Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Catcirina Palmeirim hätte nichts mehr zu erwiedern vermocht, auch wenn
der rollende, hundertfach widerhallende Donner nicht jeden Laut verschlungen
hätte. Der König sah, daß das junge Mädchen in äußerster Erschöpfung sich
auf den Hals ihres Pferdes neigte, er hielt an und ließ das Gefolge näher
kommen. Nach seinem Wink nahmen Miraflores und der alte Falkner das
Pferd der Gräfin zwischen die ihrigen, der Stallmeister schoß dabei einen Blick
auf den König, der klagend sein sollte und in Wahrheit ingrimmig zürnend war.
Dom Sebastian achtete auf den Alten nicht, er sah nur auf die totbleiche
Catcirina und trieb mit ungeduldigem Zuruf vorwärts. Und so jagte der
Reitertrupp in wildester Hast durch die immer neu herabstürzenden Wettergüsse
hindurch, dem Schlosse von Cintra entgegen, das jetzt, beim grellen Lichte der
Blitze, auf Augenblicke aus der Dunkelheit hervortrat, um alsbald wieder, wie
eine Fata Morgana, hinter dichtgeballten und wildzerflatterndem Gewölk zu
versinken. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.
Revanche.

So oft in Deutschland auf das Treiben der Revanchepartei in
Frankreich und auf die Gefahren hingewiesen wird, welche dasselbe heraufbeschwören
könnte, finden sich stets weise Politiker, welche die Reichsregierung in belehrendem
oder tadelnden Tone über die gänzliche Bedeutungslosigkeit jener Agitationen auf¬
klären. Es denke ja außer dem kaum zurechnungsfähigen Deronlede und seiner
Gefolgschaft niemand in Frankreich daran, einen Krieg mit Deutschland vom Zaune
zu breche", und wer die Dinge anders darstelle, gefährde selbst den der ganzen
Welt so notwendigen Frieden. Daß die, die so sprechen, wirklich die Verhältnisse
so schlecht kennen sollten, ist nicht anzunehmen; es kommt ihnen wohl im Geschäfts¬
interesse die Beunruhigung ungelegen. Aber wenn in der That die Patriotenliga
so einflußlos wäre und so allein stünde: ist es denn nicht bezeichnend genug, daß
die französische Regierung nicht wagt oder nicht wagen mag, den Hetzern Schweigen
zu gebieten? Blicken wir doch nach Italien! Die dortige Regierung, welche mehr,
als den- Lande dienlich ist, unter dem Druck der sogenannten öffentlichen Meinung
steht, scheut sich doch nicht, die Jrredenta in Schranken zu halten, um das freund¬
nachbarliche Verhältnis zu Oesterreich nicht zu stören. In Frankreich aber läßt
man, wie in Piemont bis 1866, Friedensschlüsse und Verträge als nicht bestehend
behandeln, während doch nicht zwischen Frankreich und Deutschland, wie damals
zwischen Italien und Oesterreich, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen sind.
Man kann darüber lachen, wenn in gelehrten Werken der Frankfurter Friede einfach
ignorirt wird, wie in der kunstgeschichtlichen Publikation über den Domschcch zu
Trier von den Herren L. Pnlustre und X. Barbier de Montault, wo Metz noch
heute zu Frankreich gehört: aber ob nun die Verfasser selbst zur Revanche schworen


Catcirina Palmeirim hätte nichts mehr zu erwiedern vermocht, auch wenn
der rollende, hundertfach widerhallende Donner nicht jeden Laut verschlungen
hätte. Der König sah, daß das junge Mädchen in äußerster Erschöpfung sich
auf den Hals ihres Pferdes neigte, er hielt an und ließ das Gefolge näher
kommen. Nach seinem Wink nahmen Miraflores und der alte Falkner das
Pferd der Gräfin zwischen die ihrigen, der Stallmeister schoß dabei einen Blick
auf den König, der klagend sein sollte und in Wahrheit ingrimmig zürnend war.
Dom Sebastian achtete auf den Alten nicht, er sah nur auf die totbleiche
Catcirina und trieb mit ungeduldigem Zuruf vorwärts. Und so jagte der
Reitertrupp in wildester Hast durch die immer neu herabstürzenden Wettergüsse
hindurch, dem Schlosse von Cintra entgegen, das jetzt, beim grellen Lichte der
Blitze, auf Augenblicke aus der Dunkelheit hervortrat, um alsbald wieder, wie
eine Fata Morgana, hinter dichtgeballten und wildzerflatterndem Gewölk zu
versinken. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.
Revanche.

So oft in Deutschland auf das Treiben der Revanchepartei in
Frankreich und auf die Gefahren hingewiesen wird, welche dasselbe heraufbeschwören
könnte, finden sich stets weise Politiker, welche die Reichsregierung in belehrendem
oder tadelnden Tone über die gänzliche Bedeutungslosigkeit jener Agitationen auf¬
klären. Es denke ja außer dem kaum zurechnungsfähigen Deronlede und seiner
Gefolgschaft niemand in Frankreich daran, einen Krieg mit Deutschland vom Zaune
zu breche», und wer die Dinge anders darstelle, gefährde selbst den der ganzen
Welt so notwendigen Frieden. Daß die, die so sprechen, wirklich die Verhältnisse
so schlecht kennen sollten, ist nicht anzunehmen; es kommt ihnen wohl im Geschäfts¬
interesse die Beunruhigung ungelegen. Aber wenn in der That die Patriotenliga
so einflußlos wäre und so allein stünde: ist es denn nicht bezeichnend genug, daß
die französische Regierung nicht wagt oder nicht wagen mag, den Hetzern Schweigen
zu gebieten? Blicken wir doch nach Italien! Die dortige Regierung, welche mehr,
als den- Lande dienlich ist, unter dem Druck der sogenannten öffentlichen Meinung
steht, scheut sich doch nicht, die Jrredenta in Schranken zu halten, um das freund¬
nachbarliche Verhältnis zu Oesterreich nicht zu stören. In Frankreich aber läßt
man, wie in Piemont bis 1866, Friedensschlüsse und Verträge als nicht bestehend
behandeln, während doch nicht zwischen Frankreich und Deutschland, wie damals
zwischen Italien und Oesterreich, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen sind.
Man kann darüber lachen, wenn in gelehrten Werken der Frankfurter Friede einfach
ignorirt wird, wie in der kunstgeschichtlichen Publikation über den Domschcch zu
Trier von den Herren L. Pnlustre und X. Barbier de Montault, wo Metz noch
heute zu Frankreich gehört: aber ob nun die Verfasser selbst zur Revanche schworen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198117"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_151"> Catcirina Palmeirim hätte nichts mehr zu erwiedern vermocht, auch wenn<lb/>
der rollende, hundertfach widerhallende Donner nicht jeden Laut verschlungen<lb/>
hätte. Der König sah, daß das junge Mädchen in äußerster Erschöpfung sich<lb/>
auf den Hals ihres Pferdes neigte, er hielt an und ließ das Gefolge näher<lb/>
kommen. Nach seinem Wink nahmen Miraflores und der alte Falkner das<lb/>
Pferd der Gräfin zwischen die ihrigen, der Stallmeister schoß dabei einen Blick<lb/>
auf den König, der klagend sein sollte und in Wahrheit ingrimmig zürnend war.<lb/>
Dom Sebastian achtete auf den Alten nicht, er sah nur auf die totbleiche<lb/>
Catcirina und trieb mit ungeduldigem Zuruf vorwärts. Und so jagte der<lb/>
Reitertrupp in wildester Hast durch die immer neu herabstürzenden Wettergüsse<lb/>
hindurch, dem Schlosse von Cintra entgegen, das jetzt, beim grellen Lichte der<lb/>
Blitze, auf Augenblicke aus der Dunkelheit hervortrat, um alsbald wieder, wie<lb/>
eine Fata Morgana, hinter dichtgeballten und wildzerflatterndem Gewölk zu<lb/>
versinken. (Fortsetzung folgt,)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Notizen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Revanche.</head>
            <p xml:id="ID_152" next="#ID_153"> So oft in Deutschland auf das Treiben der Revanchepartei in<lb/>
Frankreich und auf die Gefahren hingewiesen wird, welche dasselbe heraufbeschwören<lb/>
könnte, finden sich stets weise Politiker, welche die Reichsregierung in belehrendem<lb/>
oder tadelnden Tone über die gänzliche Bedeutungslosigkeit jener Agitationen auf¬<lb/>
klären. Es denke ja außer dem kaum zurechnungsfähigen Deronlede und seiner<lb/>
Gefolgschaft niemand in Frankreich daran, einen Krieg mit Deutschland vom Zaune<lb/>
zu breche», und wer die Dinge anders darstelle, gefährde selbst den der ganzen<lb/>
Welt so notwendigen Frieden. Daß die, die so sprechen, wirklich die Verhältnisse<lb/>
so schlecht kennen sollten, ist nicht anzunehmen; es kommt ihnen wohl im Geschäfts¬<lb/>
interesse die Beunruhigung ungelegen. Aber wenn in der That die Patriotenliga<lb/>
so einflußlos wäre und so allein stünde: ist es denn nicht bezeichnend genug, daß<lb/>
die französische Regierung nicht wagt oder nicht wagen mag, den Hetzern Schweigen<lb/>
zu gebieten? Blicken wir doch nach Italien! Die dortige Regierung, welche mehr,<lb/>
als den- Lande dienlich ist, unter dem Druck der sogenannten öffentlichen Meinung<lb/>
steht, scheut sich doch nicht, die Jrredenta in Schranken zu halten, um das freund¬<lb/>
nachbarliche Verhältnis zu Oesterreich nicht zu stören. In Frankreich aber läßt<lb/>
man, wie in Piemont bis 1866, Friedensschlüsse und Verträge als nicht bestehend<lb/>
behandeln, während doch nicht zwischen Frankreich und Deutschland, wie damals<lb/>
zwischen Italien und Oesterreich, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen sind.<lb/>
Man kann darüber lachen, wenn in gelehrten Werken der Frankfurter Friede einfach<lb/>
ignorirt wird, wie in der kunstgeschichtlichen Publikation über den Domschcch zu<lb/>
Trier von den Herren L. Pnlustre und X. Barbier de Montault, wo Metz noch<lb/>
heute zu Frankreich gehört: aber ob nun die Verfasser selbst zur Revanche schworen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Catcirina Palmeirim hätte nichts mehr zu erwiedern vermocht, auch wenn der rollende, hundertfach widerhallende Donner nicht jeden Laut verschlungen hätte. Der König sah, daß das junge Mädchen in äußerster Erschöpfung sich auf den Hals ihres Pferdes neigte, er hielt an und ließ das Gefolge näher kommen. Nach seinem Wink nahmen Miraflores und der alte Falkner das Pferd der Gräfin zwischen die ihrigen, der Stallmeister schoß dabei einen Blick auf den König, der klagend sein sollte und in Wahrheit ingrimmig zürnend war. Dom Sebastian achtete auf den Alten nicht, er sah nur auf die totbleiche Catcirina und trieb mit ungeduldigem Zuruf vorwärts. Und so jagte der Reitertrupp in wildester Hast durch die immer neu herabstürzenden Wettergüsse hindurch, dem Schlosse von Cintra entgegen, das jetzt, beim grellen Lichte der Blitze, auf Augenblicke aus der Dunkelheit hervortrat, um alsbald wieder, wie eine Fata Morgana, hinter dichtgeballten und wildzerflatterndem Gewölk zu versinken. (Fortsetzung folgt,) Notizen. Revanche. So oft in Deutschland auf das Treiben der Revanchepartei in Frankreich und auf die Gefahren hingewiesen wird, welche dasselbe heraufbeschwören könnte, finden sich stets weise Politiker, welche die Reichsregierung in belehrendem oder tadelnden Tone über die gänzliche Bedeutungslosigkeit jener Agitationen auf¬ klären. Es denke ja außer dem kaum zurechnungsfähigen Deronlede und seiner Gefolgschaft niemand in Frankreich daran, einen Krieg mit Deutschland vom Zaune zu breche», und wer die Dinge anders darstelle, gefährde selbst den der ganzen Welt so notwendigen Frieden. Daß die, die so sprechen, wirklich die Verhältnisse so schlecht kennen sollten, ist nicht anzunehmen; es kommt ihnen wohl im Geschäfts¬ interesse die Beunruhigung ungelegen. Aber wenn in der That die Patriotenliga so einflußlos wäre und so allein stünde: ist es denn nicht bezeichnend genug, daß die französische Regierung nicht wagt oder nicht wagen mag, den Hetzern Schweigen zu gebieten? Blicken wir doch nach Italien! Die dortige Regierung, welche mehr, als den- Lande dienlich ist, unter dem Druck der sogenannten öffentlichen Meinung steht, scheut sich doch nicht, die Jrredenta in Schranken zu halten, um das freund¬ nachbarliche Verhältnis zu Oesterreich nicht zu stören. In Frankreich aber läßt man, wie in Piemont bis 1866, Friedensschlüsse und Verträge als nicht bestehend behandeln, während doch nicht zwischen Frankreich und Deutschland, wie damals zwischen Italien und Oesterreich, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen sind. Man kann darüber lachen, wenn in gelehrten Werken der Frankfurter Friede einfach ignorirt wird, wie in der kunstgeschichtlichen Publikation über den Domschcch zu Trier von den Herren L. Pnlustre und X. Barbier de Montault, wo Metz noch heute zu Frankreich gehört: aber ob nun die Verfasser selbst zur Revanche schworen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/51
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/51>, abgerufen am 27.12.2024.