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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Odium cum ctiZnit^es.

Während in Erlangen, Wilmersdorf und Schwabach die Technik verfiel, die
Reparatur und Verbesserung der Stühle stets zu wünschen übrig ließ, es an
der gehörigen Initiative tüchtiger Unternehmer fehlte, schritt man in Apolda
rüstig fort. Hierher verpflanzten die Verleger mit bedeutenden Geldopfern
die in England und Frankreich erfundenen Maschinen zur Fertigung des Stoffes
für allerlei neue Fabrikate, hier wurde die Plüschweberei entwickelt, hier stellte
man schon in den dreißiger Jahren einzelne Zirkularstühle auf, und das er¬
freuliche Resultat solcher Bestrebungen ist, daß die weimarische Regierung,
die schon im vorigen Jahrhundert die apoldische Fabrik als "ein wunderbar
Kleinod der weimarischen Lande" bezeichnete, dies mit noch mehr Recht heute
thun kann.

So möge denn der Handweberei, wo sie zur Zeit besteht, überall geholfen
werden, ehe es zu spät ist.




Odium cum diZnitÄte.

ach einem Ausspruche des Cartesius ist Verstand das am gerech¬
testen verteilte Gut, denn jeder hält den ans ihn gekommenen
Anteil für völlig ausreichend. Es ist daher kein müßiges Ge¬
schäft, von Zeit zu Zeit, wie es ja erst unlängst in hoffentlich
recht nachhaltiger Weise in ganz Deutschland geschehen ist, auf
hochbevorzugte Verstandeskräfte eines Einzelnen besonders aufmerksam zu machen
und vor aller Augen das glänzende Fazit einer richtigen Verwertung dieser
Kräfte zu ziehen, wobei sich zum Besten der Allgemeinheit mit Klarheit zu er¬
geben pflegt, daß wir doch keineswegs sämtlich bei jener Verteilung einen völlig
ausreichenden Anteil eingeheimst haben, eine Erkenntnis, die uns wiederum mit
Gefühlen der Dankbarkeit für die richtige, d. h. im Interesse der Menschheit
geschehene Verwertung solcher hochbevorzugten Verstandeskräfte Einzelner erfüllt.

Handelt es sich bei Beweisführungen dieser Art um weithin sichtbar ge¬
wordene Verdienste, so hat die Mehrzahl der Menschen sich im Laufe der Wirk¬
samkeit des Betreffenden schon einigermaßen zu dem Gedanken bequemt, daß
hier nicht bloß Geburt, Stellung oder Gelegenheit der Nährboden jener un¬
gewöhnlichen Leistungen gewesen sein können, sondern daß in Wirklichkeit bei
besagter Verteilung ein Unterschied zu gunsten des nun auf eine auszeichnende
Schützung Anspruch habenden stattfand.

Anders Verhalten wir uns zu Personen, deren Thätigkeit sich unsrer eignen
Anschauung nicht geradezu aufdrängte. Weder unsre Zeit noch unsre Kennt-


Grcnzboteii II. 1885, 25
Odium cum ctiZnit^es.

Während in Erlangen, Wilmersdorf und Schwabach die Technik verfiel, die
Reparatur und Verbesserung der Stühle stets zu wünschen übrig ließ, es an
der gehörigen Initiative tüchtiger Unternehmer fehlte, schritt man in Apolda
rüstig fort. Hierher verpflanzten die Verleger mit bedeutenden Geldopfern
die in England und Frankreich erfundenen Maschinen zur Fertigung des Stoffes
für allerlei neue Fabrikate, hier wurde die Plüschweberei entwickelt, hier stellte
man schon in den dreißiger Jahren einzelne Zirkularstühle auf, und das er¬
freuliche Resultat solcher Bestrebungen ist, daß die weimarische Regierung,
die schon im vorigen Jahrhundert die apoldische Fabrik als „ein wunderbar
Kleinod der weimarischen Lande" bezeichnete, dies mit noch mehr Recht heute
thun kann.

So möge denn der Handweberei, wo sie zur Zeit besteht, überall geholfen
werden, ehe es zu spät ist.




Odium cum diZnitÄte.

ach einem Ausspruche des Cartesius ist Verstand das am gerech¬
testen verteilte Gut, denn jeder hält den ans ihn gekommenen
Anteil für völlig ausreichend. Es ist daher kein müßiges Ge¬
schäft, von Zeit zu Zeit, wie es ja erst unlängst in hoffentlich
recht nachhaltiger Weise in ganz Deutschland geschehen ist, auf
hochbevorzugte Verstandeskräfte eines Einzelnen besonders aufmerksam zu machen
und vor aller Augen das glänzende Fazit einer richtigen Verwertung dieser
Kräfte zu ziehen, wobei sich zum Besten der Allgemeinheit mit Klarheit zu er¬
geben pflegt, daß wir doch keineswegs sämtlich bei jener Verteilung einen völlig
ausreichenden Anteil eingeheimst haben, eine Erkenntnis, die uns wiederum mit
Gefühlen der Dankbarkeit für die richtige, d. h. im Interesse der Menschheit
geschehene Verwertung solcher hochbevorzugten Verstandeskräfte Einzelner erfüllt.

Handelt es sich bei Beweisführungen dieser Art um weithin sichtbar ge¬
wordene Verdienste, so hat die Mehrzahl der Menschen sich im Laufe der Wirk¬
samkeit des Betreffenden schon einigermaßen zu dem Gedanken bequemt, daß
hier nicht bloß Geburt, Stellung oder Gelegenheit der Nährboden jener un¬
gewöhnlichen Leistungen gewesen sein können, sondern daß in Wirklichkeit bei
besagter Verteilung ein Unterschied zu gunsten des nun auf eine auszeichnende
Schützung Anspruch habenden stattfand.

Anders Verhalten wir uns zu Personen, deren Thätigkeit sich unsrer eignen
Anschauung nicht geradezu aufdrängte. Weder unsre Zeit noch unsre Kennt-


Grcnzboteii II. 1885, 25
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[0198] Odium cum ctiZnit^es. Während in Erlangen, Wilmersdorf und Schwabach die Technik verfiel, die Reparatur und Verbesserung der Stühle stets zu wünschen übrig ließ, es an der gehörigen Initiative tüchtiger Unternehmer fehlte, schritt man in Apolda rüstig fort. Hierher verpflanzten die Verleger mit bedeutenden Geldopfern die in England und Frankreich erfundenen Maschinen zur Fertigung des Stoffes für allerlei neue Fabrikate, hier wurde die Plüschweberei entwickelt, hier stellte man schon in den dreißiger Jahren einzelne Zirkularstühle auf, und das er¬ freuliche Resultat solcher Bestrebungen ist, daß die weimarische Regierung, die schon im vorigen Jahrhundert die apoldische Fabrik als „ein wunderbar Kleinod der weimarischen Lande" bezeichnete, dies mit noch mehr Recht heute thun kann. So möge denn der Handweberei, wo sie zur Zeit besteht, überall geholfen werden, ehe es zu spät ist. Odium cum diZnitÄte. ach einem Ausspruche des Cartesius ist Verstand das am gerech¬ testen verteilte Gut, denn jeder hält den ans ihn gekommenen Anteil für völlig ausreichend. Es ist daher kein müßiges Ge¬ schäft, von Zeit zu Zeit, wie es ja erst unlängst in hoffentlich recht nachhaltiger Weise in ganz Deutschland geschehen ist, auf hochbevorzugte Verstandeskräfte eines Einzelnen besonders aufmerksam zu machen und vor aller Augen das glänzende Fazit einer richtigen Verwertung dieser Kräfte zu ziehen, wobei sich zum Besten der Allgemeinheit mit Klarheit zu er¬ geben pflegt, daß wir doch keineswegs sämtlich bei jener Verteilung einen völlig ausreichenden Anteil eingeheimst haben, eine Erkenntnis, die uns wiederum mit Gefühlen der Dankbarkeit für die richtige, d. h. im Interesse der Menschheit geschehene Verwertung solcher hochbevorzugten Verstandeskräfte Einzelner erfüllt. Handelt es sich bei Beweisführungen dieser Art um weithin sichtbar ge¬ wordene Verdienste, so hat die Mehrzahl der Menschen sich im Laufe der Wirk¬ samkeit des Betreffenden schon einigermaßen zu dem Gedanken bequemt, daß hier nicht bloß Geburt, Stellung oder Gelegenheit der Nährboden jener un¬ gewöhnlichen Leistungen gewesen sein können, sondern daß in Wirklichkeit bei besagter Verteilung ein Unterschied zu gunsten des nun auf eine auszeichnende Schützung Anspruch habenden stattfand. Anders Verhalten wir uns zu Personen, deren Thätigkeit sich unsrer eignen Anschauung nicht geradezu aufdrängte. Weder unsre Zeit noch unsre Kennt- Grcnzboteii II. 1885, 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/198>, abgerufen am 22.07.2024.