Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

allegorische Bedeutung suche". Sie ist vielmehr ein reines Genrebild, und die
in der Luft herumschwebeuden Amoretten sollen nur auf die galante Unterhaltung
deuten, welche zwischen den Kavalieren und ihren Damen gepflogen wird, wie
denn auch Rubens selbst diese Bilder oouversMö 51a moäv genannt hat. Im Gegen¬
satz zu jenen rohen Äußerungen elementarischer Triebe wird hier die gesittete
Art des Verkehrs geschildert, welche in den vornehmen Ständen herrscht, denen
Rubens selbst angehörte, und wie er dort zu dem vollendeten Ausdruck des
Gesehenen kam, so-feiert hier die Feinheit seiner Charakterisirungskunst und die
Noblesse seiner Auffassung einen hohen Triumph, während sich zugleich seine
malerische Virtuosität in der Wiedergabe glänzender Atlas- und Seidenstoffe,
prunkvoller Sammetgewänder und kostbarer Spitzenkragen erschöpft. So hat
Rubens auch auf dem Gebiete des feineren Genrebildes den späteren hollän¬
dischen Sitteumalcrn, einem Dirk Hals, einem Palamedes, einem Terborch,
Netscher und Metsu ihre besten Wirkungen und Erfolge vorweggenommen.




Zur deutschen und zur Österreichischen Hrage.

on zwei Münchener Professoren sind uns fast gleichzeitig Äuße¬
rungen über die deutsche Frage zugekommen. Giebt es denn noch
eine deutsche Frage? Nach dem Dafürhalten gewöhnlicher Sterb¬
lichen hat Deutschland wohl keinen Mangel an Fragen, aber die
sogenannte deutsche Frage, um welche einst so viel Tinte und dann
so viel Blut verspritzt wurde, ist eben dadurch erledigt und abgethan, daß wieder
ein Deutschland dasteht. Dieser Ansicht ist auch der eine vou den Professoren,
der zweite dagegen hat den alten Gegensatz "Klcindeutsch und Großdeutsch" noch
nicht überwunden, nur daß er für den letzteren Ausdruck "deutsches Gesamt-
bewußtsein" setzt. Professor Brinz, oder richtiger von Brinz (das Adels¬
diplom hat er sich, wenn wir nicht irren, aus Österreich mitgebracht) fand es
vor einiger Zeit angemessen, einem wegen Beleidigung einer hohen Person
verurteilten Demokraten mit Ostentation die Hand zu drücken; nun veranlassen
ihn wieder paradoxe Behauptungen Ed. von Hartmanns, zu verkünden, "daß
je engherziger, ja herzloser sich ein gewisses klcindeutsches Wesen zeigt, desto
sicherer das deutsche Gesamtbewußtsein wieder aufleben werde." Es ist nicht
notwendig, ausdrücklich zu betonen, daß wir nicht gewillt sind, uns den Satz
anzueignen, daß das Deutschtum in Österreich unrettbar verloren, und noch


allegorische Bedeutung suche». Sie ist vielmehr ein reines Genrebild, und die
in der Luft herumschwebeuden Amoretten sollen nur auf die galante Unterhaltung
deuten, welche zwischen den Kavalieren und ihren Damen gepflogen wird, wie
denn auch Rubens selbst diese Bilder oouversMö 51a moäv genannt hat. Im Gegen¬
satz zu jenen rohen Äußerungen elementarischer Triebe wird hier die gesittete
Art des Verkehrs geschildert, welche in den vornehmen Ständen herrscht, denen
Rubens selbst angehörte, und wie er dort zu dem vollendeten Ausdruck des
Gesehenen kam, so-feiert hier die Feinheit seiner Charakterisirungskunst und die
Noblesse seiner Auffassung einen hohen Triumph, während sich zugleich seine
malerische Virtuosität in der Wiedergabe glänzender Atlas- und Seidenstoffe,
prunkvoller Sammetgewänder und kostbarer Spitzenkragen erschöpft. So hat
Rubens auch auf dem Gebiete des feineren Genrebildes den späteren hollän¬
dischen Sitteumalcrn, einem Dirk Hals, einem Palamedes, einem Terborch,
Netscher und Metsu ihre besten Wirkungen und Erfolge vorweggenommen.




Zur deutschen und zur Österreichischen Hrage.

on zwei Münchener Professoren sind uns fast gleichzeitig Äuße¬
rungen über die deutsche Frage zugekommen. Giebt es denn noch
eine deutsche Frage? Nach dem Dafürhalten gewöhnlicher Sterb¬
lichen hat Deutschland wohl keinen Mangel an Fragen, aber die
sogenannte deutsche Frage, um welche einst so viel Tinte und dann
so viel Blut verspritzt wurde, ist eben dadurch erledigt und abgethan, daß wieder
ein Deutschland dasteht. Dieser Ansicht ist auch der eine vou den Professoren,
der zweite dagegen hat den alten Gegensatz „Klcindeutsch und Großdeutsch" noch
nicht überwunden, nur daß er für den letzteren Ausdruck „deutsches Gesamt-
bewußtsein" setzt. Professor Brinz, oder richtiger von Brinz (das Adels¬
diplom hat er sich, wenn wir nicht irren, aus Österreich mitgebracht) fand es
vor einiger Zeit angemessen, einem wegen Beleidigung einer hohen Person
verurteilten Demokraten mit Ostentation die Hand zu drücken; nun veranlassen
ihn wieder paradoxe Behauptungen Ed. von Hartmanns, zu verkünden, „daß
je engherziger, ja herzloser sich ein gewisses klcindeutsches Wesen zeigt, desto
sicherer das deutsche Gesamtbewußtsein wieder aufleben werde." Es ist nicht
notwendig, ausdrücklich zu betonen, daß wir nicht gewillt sind, uns den Satz
anzueignen, daß das Deutschtum in Österreich unrettbar verloren, und noch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0692" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195368"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2655" prev="#ID_2654"> allegorische Bedeutung suche». Sie ist vielmehr ein reines Genrebild, und die<lb/>
in der Luft herumschwebeuden Amoretten sollen nur auf die galante Unterhaltung<lb/>
deuten, welche zwischen den Kavalieren und ihren Damen gepflogen wird, wie<lb/>
denn auch Rubens selbst diese Bilder oouversMö 51a moäv genannt hat. Im Gegen¬<lb/>
satz zu jenen rohen Äußerungen elementarischer Triebe wird hier die gesittete<lb/>
Art des Verkehrs geschildert, welche in den vornehmen Ständen herrscht, denen<lb/>
Rubens selbst angehörte, und wie er dort zu dem vollendeten Ausdruck des<lb/>
Gesehenen kam, so-feiert hier die Feinheit seiner Charakterisirungskunst und die<lb/>
Noblesse seiner Auffassung einen hohen Triumph, während sich zugleich seine<lb/>
malerische Virtuosität in der Wiedergabe glänzender Atlas- und Seidenstoffe,<lb/>
prunkvoller Sammetgewänder und kostbarer Spitzenkragen erschöpft. So hat<lb/>
Rubens auch auf dem Gebiete des feineren Genrebildes den späteren hollän¬<lb/>
dischen Sitteumalcrn, einem Dirk Hals, einem Palamedes, einem Terborch,<lb/>
Netscher und Metsu ihre besten Wirkungen und Erfolge vorweggenommen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur deutschen und zur Österreichischen Hrage.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2656" next="#ID_2657"> on zwei Münchener Professoren sind uns fast gleichzeitig Äuße¬<lb/>
rungen über die deutsche Frage zugekommen. Giebt es denn noch<lb/>
eine deutsche Frage? Nach dem Dafürhalten gewöhnlicher Sterb¬<lb/>
lichen hat Deutschland wohl keinen Mangel an Fragen, aber die<lb/>
sogenannte deutsche Frage, um welche einst so viel Tinte und dann<lb/>
so viel Blut verspritzt wurde, ist eben dadurch erledigt und abgethan, daß wieder<lb/>
ein Deutschland dasteht. Dieser Ansicht ist auch der eine vou den Professoren,<lb/>
der zweite dagegen hat den alten Gegensatz &#x201E;Klcindeutsch und Großdeutsch" noch<lb/>
nicht überwunden, nur daß er für den letzteren Ausdruck &#x201E;deutsches Gesamt-<lb/>
bewußtsein" setzt. Professor Brinz, oder richtiger von Brinz (das Adels¬<lb/>
diplom hat er sich, wenn wir nicht irren, aus Österreich mitgebracht) fand es<lb/>
vor einiger Zeit angemessen, einem wegen Beleidigung einer hohen Person<lb/>
verurteilten Demokraten mit Ostentation die Hand zu drücken; nun veranlassen<lb/>
ihn wieder paradoxe Behauptungen Ed. von Hartmanns, zu verkünden, &#x201E;daß<lb/>
je engherziger, ja herzloser sich ein gewisses klcindeutsches Wesen zeigt, desto<lb/>
sicherer das deutsche Gesamtbewußtsein wieder aufleben werde." Es ist nicht<lb/>
notwendig, ausdrücklich zu betonen, daß wir nicht gewillt sind, uns den Satz<lb/>
anzueignen, daß das Deutschtum in Österreich unrettbar verloren, und noch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0692] allegorische Bedeutung suche». Sie ist vielmehr ein reines Genrebild, und die in der Luft herumschwebeuden Amoretten sollen nur auf die galante Unterhaltung deuten, welche zwischen den Kavalieren und ihren Damen gepflogen wird, wie denn auch Rubens selbst diese Bilder oouversMö 51a moäv genannt hat. Im Gegen¬ satz zu jenen rohen Äußerungen elementarischer Triebe wird hier die gesittete Art des Verkehrs geschildert, welche in den vornehmen Ständen herrscht, denen Rubens selbst angehörte, und wie er dort zu dem vollendeten Ausdruck des Gesehenen kam, so-feiert hier die Feinheit seiner Charakterisirungskunst und die Noblesse seiner Auffassung einen hohen Triumph, während sich zugleich seine malerische Virtuosität in der Wiedergabe glänzender Atlas- und Seidenstoffe, prunkvoller Sammetgewänder und kostbarer Spitzenkragen erschöpft. So hat Rubens auch auf dem Gebiete des feineren Genrebildes den späteren hollän¬ dischen Sitteumalcrn, einem Dirk Hals, einem Palamedes, einem Terborch, Netscher und Metsu ihre besten Wirkungen und Erfolge vorweggenommen. Zur deutschen und zur Österreichischen Hrage. on zwei Münchener Professoren sind uns fast gleichzeitig Äuße¬ rungen über die deutsche Frage zugekommen. Giebt es denn noch eine deutsche Frage? Nach dem Dafürhalten gewöhnlicher Sterb¬ lichen hat Deutschland wohl keinen Mangel an Fragen, aber die sogenannte deutsche Frage, um welche einst so viel Tinte und dann so viel Blut verspritzt wurde, ist eben dadurch erledigt und abgethan, daß wieder ein Deutschland dasteht. Dieser Ansicht ist auch der eine vou den Professoren, der zweite dagegen hat den alten Gegensatz „Klcindeutsch und Großdeutsch" noch nicht überwunden, nur daß er für den letzteren Ausdruck „deutsches Gesamt- bewußtsein" setzt. Professor Brinz, oder richtiger von Brinz (das Adels¬ diplom hat er sich, wenn wir nicht irren, aus Österreich mitgebracht) fand es vor einiger Zeit angemessen, einem wegen Beleidigung einer hohen Person verurteilten Demokraten mit Ostentation die Hand zu drücken; nun veranlassen ihn wieder paradoxe Behauptungen Ed. von Hartmanns, zu verkünden, „daß je engherziger, ja herzloser sich ein gewisses klcindeutsches Wesen zeigt, desto sicherer das deutsche Gesamtbewußtsein wieder aufleben werde." Es ist nicht notwendig, ausdrücklich zu betonen, daß wir nicht gewillt sind, uns den Satz anzueignen, daß das Deutschtum in Österreich unrettbar verloren, und noch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/692
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/692>, abgerufen am 12.11.2024.