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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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kleinere Mitteilungen.

blick zurückkommen, und was wurde dann aus der Überraschung? So schlich
er sich denn auf den Zehen hinaus, schloß die Thür sorgfältig hinter sich ab
und setzte sich hin, um nachzudenken.

Und wie er so dasaß und an alle die Seligkeit dachte, die ihn erwartete,
schwoll sein Herz vor Glück und Sehnsucht. Frohe Gedanken stiegen in ihm
auf, lichte Bilder umgaukelten ihn, und seine Augen blickten lächelnd nach oben.

(Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Schwurgerichte und Preßvergehen.

Nach Zeitungsmitteilungen hat
die deutsch-freisinnige Partei im Reichstage einem alten Freunde wieder aus Tages¬
licht geholfen, den man längst tot wähnte: sie hat den Antrag gestellt, die Zu¬
ständigkeit der Schwurgerichte für alle politischen und sogenannten Preßvergehen
einzuführen. Offenbar will sie damit einem tiefgefühlten Bedürfnis abhelfen,
wenn auch nicht einem Bedürfnis des deutschen Volkes, so doch einem Partei¬
bedürfnis, denn es ist die höchste Zeit, daß wieder einmal etwas für das "geknechtete"
Volk geschieht, für das außer den Deutsch-Freisinnigen ja niemand sorgt. An der
großen sozialpolitischen Gesetzgebung des Reiches, an der Fürsorge für Erwerbs¬
unfähige braucht sich eine "freiheitliche" Partei nicht zu beteiligen, es genügt,
wenn über Preßvergehen und politische Missethaten künftighin Geschworne, d. h.
Leute, die von der ganzen Sache nichts verstehen, aburteilen. Dann wird das
Volk "glücklich." Wenn jemand einem andern in einer Zeitung alle möglichen
Verleumdungen nachredet und er kommt, falls ihn der Verleumdete belangt, nicht
zur Aburteilung vor das Schwurgericht, dann ist das "Reaktion," kommt er aber
vor die Geschwornen, so ist es "Freiheit." Dieselbe Partei, welche immer die
Gleichheit vor dem Gesetz mit der großen Lärmtrommel verkündet, verlangt gesetz¬
geberische Ausnahmemaßregeln zu Gunsten der Presse.

Da ist denn doch zunächst die Frage aufzuwerfen: Was ist denn eigentlich das,
was man gewöhnlich die Presse nennt? Es soll das rein thatsächliche Machtverhältnis
bei der Beantwortung dieser Frage ganz außer Betracht bleiben, es soll lediglich
die rechtliche Seite berührt werden. Zeitungen und Zeitschriften -- mit andern
Worten die Presse -- sind periodisch erscheinende Druckschriften, die von Privat¬
personen ins Leben gerufen find, entweder lediglich zu dem Zwecke, um Geschäfte
zu machen, Geld, Vermögen zu erwerben, oder zu dem Zwecke, gewissen ethischen,
Politischen oder wirtschaftlichen Ideen, welche eine Privatperson oder mehrere
oder eine größere Anzahl Personen -- eine Partei -- ans irgend welchem Grunde
hegt, Verbreitung zu schaffen und ihnen womöglich neue Anhänger zu gewinnen.
In nicht seltenen Fällen sind beide Zwecke mit einander verbunden. Von den
eigentlichen Amts- oder Gesctzesblättern abgesehen, die hier ganz außer Betracht
bleiben können, sind es aber immer Privatpersonen, die hinter der Presse stehen,
die sie offen oder versteckt leiten, ihr den Stoff liefern, sie mit Geld unterstützen


Grenzboten IV. 1887. 76
kleinere Mitteilungen.

blick zurückkommen, und was wurde dann aus der Überraschung? So schlich
er sich denn auf den Zehen hinaus, schloß die Thür sorgfältig hinter sich ab
und setzte sich hin, um nachzudenken.

Und wie er so dasaß und an alle die Seligkeit dachte, die ihn erwartete,
schwoll sein Herz vor Glück und Sehnsucht. Frohe Gedanken stiegen in ihm
auf, lichte Bilder umgaukelten ihn, und seine Augen blickten lächelnd nach oben.

(Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Schwurgerichte und Preßvergehen.

Nach Zeitungsmitteilungen hat
die deutsch-freisinnige Partei im Reichstage einem alten Freunde wieder aus Tages¬
licht geholfen, den man längst tot wähnte: sie hat den Antrag gestellt, die Zu¬
ständigkeit der Schwurgerichte für alle politischen und sogenannten Preßvergehen
einzuführen. Offenbar will sie damit einem tiefgefühlten Bedürfnis abhelfen,
wenn auch nicht einem Bedürfnis des deutschen Volkes, so doch einem Partei¬
bedürfnis, denn es ist die höchste Zeit, daß wieder einmal etwas für das „geknechtete"
Volk geschieht, für das außer den Deutsch-Freisinnigen ja niemand sorgt. An der
großen sozialpolitischen Gesetzgebung des Reiches, an der Fürsorge für Erwerbs¬
unfähige braucht sich eine „freiheitliche" Partei nicht zu beteiligen, es genügt,
wenn über Preßvergehen und politische Missethaten künftighin Geschworne, d. h.
Leute, die von der ganzen Sache nichts verstehen, aburteilen. Dann wird das
Volk „glücklich." Wenn jemand einem andern in einer Zeitung alle möglichen
Verleumdungen nachredet und er kommt, falls ihn der Verleumdete belangt, nicht
zur Aburteilung vor das Schwurgericht, dann ist das „Reaktion," kommt er aber
vor die Geschwornen, so ist es „Freiheit." Dieselbe Partei, welche immer die
Gleichheit vor dem Gesetz mit der großen Lärmtrommel verkündet, verlangt gesetz¬
geberische Ausnahmemaßregeln zu Gunsten der Presse.

Da ist denn doch zunächst die Frage aufzuwerfen: Was ist denn eigentlich das,
was man gewöhnlich die Presse nennt? Es soll das rein thatsächliche Machtverhältnis
bei der Beantwortung dieser Frage ganz außer Betracht bleiben, es soll lediglich
die rechtliche Seite berührt werden. Zeitungen und Zeitschriften — mit andern
Worten die Presse — sind periodisch erscheinende Druckschriften, die von Privat¬
personen ins Leben gerufen find, entweder lediglich zu dem Zwecke, um Geschäfte
zu machen, Geld, Vermögen zu erwerben, oder zu dem Zwecke, gewissen ethischen,
Politischen oder wirtschaftlichen Ideen, welche eine Privatperson oder mehrere
oder eine größere Anzahl Personen — eine Partei — ans irgend welchem Grunde
hegt, Verbreitung zu schaffen und ihnen womöglich neue Anhänger zu gewinnen.
In nicht seltenen Fällen sind beide Zwecke mit einander verbunden. Von den
eigentlichen Amts- oder Gesctzesblättern abgesehen, die hier ganz außer Betracht
bleiben können, sind es aber immer Privatpersonen, die hinter der Presse stehen,
die sie offen oder versteckt leiten, ihr den Stoff liefern, sie mit Geld unterstützen


Grenzboten IV. 1887. 76
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/609>, abgerufen am 22.07.2024.