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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Das neue Königreich in Afrika.

er Kongostaat, von dem wir vor einiger Zeit als einem der
Vollendung nahen politischen Gebilde berichteten, ist nunmehr der
Form nach fertig: er hat seinen König und eine Regierung, Vor
etwa vier Wochen erhielt Leopold der Zweite, der den Grund
zum Bau desselben gelegt hat, in den belgischen Kammern zu seiner
Würde als Souverän des Kongolandes den verfassungsmäßigen Segen, einige
Tage später wünschte ihm eine Londoner Gesandtschaft, bestehend aus dem Lord-
mciyor und den Sheriffs der größten Handelsstadt der Welt, ehrfurchtsvoll Glück
dazu, und in letztvergangner Woche ernannte er für sein afrikanisches Reich ein
Ministerium, dem nur noch das Portefeuille der Justiz fehlt, was beiläufig be¬
greiflich erscheint, weil Gesetze und Richter noch zu schaffen und mit Autorität
zu versehen sind. Den Vorsitz, das Innere und das Kriegswesen hat Oberst
Strauch, bis dahin Präsident der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft, den
Handel van Eetvelde, bisher belgischer Generalkonsul in Bombay, die Finanzen
van Neuß, ein höherer Verwaltnngsbecnnter Belgiens, übernommen. Von Zu¬
ziehung einer beratenden Körperschaft ist selbstverständlich abgesehen worden, das
Ministerium wird nur nach Anweisung des Monarchen regieren. Wahrscheinlich
ist, daß Stanley zum Statthalter des Kongogebietes ernannt werden und daß
man ihm den gegenwärtigen belgischen Generalkonsul in Quebek, Camille Jcmssens,
als ersten Assistenten beigeben wird. Der Sitz der Regierung wird Brüssel sein,
und die Belgier, welche in die Dienste derselben treten, behalten ihre bisherige
Staatsangehörigkeit und werden, soweit sie belgische Beamte sind, nur zur
Disposition gestellt.

Die Gründung des Kongostaates ist ohne Zweifel eins der bedeutenderen
Ereignisse der Gegenwart, ja der Optimist kann in ihr einen Fortschritt der


Grenzboten II. 1885. 49


Das neue Königreich in Afrika.

er Kongostaat, von dem wir vor einiger Zeit als einem der
Vollendung nahen politischen Gebilde berichteten, ist nunmehr der
Form nach fertig: er hat seinen König und eine Regierung, Vor
etwa vier Wochen erhielt Leopold der Zweite, der den Grund
zum Bau desselben gelegt hat, in den belgischen Kammern zu seiner
Würde als Souverän des Kongolandes den verfassungsmäßigen Segen, einige
Tage später wünschte ihm eine Londoner Gesandtschaft, bestehend aus dem Lord-
mciyor und den Sheriffs der größten Handelsstadt der Welt, ehrfurchtsvoll Glück
dazu, und in letztvergangner Woche ernannte er für sein afrikanisches Reich ein
Ministerium, dem nur noch das Portefeuille der Justiz fehlt, was beiläufig be¬
greiflich erscheint, weil Gesetze und Richter noch zu schaffen und mit Autorität
zu versehen sind. Den Vorsitz, das Innere und das Kriegswesen hat Oberst
Strauch, bis dahin Präsident der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft, den
Handel van Eetvelde, bisher belgischer Generalkonsul in Bombay, die Finanzen
van Neuß, ein höherer Verwaltnngsbecnnter Belgiens, übernommen. Von Zu¬
ziehung einer beratenden Körperschaft ist selbstverständlich abgesehen worden, das
Ministerium wird nur nach Anweisung des Monarchen regieren. Wahrscheinlich
ist, daß Stanley zum Statthalter des Kongogebietes ernannt werden und daß
man ihm den gegenwärtigen belgischen Generalkonsul in Quebek, Camille Jcmssens,
als ersten Assistenten beigeben wird. Der Sitz der Regierung wird Brüssel sein,
und die Belgier, welche in die Dienste derselben treten, behalten ihre bisherige
Staatsangehörigkeit und werden, soweit sie belgische Beamte sind, nur zur
Disposition gestellt.

Die Gründung des Kongostaates ist ohne Zweifel eins der bedeutenderen
Ereignisse der Gegenwart, ja der Optimist kann in ihr einen Fortschritt der


Grenzboten II. 1885. 49
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[0390] [Abbildung] Das neue Königreich in Afrika. er Kongostaat, von dem wir vor einiger Zeit als einem der Vollendung nahen politischen Gebilde berichteten, ist nunmehr der Form nach fertig: er hat seinen König und eine Regierung, Vor etwa vier Wochen erhielt Leopold der Zweite, der den Grund zum Bau desselben gelegt hat, in den belgischen Kammern zu seiner Würde als Souverän des Kongolandes den verfassungsmäßigen Segen, einige Tage später wünschte ihm eine Londoner Gesandtschaft, bestehend aus dem Lord- mciyor und den Sheriffs der größten Handelsstadt der Welt, ehrfurchtsvoll Glück dazu, und in letztvergangner Woche ernannte er für sein afrikanisches Reich ein Ministerium, dem nur noch das Portefeuille der Justiz fehlt, was beiläufig be¬ greiflich erscheint, weil Gesetze und Richter noch zu schaffen und mit Autorität zu versehen sind. Den Vorsitz, das Innere und das Kriegswesen hat Oberst Strauch, bis dahin Präsident der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft, den Handel van Eetvelde, bisher belgischer Generalkonsul in Bombay, die Finanzen van Neuß, ein höherer Verwaltnngsbecnnter Belgiens, übernommen. Von Zu¬ ziehung einer beratenden Körperschaft ist selbstverständlich abgesehen worden, das Ministerium wird nur nach Anweisung des Monarchen regieren. Wahrscheinlich ist, daß Stanley zum Statthalter des Kongogebietes ernannt werden und daß man ihm den gegenwärtigen belgischen Generalkonsul in Quebek, Camille Jcmssens, als ersten Assistenten beigeben wird. Der Sitz der Regierung wird Brüssel sein, und die Belgier, welche in die Dienste derselben treten, behalten ihre bisherige Staatsangehörigkeit und werden, soweit sie belgische Beamte sind, nur zur Disposition gestellt. Die Gründung des Kongostaates ist ohne Zweifel eins der bedeutenderen Ereignisse der Gegenwart, ja der Optimist kann in ihr einen Fortschritt der Grenzboten II. 1885. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/390>, abgerufen am 22.07.2024.