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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause.

geblieben. Abdurrcichmcm blieb seitdem von den Parteien im Lande ziemlich
unangefochten, und von russischen Versuchen, ihn gegen Englands Interesse zu
gewinnen, ist wenigstens nichts in die Öffentlichkeit gedrungen. Er scheint mit
dem letzteren gehen zu wollen und hat bei der Zusammenkunft mit Lord Dufseriu,
dem jetzigen Vizekönige von Indien, die vor kurzem in Rank Pindi stattfand,
vermutlich dahin gerichtete Zusagen gegeben Ob er ganz zuverlässig i se und
ob er den Gegnern Englands gegenüber, die in Afghanistan zahlreich sind, auf
die Dauer können wird, was er dem Anscheine nach jetzt will, ist abzuwarten.
"Die Engländer können hier bald eine große Überraschung erleben," sagte uns
in diesen Tagen ein Kenner der Verhältnisse.




Die Lotteriesrage im preußischen Abgeordnetenhause.

eit langen Jahren war in der gesamten gebildeten Welt die
Meinung vorherrschend, daß das Lotteriespiel, wie jedes Glücks¬
spiel, an und für sich durchaus verwerflich sei. So wie in den
meisten außerdeutschen Kulturstaaten, wurden deshalb auch in
mehreren deutschen Ländern die vordem in ihnen bestehenden
Staatslotterien aufgehoben. Nur in einigen deutschen Ländern dauerten sie
fort. Auch diese Staatslotterien nahm die öffentliche Meinung von ihrem
verwerfenden Urteile nicht aus. Nur machte die Finanzlage der Staaten
deren Aufhebung schwierig. So auch in Preußen. Bereits im vereinigten
Landtage von 1847 kam die Angelegenheit zur Sprache, und es war namentlich
der Abgeordnete (später Finanzminister) von der Heydt, welcher streng ver¬
urteilende Worte gegen die Staatslotterien sprach. Aber damals sowohl als
im Jahre 1856 ward ein auf Beseitigung der Lotterie gerichteter Antrag von
der Mehrheit abgelehnt, ohne Zweifel deshalb, weil die Regierung das Ein¬
kommen aus ihr für unentbehrlich erklärte. Mit den Veränderungen des
Jahres 1866 schien dieser Grund hinfällig geworden zu sein. Einem Versuche
der Staatsregierung, die in Hannover bestehende Staatslvtterie mit Rücksicht
auf die zahlreichen dort vorhandenen Lotterie-Kollekteure -- etwa 430 -- vorerst
noch aufrecht zu erhalten, trat ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom 6. De¬
zember 1867 entgegen. Gleichzeitig stellten der Abgeordnete Lauenstein und
der Abgeordnete Dr. Becker (jetzt Oberbürgermeister von Köln) übereinstimmend
einen Antrag auf baldigste Aufhebung der preußischen Staatslotterie überhaupt.


Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause.

geblieben. Abdurrcichmcm blieb seitdem von den Parteien im Lande ziemlich
unangefochten, und von russischen Versuchen, ihn gegen Englands Interesse zu
gewinnen, ist wenigstens nichts in die Öffentlichkeit gedrungen. Er scheint mit
dem letzteren gehen zu wollen und hat bei der Zusammenkunft mit Lord Dufseriu,
dem jetzigen Vizekönige von Indien, die vor kurzem in Rank Pindi stattfand,
vermutlich dahin gerichtete Zusagen gegeben Ob er ganz zuverlässig i se und
ob er den Gegnern Englands gegenüber, die in Afghanistan zahlreich sind, auf
die Dauer können wird, was er dem Anscheine nach jetzt will, ist abzuwarten.
„Die Engländer können hier bald eine große Überraschung erleben," sagte uns
in diesen Tagen ein Kenner der Verhältnisse.




Die Lotteriesrage im preußischen Abgeordnetenhause.

eit langen Jahren war in der gesamten gebildeten Welt die
Meinung vorherrschend, daß das Lotteriespiel, wie jedes Glücks¬
spiel, an und für sich durchaus verwerflich sei. So wie in den
meisten außerdeutschen Kulturstaaten, wurden deshalb auch in
mehreren deutschen Ländern die vordem in ihnen bestehenden
Staatslotterien aufgehoben. Nur in einigen deutschen Ländern dauerten sie
fort. Auch diese Staatslotterien nahm die öffentliche Meinung von ihrem
verwerfenden Urteile nicht aus. Nur machte die Finanzlage der Staaten
deren Aufhebung schwierig. So auch in Preußen. Bereits im vereinigten
Landtage von 1847 kam die Angelegenheit zur Sprache, und es war namentlich
der Abgeordnete (später Finanzminister) von der Heydt, welcher streng ver¬
urteilende Worte gegen die Staatslotterien sprach. Aber damals sowohl als
im Jahre 1856 ward ein auf Beseitigung der Lotterie gerichteter Antrag von
der Mehrheit abgelehnt, ohne Zweifel deshalb, weil die Regierung das Ein¬
kommen aus ihr für unentbehrlich erklärte. Mit den Veränderungen des
Jahres 1866 schien dieser Grund hinfällig geworden zu sein. Einem Versuche
der Staatsregierung, die in Hannover bestehende Staatslvtterie mit Rücksicht
auf die zahlreichen dort vorhandenen Lotterie-Kollekteure — etwa 430 — vorerst
noch aufrecht zu erhalten, trat ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom 6. De¬
zember 1867 entgegen. Gleichzeitig stellten der Abgeordnete Lauenstein und
der Abgeordnete Dr. Becker (jetzt Oberbürgermeister von Köln) übereinstimmend
einen Antrag auf baldigste Aufhebung der preußischen Staatslotterie überhaupt.


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[0124] Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause. geblieben. Abdurrcichmcm blieb seitdem von den Parteien im Lande ziemlich unangefochten, und von russischen Versuchen, ihn gegen Englands Interesse zu gewinnen, ist wenigstens nichts in die Öffentlichkeit gedrungen. Er scheint mit dem letzteren gehen zu wollen und hat bei der Zusammenkunft mit Lord Dufseriu, dem jetzigen Vizekönige von Indien, die vor kurzem in Rank Pindi stattfand, vermutlich dahin gerichtete Zusagen gegeben Ob er ganz zuverlässig i se und ob er den Gegnern Englands gegenüber, die in Afghanistan zahlreich sind, auf die Dauer können wird, was er dem Anscheine nach jetzt will, ist abzuwarten. „Die Engländer können hier bald eine große Überraschung erleben," sagte uns in diesen Tagen ein Kenner der Verhältnisse. Die Lotteriesrage im preußischen Abgeordnetenhause. eit langen Jahren war in der gesamten gebildeten Welt die Meinung vorherrschend, daß das Lotteriespiel, wie jedes Glücks¬ spiel, an und für sich durchaus verwerflich sei. So wie in den meisten außerdeutschen Kulturstaaten, wurden deshalb auch in mehreren deutschen Ländern die vordem in ihnen bestehenden Staatslotterien aufgehoben. Nur in einigen deutschen Ländern dauerten sie fort. Auch diese Staatslotterien nahm die öffentliche Meinung von ihrem verwerfenden Urteile nicht aus. Nur machte die Finanzlage der Staaten deren Aufhebung schwierig. So auch in Preußen. Bereits im vereinigten Landtage von 1847 kam die Angelegenheit zur Sprache, und es war namentlich der Abgeordnete (später Finanzminister) von der Heydt, welcher streng ver¬ urteilende Worte gegen die Staatslotterien sprach. Aber damals sowohl als im Jahre 1856 ward ein auf Beseitigung der Lotterie gerichteter Antrag von der Mehrheit abgelehnt, ohne Zweifel deshalb, weil die Regierung das Ein¬ kommen aus ihr für unentbehrlich erklärte. Mit den Veränderungen des Jahres 1866 schien dieser Grund hinfällig geworden zu sein. Einem Versuche der Staatsregierung, die in Hannover bestehende Staatslvtterie mit Rücksicht auf die zahlreichen dort vorhandenen Lotterie-Kollekteure — etwa 430 — vorerst noch aufrecht zu erhalten, trat ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom 6. De¬ zember 1867 entgegen. Gleichzeitig stellten der Abgeordnete Lauenstein und der Abgeordnete Dr. Becker (jetzt Oberbürgermeister von Köln) übereinstimmend einen Antrag auf baldigste Aufhebung der preußischen Staatslotterie überhaupt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/124>, abgerufen am 22.07.2024.