äaus 1s laisssr aller ass „fünff as ocmksrsnsss" 1s ?a,xs Va.1ta.irs — die geistreichen Be¬ merkungen, welche er hieran knüpft, übergehen wir —, so darf man, glauben wir, daran erinnern, daß kein Mann bei der bessern italienischen Geistlichkeit in höherer Achtung steht als der jetzige Papst. Typisch ist uns dafür in der Erinnerung ein einfacher, alter Priester geblieben, der zu der täglichen Gesell¬ schaft des Kardinals Pecei gehört hatte, als derselbe noch in seinem Erzbistum Perugia residirte, und bald, nachdem er Papst geworden war, eine Audienz bei ihm hatte: Moi v-mia, sagte er mit Thränen in den Augen, al aver xsr- äuto molto, aMväo Sioaoodino ?svoi äivsnus ?axa: raa seoc>, Jo ritrovato un vsoonio amioo s vsäuto rin Arau soprano. Neues von Anzengruber. i. eit vielen Jahren hat die dramatische Muse Ludwig Anzengrubers — wohl die kräftigste der Gegenwart — geschwiegen, und die literarische Welt begann nachgerade, sich daran zu gewöhnen, seinem Namen wie dem so vieler andern Dichter, die auf den Er¬ trag ihrer Feder angewiesen sind, alljährlich zur Weihnachtszeit auf dem Titelblatte irgend eines neuen Dorfromans zu begegnen. Ohne Zweifel haben diese Romane nicht wenig dazu beigetragen, den Ruhm des Dichters in breitere Kreise des deutschen Volkes zu tragen, als es seine Dramen vermochten. Der Roman als solcher ist auch in den Leihbibliotheken jener vielen kleinen Städte aufgestellt, die teil, ständiges oder kein Theater überhaupt besitzen, und der Dialekt Anzengrubers ist, wie jeder Dialekt, geschrieben leichter zu verstehen als gesprochen; Dramen hingegen werden gar nicht gelesen. Anzengrubers An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/479
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/479>, abgerufen am 17.09.2024.