Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Die österreichischen Wahlen. an konkretem Material zu bilden und das Votum des Geschmackes abzugeben. L. U. Die österreichischen Wahlen. le sogenannte liberale Presse in Österreich und einige Gesinnungs¬ Grenzboten II. 188K. 80
Die österreichischen Wahlen. an konkretem Material zu bilden und das Votum des Geschmackes abzugeben. L. U. Die österreichischen Wahlen. le sogenannte liberale Presse in Österreich und einige Gesinnungs¬ Grenzboten II. 188K. 80
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0638" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196027"/> <fw type="header" place="top"> Die österreichischen Wahlen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2324" prev="#ID_2323"> an konkretem Material zu bilden und das Votum des Geschmackes abzugeben.<lb/> Denn auch wir hoffen, daß Sempers Wort Wahrheit behalten werde: „Kon¬<lb/> vention und Geschmack, das sind die beiden heilsamen Gegengewichte schranken¬<lb/> loser Freiheit in der Kunst."</p><lb/> <note type="byline"> L. U.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die österreichischen Wahlen.</head><lb/> <p xml:id="ID_2325" next="#ID_2326"> le sogenannte liberale Presse in Österreich und einige Gesinnungs¬<lb/> genossen außerhalb sind in großer Nnfregnng, weil mehrere<lb/> Wahlbezirke zur Abwechslung einmal nicht einen Juden zu ihrem<lb/> Vertreter im Reichsrat ernannt haben. Es giebt kaum ein<lb/> Schmähwort, welches den Wählern nicht angehängt würde. Der<lb/> fremde Zeitungsleser könnte glauben, daß gewisse Vorstädte Wiens fast nur von<lb/> Trunkenbolden und unmündigen Knaben bewohnt seien, von denen die letztern<lb/> merkwürdigerweise im Besitze des aktiven Wahlrechtes sein müßten. Sogar die<lb/> sonst nur bei den Tschechen beliebte Kornblumcndcnunziation wird vou „dentsch-<lb/> libernlen" Blättern nicht verschmäht. Und doch haben jene und noch verschiedne<lb/> andre Wahlen eine Seite, welche im allgemeinen interessanter und noch besonders<lb/> geeignet ist, die Journalistik zum Nachdenken anzuregen. Die „Antisemiten,"<lb/> die „Demokraten" und die „Jungdeutschen," welche im nächsten Reichsratc sitzen<lb/> werden, haben nämlich gar keine oder höchstens solche Blätter zur Verfügung,<lb/> welche wöchentlich oder in noch längeren Fristen erscheinen, nicht von Inseraten,<lb/> sondern kümmerlich vom Abonnement der Parteifreunde leben; diese Parteien<lb/> sind auch uicht in der Lage, große Summen für Wahlagitationen aufzuwenden.<lb/> Und dennoch haben sie über Gegner den Sieg davongetragen, welche, häufig<lb/> in einflußreichen Stellungen, sich der energischen Unterstützung aller weitver¬<lb/> breiteten Zeitungen zu erfreuen hatten. In so vielen Tausenden von Exemplaren<lb/> wurde täglich dem Wähler die Versicherung erteilt, er könne sich unendlich<lb/> glücklich schätzen, daß die altbewährteu Kämpen, die Säulen des Verfassungs-<lb/> lebcns, sich noch einmal herbeilassen wollten, ein Mandat zu übernehmen — die<lb/> Existenz von Gegenkandidaten wurde den meisten Lesern erst durch den Aus¬<lb/> gang der Wahlen bekannt. Unmöglich kann die „sechste Großmacht" verkennen,<lb/> daß sie es ist, welche die schwerste Niederlage erlitten hat; und wenn sie glaubt,<lb/> durch Schelten und Verdächtigen aller Menschen von unabhängiger Gesinnung</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 188K. 80</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0638]
Die österreichischen Wahlen.
an konkretem Material zu bilden und das Votum des Geschmackes abzugeben.
Denn auch wir hoffen, daß Sempers Wort Wahrheit behalten werde: „Kon¬
vention und Geschmack, das sind die beiden heilsamen Gegengewichte schranken¬
loser Freiheit in der Kunst."
L. U.
Die österreichischen Wahlen.
le sogenannte liberale Presse in Österreich und einige Gesinnungs¬
genossen außerhalb sind in großer Nnfregnng, weil mehrere
Wahlbezirke zur Abwechslung einmal nicht einen Juden zu ihrem
Vertreter im Reichsrat ernannt haben. Es giebt kaum ein
Schmähwort, welches den Wählern nicht angehängt würde. Der
fremde Zeitungsleser könnte glauben, daß gewisse Vorstädte Wiens fast nur von
Trunkenbolden und unmündigen Knaben bewohnt seien, von denen die letztern
merkwürdigerweise im Besitze des aktiven Wahlrechtes sein müßten. Sogar die
sonst nur bei den Tschechen beliebte Kornblumcndcnunziation wird vou „dentsch-
libernlen" Blättern nicht verschmäht. Und doch haben jene und noch verschiedne
andre Wahlen eine Seite, welche im allgemeinen interessanter und noch besonders
geeignet ist, die Journalistik zum Nachdenken anzuregen. Die „Antisemiten,"
die „Demokraten" und die „Jungdeutschen," welche im nächsten Reichsratc sitzen
werden, haben nämlich gar keine oder höchstens solche Blätter zur Verfügung,
welche wöchentlich oder in noch längeren Fristen erscheinen, nicht von Inseraten,
sondern kümmerlich vom Abonnement der Parteifreunde leben; diese Parteien
sind auch uicht in der Lage, große Summen für Wahlagitationen aufzuwenden.
Und dennoch haben sie über Gegner den Sieg davongetragen, welche, häufig
in einflußreichen Stellungen, sich der energischen Unterstützung aller weitver¬
breiteten Zeitungen zu erfreuen hatten. In so vielen Tausenden von Exemplaren
wurde täglich dem Wähler die Versicherung erteilt, er könne sich unendlich
glücklich schätzen, daß die altbewährteu Kämpen, die Säulen des Verfassungs-
lebcns, sich noch einmal herbeilassen wollten, ein Mandat zu übernehmen — die
Existenz von Gegenkandidaten wurde den meisten Lesern erst durch den Aus¬
gang der Wahlen bekannt. Unmöglich kann die „sechste Großmacht" verkennen,
daß sie es ist, welche die schwerste Niederlage erlitten hat; und wenn sie glaubt,
durch Schelten und Verdächtigen aller Menschen von unabhängiger Gesinnung
Grenzboten II. 188K. 80
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |