Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage. 2. meer den am Schlüsse unsers ersten Artikels geschilderten gespannten Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage. 2. meer den am Schlüsse unsers ersten Artikels geschilderten gespannten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195454"/> </div> <div n="1"> <head> Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage.<lb/> 2. </head><lb/> <p xml:id="ID_236" next="#ID_237"> meer den am Schlüsse unsers ersten Artikels geschilderten gespannten<lb/> Verhältnissen traf Alexander Burnes, der englische Agent, endlich,<lb/> im Dezember 1837, in Kabul ein, und einige Tage nachher hatte<lb/> er bei dem Emir in Baka Hissar, der Burg der Hauptstadt, eine<lb/> Audienz. Er begann damit, von den wohlwollenden Absichten<lb/> gegen Afghanistan zu sprechen, die England mit der Eröffnung der Schiff¬<lb/> fahrt anf dem Indus verfolge, und zu deren Förderung es Dose Muhammed<lb/> nunmehr einlade; die Bewegung des Handels, die das Laud einst wohlhabend<lb/> und glücklich gemacht habe, werde dann wiederkehren. Der Emir erwiederte,<lb/> sein Volk sei des Bürgerkrieges müde, er kenne die Vorteile der Ruhe und ge¬<lb/> denke die großmütiger und menschenfreundlichen Pläne der Gebieter Indiens in<lb/> jeder Weise zu unterstützen. Aber die Sikhs müßten vorher Peschawer räumen,<lb/> das ihnen von Schah Schudscha widerrechtlich abgetreten worden sei, und England<lb/> müsse Randschit Singh befehlen, dasselbe, da es ihn gefährde und friedliche<lb/> Zustände verhindere, zu verlassen. Burnes antwortete darauf nicht entschieden<lb/> ablehnend, empfing aber am 20. Januar 1838 von Kalkutta den Befehl, dem<lb/> Emir jede Hoffnung auf Peschawer zu benehmen. Randschit habe aus Rücksicht<lb/> auf sein altes Bündnis mit England seinen Kampf gegen Kabul aufgegeben.<lb/> Man werde sich aber bei ihm nicht mehr für dieses verwenden, und die Ruhe<lb/> in Afghanistan werde ein Ende nehme», wenn der Emir auf seiner Forderung<lb/> bestehe und mit andern Mächten Verbindungen unterhalte. Wolle derselbe Eng¬<lb/> lands Freund bleiben, so müsse er ihm allein vertrauen. „Seien Sie, so schließt<lb/> dieses folgenschwere Schreiben, auf Mittel zu sofortiger Herbeiführung des Frie¬<lb/> dens zwischen den Afghanen und den Sikhs bedacht, sonst werde ich in nächster<lb/> Zeit die Gesandtschaft in Kabul als zwecklos zurückberufen." Sowohl der In¬<lb/> halt als die gebieterische Form dieser Staatsschrift mußte den Baraksi-Fürsten<lb/> erbittern, und Burnes rüstete sich, als er erkannt hatte, daß künftig auf denselben<lb/> nicht mehr zu rechnen sei, zur Abreise, die am 26. April 1838 wirklich erfolgte.<lb/> In Kalkutta riet mau zu unverzüglicher Rüstung und möglichst baldigem Vor¬<lb/> gehen gegen die Afghanen, die Vorhut der Russen. Es geschah zu einer Zeit,<lb/> wo man noch nicht wußte, daß die Perser vor den Drohungen Englands die<lb/> Belagerung Herats aufgeben würden, und man rüstete sich daher, um nötigen¬<lb/> falls einem persisch-russischen Heere die Spitze bieten zu können. Das nächste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage.
2.
meer den am Schlüsse unsers ersten Artikels geschilderten gespannten
Verhältnissen traf Alexander Burnes, der englische Agent, endlich,
im Dezember 1837, in Kabul ein, und einige Tage nachher hatte
er bei dem Emir in Baka Hissar, der Burg der Hauptstadt, eine
Audienz. Er begann damit, von den wohlwollenden Absichten
gegen Afghanistan zu sprechen, die England mit der Eröffnung der Schiff¬
fahrt anf dem Indus verfolge, und zu deren Förderung es Dose Muhammed
nunmehr einlade; die Bewegung des Handels, die das Laud einst wohlhabend
und glücklich gemacht habe, werde dann wiederkehren. Der Emir erwiederte,
sein Volk sei des Bürgerkrieges müde, er kenne die Vorteile der Ruhe und ge¬
denke die großmütiger und menschenfreundlichen Pläne der Gebieter Indiens in
jeder Weise zu unterstützen. Aber die Sikhs müßten vorher Peschawer räumen,
das ihnen von Schah Schudscha widerrechtlich abgetreten worden sei, und England
müsse Randschit Singh befehlen, dasselbe, da es ihn gefährde und friedliche
Zustände verhindere, zu verlassen. Burnes antwortete darauf nicht entschieden
ablehnend, empfing aber am 20. Januar 1838 von Kalkutta den Befehl, dem
Emir jede Hoffnung auf Peschawer zu benehmen. Randschit habe aus Rücksicht
auf sein altes Bündnis mit England seinen Kampf gegen Kabul aufgegeben.
Man werde sich aber bei ihm nicht mehr für dieses verwenden, und die Ruhe
in Afghanistan werde ein Ende nehme», wenn der Emir auf seiner Forderung
bestehe und mit andern Mächten Verbindungen unterhalte. Wolle derselbe Eng¬
lands Freund bleiben, so müsse er ihm allein vertrauen. „Seien Sie, so schließt
dieses folgenschwere Schreiben, auf Mittel zu sofortiger Herbeiführung des Frie¬
dens zwischen den Afghanen und den Sikhs bedacht, sonst werde ich in nächster
Zeit die Gesandtschaft in Kabul als zwecklos zurückberufen." Sowohl der In¬
halt als die gebieterische Form dieser Staatsschrift mußte den Baraksi-Fürsten
erbittern, und Burnes rüstete sich, als er erkannt hatte, daß künftig auf denselben
nicht mehr zu rechnen sei, zur Abreise, die am 26. April 1838 wirklich erfolgte.
In Kalkutta riet mau zu unverzüglicher Rüstung und möglichst baldigem Vor¬
gehen gegen die Afghanen, die Vorhut der Russen. Es geschah zu einer Zeit,
wo man noch nicht wußte, daß die Perser vor den Drohungen Englands die
Belagerung Herats aufgeben würden, und man rüstete sich daher, um nötigen¬
falls einem persisch-russischen Heere die Spitze bieten zu können. Das nächste
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |