Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.vor Konflikten mit den Insassen des Panoptikums zu hüten. Noch viel weniger Kleinere Mitteilungen. Ein Kulturkampf in Brasilien. Von den deutschen Kolonien Südbra¬ Art. S der Verfassung des Kaiserreiches lautet: "Die römisch-katholische Re¬ Diese beiden Artikel der Verfassung und des Strafgesetzbuches sind nun in Und doch ist das geschehen. Die protestantische Gemeinde der Kolonie Santa Der Vorstand der Gemeinde in Santa Maria sorgte natürlich schleunigst dafür, Kleinere Mitteilungen.
vor Konflikten mit den Insassen des Panoptikums zu hüten. Noch viel weniger Kleinere Mitteilungen. Ein Kulturkampf in Brasilien. Von den deutschen Kolonien Südbra¬ Art. S der Verfassung des Kaiserreiches lautet: „Die römisch-katholische Re¬ Diese beiden Artikel der Verfassung und des Strafgesetzbuches sind nun in Und doch ist das geschehen. Die protestantische Gemeinde der Kolonie Santa Der Vorstand der Gemeinde in Santa Maria sorgte natürlich schleunigst dafür, Kleinere Mitteilungen.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0596" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201375"/> <fw type="sig" place="bottom"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1957" prev="#ID_1956"> vor Konflikten mit den Insassen des Panoptikums zu hüten. Noch viel weniger<lb/> als auf dem Gebiete der Malerei haben die Versuche hier zu befriedigenden<lb/> Ergebnissen geführt. Die Plastik wird noch schwerer als jene zu kämpfen<lb/> haben, weil ihr Darstellungsmaterial ungefügiger und widerstrebender ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kleinere Mitteilungen.</head><lb/> <p xml:id="ID_1958"> Ein Kulturkampf in Brasilien. Von den deutschen Kolonien Südbra¬<lb/> siliens ist in den letzten Wochen eine Bewegung ausgegangen, die bei weiteren!<lb/> Umsichgreifen zu einem wirklichen Kulturkampf werden kann und die auch hier in<lb/> Deutschland beachtet zu werden verdient, weil sie die Stellung unsrer dortigen<lb/> protestantischen Landsleute zur katholischen Staatsreligion neu festzustellen be¬<lb/> stimmt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1959"> Art. S der Verfassung des Kaiserreiches lautet: „Die römisch-katholische Re¬<lb/> ligion wird fortfahren, Staatsreligion zu sein. Alle andern Religionen mit ihren<lb/> häuslichen oder geheimen Gottesdiensten in ihren dazu bestimmten Häusern, welche<lb/> keine äußerlichen Abzeichen haben, werden erlaubt sein." Eine Übertretung dieses<lb/> Artikels wird nach dem Strafgesetzbuch bestraft; besonders wird hier noch der<lb/> Gottesdienst in Häusern uuterscigt, „welche die äußere Form eines Tempels haben,"<lb/> d. h. also in Kirchen rin einem Turm. Die Strafen bestehen in der Zerstörung<lb/> der äußeren Form, also des Turmes, und in Geldstrafen für die Teilnehmer am<lb/> Gottesdienste.</p><lb/> <p xml:id="ID_1960"> Diese beiden Artikel der Verfassung und des Strafgesetzbuches sind nun in<lb/> Südbrasilien, d. h. im Bereich der dortigen deutschen Kolonien, thatsächlich schon<lb/> feit mehr als dreißig Jahren ganz außer Gebrauch gekommen: niemand in Rio<lb/> Grande do Sui oder in Santa Katharina ist es bisher eingefallen, den Protestanten<lb/> das Bauen von Gotteshäusern mit oder ohne Turm zu untersagen. Auf vielen<lb/> deutschen Kolonien giebt es protestantische Kirchen mit Türmen, die zum Teil sogar<lb/> insofern mit Unterstützung der Regierung gebaut worden sind, als diese deu be¬<lb/> treffenden Gemeinden einen Gewinnanteil aus der Provinziallotterie zu gedachtem<lb/> Zwecke zugestanden hat. Das Gesetz schlief, und die Protestanten dachten kaum<lb/> daran, daß es jemals wieder aufwachen und ihnen Unannehmlichkeiten bereiten könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1961"> Und doch ist das geschehen. Die protestantische Gemeinde der Kolonie Santa<lb/> Maria da Bocca do Monte in der Provinz Rio Grande do Suk hat sich eine<lb/> Kirche mit Turm gebaut. Der Grundstein zum Turm wurde im Beisein der<lb/> brasilianischen Behörden gelegt und der Turm selbst dann ungehindert aufgeführt.<lb/> Da plötzlich erhält der Pastor der genannten Gemeinde, Herr Fr. Pechmann, von<lb/> dem Delegado de Pvlicia des Ortes ein Schreiben des Inhalts, daß er auf An¬<lb/> ordnung des Polizeichefs der Provinz auf Grund des oben genannten Artikels der<lb/> Verfassung und des Strafgesetzbuches gegen seine Gemeinde „in peinlicher Weise"<lb/> einschreiten müsse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1962" next="#ID_1963"> Der Vorstand der Gemeinde in Santa Maria sorgte natürlich schleunigst dafür,<lb/> daß dieses Vorgehen des Polizeichefs öffentlich bekannt wurde. So erfuhr denn<lb/> auch der Präsident der Provinz von der Sache, und dieser verfügte sofort, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0596]
vor Konflikten mit den Insassen des Panoptikums zu hüten. Noch viel weniger
als auf dem Gebiete der Malerei haben die Versuche hier zu befriedigenden
Ergebnissen geführt. Die Plastik wird noch schwerer als jene zu kämpfen
haben, weil ihr Darstellungsmaterial ungefügiger und widerstrebender ist.
Kleinere Mitteilungen.
Ein Kulturkampf in Brasilien. Von den deutschen Kolonien Südbra¬
siliens ist in den letzten Wochen eine Bewegung ausgegangen, die bei weiteren!
Umsichgreifen zu einem wirklichen Kulturkampf werden kann und die auch hier in
Deutschland beachtet zu werden verdient, weil sie die Stellung unsrer dortigen
protestantischen Landsleute zur katholischen Staatsreligion neu festzustellen be¬
stimmt ist.
Art. S der Verfassung des Kaiserreiches lautet: „Die römisch-katholische Re¬
ligion wird fortfahren, Staatsreligion zu sein. Alle andern Religionen mit ihren
häuslichen oder geheimen Gottesdiensten in ihren dazu bestimmten Häusern, welche
keine äußerlichen Abzeichen haben, werden erlaubt sein." Eine Übertretung dieses
Artikels wird nach dem Strafgesetzbuch bestraft; besonders wird hier noch der
Gottesdienst in Häusern uuterscigt, „welche die äußere Form eines Tempels haben,"
d. h. also in Kirchen rin einem Turm. Die Strafen bestehen in der Zerstörung
der äußeren Form, also des Turmes, und in Geldstrafen für die Teilnehmer am
Gottesdienste.
Diese beiden Artikel der Verfassung und des Strafgesetzbuches sind nun in
Südbrasilien, d. h. im Bereich der dortigen deutschen Kolonien, thatsächlich schon
feit mehr als dreißig Jahren ganz außer Gebrauch gekommen: niemand in Rio
Grande do Sui oder in Santa Katharina ist es bisher eingefallen, den Protestanten
das Bauen von Gotteshäusern mit oder ohne Turm zu untersagen. Auf vielen
deutschen Kolonien giebt es protestantische Kirchen mit Türmen, die zum Teil sogar
insofern mit Unterstützung der Regierung gebaut worden sind, als diese deu be¬
treffenden Gemeinden einen Gewinnanteil aus der Provinziallotterie zu gedachtem
Zwecke zugestanden hat. Das Gesetz schlief, und die Protestanten dachten kaum
daran, daß es jemals wieder aufwachen und ihnen Unannehmlichkeiten bereiten könne.
Und doch ist das geschehen. Die protestantische Gemeinde der Kolonie Santa
Maria da Bocca do Monte in der Provinz Rio Grande do Suk hat sich eine
Kirche mit Turm gebaut. Der Grundstein zum Turm wurde im Beisein der
brasilianischen Behörden gelegt und der Turm selbst dann ungehindert aufgeführt.
Da plötzlich erhält der Pastor der genannten Gemeinde, Herr Fr. Pechmann, von
dem Delegado de Pvlicia des Ortes ein Schreiben des Inhalts, daß er auf An¬
ordnung des Polizeichefs der Provinz auf Grund des oben genannten Artikels der
Verfassung und des Strafgesetzbuches gegen seine Gemeinde „in peinlicher Weise"
einschreiten müsse.
Der Vorstand der Gemeinde in Santa Maria sorgte natürlich schleunigst dafür,
daß dieses Vorgehen des Polizeichefs öffentlich bekannt wurde. So erfuhr denn
auch der Präsident der Provinz von der Sache, und dieser verfügte sofort, die
Kleinere Mitteilungen.
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