Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage. 3- und in der letzten Periode der Regierung Dose Muhammeds trat Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage. 3- und in der letzten Periode der Regierung Dose Muhammeds trat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195503"/> </div> <div n="1"> <head> Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage.<lb/> 3- </head><lb/> <p xml:id="ID_418" next="#ID_419"> und in der letzten Periode der Regierung Dose Muhammeds trat<lb/> in Rußland der Plan eines Angriffs ans das augloindischc Reich<lb/> über Persien und Afghanistan in den Vordergrund, und ein<lb/> Bündnis mit letzterem wurde empfohlen und abzuschließen ver¬<lb/> sucht. Während des Krimkrieges überreichte der frühere russische<lb/> Gesandte in Teheran Duhamel, jetzt Mitglied des Senats in Petersburg, dem<lb/> Kaiser Nikolaus eine Denkschrift, die, vom 14, Juni 1854 datirt, jenen Angriff<lb/> lebhaft befürwortete und die Maßregeln behandelte, welche zu treffe» sein<lb/> winden, wenn ein Feldzug der Russen uach Indien von Erfolg sein sollte. Der<lb/> jetzige Krieg, so hieß es darin, lege Rußland die Pflicht auf, zu erwägen, wie<lb/> es England an seinem empfindlichsten Punkte treffen oder es doch zu einer<lb/> Truppenkouzentrativn in Asien nötigen könne, welche seine Aktion in Europa<lb/> zu lahmen geeignet sei. Alle Eroberer Indiens seien von Zentralasien und<lb/> Persien gekommen, und die Wege, die Alexander der Große, die Ghasnaviden,<lb/> Dschingis Chan, Timur, Sultan Baber und zuletzt Nadir Schah gewählt,<lb/> stünden den Russen auch jetzt zu Gebote; sie gingen, gleichviel, ob sie vom<lb/> Ann Darga oder von Persien her ihren Ausgang nähmen, sämtlich auf Afgha-<lb/> nistan, wo Kandahar und Kabul als die Thore zum Pendschab zu betrachten<lb/> seien. Der Verfasser bespricht dann zunächst die Straßen, die durch Persien<lb/> und durch die Turkmeneuläuder nach Afghanistan führen, und fährt dann fort,<lb/> der beste Weg von den dreien, die man von hier nach dem Indus einschlagen<lb/> könne, sei der von Kabul über Dschellalabad und Peschawer nach Attok. Hier<lb/> werde die direkte Straße nach Lahors und Delhi, das Hauptziel des Angriffs,<lb/> erreicht, die muslimische Bevölkerung in Bewegung gesetzt und der Aufstand ins<lb/> Herz der britischen Besitzungen getragen, und hier biete sich zuvörderst für die<lb/> Afghanen verlockende Aussicht auf Landerwerb. Gelinge es, weiterhin auch die<lb/> Sikhs zu Teilnehmern an der Invasion zu gewinnen, umso besser, entscheidend<lb/> aber sei das Bündnis mit den Afghanen, welches deshalb ohne Verzug ange¬<lb/> bahnt werden müsse. Um die englische Macht in Indien niederzuwerfen oder<lb/> doch stark zu erschüttern, genüge ein nur mäßiges russisches Heer; denn um<lb/> dasselbe würden sich bald alle von England geknechteten Völkerschaften schaaren.<lb/> Eine andre, dem Zaren im Angust übergebene Denkschrift, die von einem uns<lb/> unbekannten russischen Verfasser herrührte, ergänzte diese Darlegung mit Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Beiträge zum Verständnis der mittelasiatischen Frage.
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und in der letzten Periode der Regierung Dose Muhammeds trat
in Rußland der Plan eines Angriffs ans das augloindischc Reich
über Persien und Afghanistan in den Vordergrund, und ein
Bündnis mit letzterem wurde empfohlen und abzuschließen ver¬
sucht. Während des Krimkrieges überreichte der frühere russische
Gesandte in Teheran Duhamel, jetzt Mitglied des Senats in Petersburg, dem
Kaiser Nikolaus eine Denkschrift, die, vom 14, Juni 1854 datirt, jenen Angriff
lebhaft befürwortete und die Maßregeln behandelte, welche zu treffe» sein
winden, wenn ein Feldzug der Russen uach Indien von Erfolg sein sollte. Der
jetzige Krieg, so hieß es darin, lege Rußland die Pflicht auf, zu erwägen, wie
es England an seinem empfindlichsten Punkte treffen oder es doch zu einer
Truppenkouzentrativn in Asien nötigen könne, welche seine Aktion in Europa
zu lahmen geeignet sei. Alle Eroberer Indiens seien von Zentralasien und
Persien gekommen, und die Wege, die Alexander der Große, die Ghasnaviden,
Dschingis Chan, Timur, Sultan Baber und zuletzt Nadir Schah gewählt,
stünden den Russen auch jetzt zu Gebote; sie gingen, gleichviel, ob sie vom
Ann Darga oder von Persien her ihren Ausgang nähmen, sämtlich auf Afgha-
nistan, wo Kandahar und Kabul als die Thore zum Pendschab zu betrachten
seien. Der Verfasser bespricht dann zunächst die Straßen, die durch Persien
und durch die Turkmeneuläuder nach Afghanistan führen, und fährt dann fort,
der beste Weg von den dreien, die man von hier nach dem Indus einschlagen
könne, sei der von Kabul über Dschellalabad und Peschawer nach Attok. Hier
werde die direkte Straße nach Lahors und Delhi, das Hauptziel des Angriffs,
erreicht, die muslimische Bevölkerung in Bewegung gesetzt und der Aufstand ins
Herz der britischen Besitzungen getragen, und hier biete sich zuvörderst für die
Afghanen verlockende Aussicht auf Landerwerb. Gelinge es, weiterhin auch die
Sikhs zu Teilnehmern an der Invasion zu gewinnen, umso besser, entscheidend
aber sei das Bündnis mit den Afghanen, welches deshalb ohne Verzug ange¬
bahnt werden müsse. Um die englische Macht in Indien niederzuwerfen oder
doch stark zu erschüttern, genüge ein nur mäßiges russisches Heer; denn um
dasselbe würden sich bald alle von England geknechteten Völkerschaften schaaren.
Eine andre, dem Zaren im Angust übergebene Denkschrift, die von einem uns
unbekannten russischen Verfasser herrührte, ergänzte diese Darlegung mit Be-
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