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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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persönlich im Jahre 1848 das Reich gerettet, wird folgender Ausspruch des da¬
maligen Kmnmandirenden in Innsbruck vom 6. April des genannten Jahres etwas
unangenehm klingen: "Die Einwohner der südlichen Teile, als italienisch, sind ganz
in der revolutionären Stimmung wie Italien, und die Leute in deu andern Teilen
Tirols sind ohne irgendwelchen guten Willen, etwas für die Regierung zu thu",
die, wie sie sagen, nichts für sie gethan. Als jüngst die Schtttzendeputationen für
das Laud Tirol aufgefordert wurden, war ihre erste Frage, wie viel der Mann
täglich bekäme, und ihre erste Erklärung, sie würden sich schlagen, wenn der Feind
vor ihrer Thüre wäre, das andre ginge sie nichts an." Und der das schrieb, war
der General Melden! Von Haynau wird erzählt, daß er, um 28. Juli 1848 zum
Kommandanten des dritten Armeekorps ernannt, um Auszahlung der Tafelgelder
für den ganzen Monat Juli ansuchte, was Radetzky natürlich ablehnte. Im März
1849, als die Dinge in Ungarn sehr übel standen und mau dort kaum schon
etwas von dem Siege bei Novara Nüssen konnte, fand die Militärbehörde zu Gnus
noch Muße, dem Zivil- und Militärgouverneur nach Wien zu melden, ein prote¬
stantischer Prediger in Basel habe die Sendung einiger Bibeln mit den Apokryphen
für Vliland und Se. Ruprecht angekündigt, und Melden verfügte, die Bibeln seien
vorläufig in Verwahrung zu behalte". Wolf vermutet wohl richtig, daß den Herren
die Apokryphen bedenklich gewesen seien, weil sie nicht gewußt hätten, was das sei.
Um dieselbe Zeit, am 24. Mnrz, soll Viktor Emanuel in einer Zusammenkunft
mit Radetzky seinen festen Willen erklärt haben, der demokratischen Umsturzpartei,
die seineu Vater ins Unglück gestürzt habe, Meister zu werden. Um das durch¬
führen zu können, bedürfe er der Zeit und der guten Stimmung in der Armee
und im Volke, und deshalb möge Radetzky von der Besetzung ganz Alessandrias
nebst der Zitadelle abstehen. In der Nacht vorher war Karl Albert ans der
Flucht und incognito bei dem Feldmarschall-Leutnant Grafen Thurm gewesen und
hatte erklärt, der Krieg sei in sehr unnützer Weise von Zeitungsschreibern und
Demokraten herbeigeführt worden. In welcher Art noch 1852 die Kriegsgerichte
in Wien verfuhren, hatte der Verfasser selbst zu erleben, wie S. 112--119 um-
ständlich erzählt wird. Als Haftgenvsseu halte er einmal einen Wiener Bürger,
der beim Kartenspiel gesagt hatte: "Wir brauchen keinen König," wodurch er
republikattischer Gesininmg verdächtig geworden war.

Geschrieben ist das Buch in einem Stil, der zu verraten scheint, daß die be¬
rühmte "Versöhnung der Nationalitäten" wenigstens ans dein Felde der Sprache
tund natürlich auf Kosten des Deutschen) Fortschritte macht. Abgesehen von Flüchtig¬
keiten wie: "daß Zeitschriften . . . aufgelegt werden durften, um sich weiter aus-
zubilden," sind wahre Ungeheuer der Satzbildung garnicht selten. Z. B. "In¬
zwischen machte jedoch der Kommandirende von Wien, Graf Auersperg, am
12. Oktober Radetzky darauf aufmerksam, daß bei dem Umstände, da dermalen
kein ordentliches Kriegsministerium besteht und das diesfällige Portefeuille nur
provisorisch dein Finanzminister Krauß übertragen sei, mit dein natürlich nnr
Gegenstände administrativer Natur verhandelt werden können, so möge Ra¬
detzky u. s. w."


Zur Geschichte von Schöllbrunn. Studien von Ul-, Jos. Dernjaö. Wien. Holder.

Diese Schrift hat uns die alte Anekdote von einem Professor der Medizin
iii die Erinnerung gerufen, welcher lang und breit irgendeine krankhafte Erscheinung
der menschlichen Haut besprach, um damit zu schließe", man müsse sie sich selbst über¬
lassen, da sie schnell und ohne nachteilige Folgen wieder verschwinde. Dr. I. Dernjciö


persönlich im Jahre 1848 das Reich gerettet, wird folgender Ausspruch des da¬
maligen Kmnmandirenden in Innsbruck vom 6. April des genannten Jahres etwas
unangenehm klingen: „Die Einwohner der südlichen Teile, als italienisch, sind ganz
in der revolutionären Stimmung wie Italien, und die Leute in deu andern Teilen
Tirols sind ohne irgendwelchen guten Willen, etwas für die Regierung zu thu»,
die, wie sie sagen, nichts für sie gethan. Als jüngst die Schtttzendeputationen für
das Laud Tirol aufgefordert wurden, war ihre erste Frage, wie viel der Mann
täglich bekäme, und ihre erste Erklärung, sie würden sich schlagen, wenn der Feind
vor ihrer Thüre wäre, das andre ginge sie nichts an." Und der das schrieb, war
der General Melden! Von Haynau wird erzählt, daß er, um 28. Juli 1848 zum
Kommandanten des dritten Armeekorps ernannt, um Auszahlung der Tafelgelder
für den ganzen Monat Juli ansuchte, was Radetzky natürlich ablehnte. Im März
1849, als die Dinge in Ungarn sehr übel standen und mau dort kaum schon
etwas von dem Siege bei Novara Nüssen konnte, fand die Militärbehörde zu Gnus
noch Muße, dem Zivil- und Militärgouverneur nach Wien zu melden, ein prote¬
stantischer Prediger in Basel habe die Sendung einiger Bibeln mit den Apokryphen
für Vliland und Se. Ruprecht angekündigt, und Melden verfügte, die Bibeln seien
vorläufig in Verwahrung zu behalte». Wolf vermutet wohl richtig, daß den Herren
die Apokryphen bedenklich gewesen seien, weil sie nicht gewußt hätten, was das sei.
Um dieselbe Zeit, am 24. Mnrz, soll Viktor Emanuel in einer Zusammenkunft
mit Radetzky seinen festen Willen erklärt haben, der demokratischen Umsturzpartei,
die seineu Vater ins Unglück gestürzt habe, Meister zu werden. Um das durch¬
führen zu können, bedürfe er der Zeit und der guten Stimmung in der Armee
und im Volke, und deshalb möge Radetzky von der Besetzung ganz Alessandrias
nebst der Zitadelle abstehen. In der Nacht vorher war Karl Albert ans der
Flucht und incognito bei dem Feldmarschall-Leutnant Grafen Thurm gewesen und
hatte erklärt, der Krieg sei in sehr unnützer Weise von Zeitungsschreibern und
Demokraten herbeigeführt worden. In welcher Art noch 1852 die Kriegsgerichte
in Wien verfuhren, hatte der Verfasser selbst zu erleben, wie S. 112—119 um-
ständlich erzählt wird. Als Haftgenvsseu halte er einmal einen Wiener Bürger,
der beim Kartenspiel gesagt hatte: „Wir brauchen keinen König," wodurch er
republikattischer Gesininmg verdächtig geworden war.

Geschrieben ist das Buch in einem Stil, der zu verraten scheint, daß die be¬
rühmte „Versöhnung der Nationalitäten" wenigstens ans dein Felde der Sprache
tund natürlich auf Kosten des Deutschen) Fortschritte macht. Abgesehen von Flüchtig¬
keiten wie: „daß Zeitschriften . . . aufgelegt werden durften, um sich weiter aus-
zubilden," sind wahre Ungeheuer der Satzbildung garnicht selten. Z. B. „In¬
zwischen machte jedoch der Kommandirende von Wien, Graf Auersperg, am
12. Oktober Radetzky darauf aufmerksam, daß bei dem Umstände, da dermalen
kein ordentliches Kriegsministerium besteht und das diesfällige Portefeuille nur
provisorisch dein Finanzminister Krauß übertragen sei, mit dein natürlich nnr
Gegenstände administrativer Natur verhandelt werden können, so möge Ra¬
detzky u. s. w."


Zur Geschichte von Schöllbrunn. Studien von Ul-, Jos. Dernjaö. Wien. Holder.

Diese Schrift hat uns die alte Anekdote von einem Professor der Medizin
iii die Erinnerung gerufen, welcher lang und breit irgendeine krankhafte Erscheinung
der menschlichen Haut besprach, um damit zu schließe», man müsse sie sich selbst über¬
lassen, da sie schnell und ohne nachteilige Folgen wieder verschwinde. Dr. I. Dernjciö


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[0659] persönlich im Jahre 1848 das Reich gerettet, wird folgender Ausspruch des da¬ maligen Kmnmandirenden in Innsbruck vom 6. April des genannten Jahres etwas unangenehm klingen: „Die Einwohner der südlichen Teile, als italienisch, sind ganz in der revolutionären Stimmung wie Italien, und die Leute in deu andern Teilen Tirols sind ohne irgendwelchen guten Willen, etwas für die Regierung zu thu», die, wie sie sagen, nichts für sie gethan. Als jüngst die Schtttzendeputationen für das Laud Tirol aufgefordert wurden, war ihre erste Frage, wie viel der Mann täglich bekäme, und ihre erste Erklärung, sie würden sich schlagen, wenn der Feind vor ihrer Thüre wäre, das andre ginge sie nichts an." Und der das schrieb, war der General Melden! Von Haynau wird erzählt, daß er, um 28. Juli 1848 zum Kommandanten des dritten Armeekorps ernannt, um Auszahlung der Tafelgelder für den ganzen Monat Juli ansuchte, was Radetzky natürlich ablehnte. Im März 1849, als die Dinge in Ungarn sehr übel standen und mau dort kaum schon etwas von dem Siege bei Novara Nüssen konnte, fand die Militärbehörde zu Gnus noch Muße, dem Zivil- und Militärgouverneur nach Wien zu melden, ein prote¬ stantischer Prediger in Basel habe die Sendung einiger Bibeln mit den Apokryphen für Vliland und Se. Ruprecht angekündigt, und Melden verfügte, die Bibeln seien vorläufig in Verwahrung zu behalte». Wolf vermutet wohl richtig, daß den Herren die Apokryphen bedenklich gewesen seien, weil sie nicht gewußt hätten, was das sei. Um dieselbe Zeit, am 24. Mnrz, soll Viktor Emanuel in einer Zusammenkunft mit Radetzky seinen festen Willen erklärt haben, der demokratischen Umsturzpartei, die seineu Vater ins Unglück gestürzt habe, Meister zu werden. Um das durch¬ führen zu können, bedürfe er der Zeit und der guten Stimmung in der Armee und im Volke, und deshalb möge Radetzky von der Besetzung ganz Alessandrias nebst der Zitadelle abstehen. In der Nacht vorher war Karl Albert ans der Flucht und incognito bei dem Feldmarschall-Leutnant Grafen Thurm gewesen und hatte erklärt, der Krieg sei in sehr unnützer Weise von Zeitungsschreibern und Demokraten herbeigeführt worden. In welcher Art noch 1852 die Kriegsgerichte in Wien verfuhren, hatte der Verfasser selbst zu erleben, wie S. 112—119 um- ständlich erzählt wird. Als Haftgenvsseu halte er einmal einen Wiener Bürger, der beim Kartenspiel gesagt hatte: „Wir brauchen keinen König," wodurch er republikattischer Gesininmg verdächtig geworden war. Geschrieben ist das Buch in einem Stil, der zu verraten scheint, daß die be¬ rühmte „Versöhnung der Nationalitäten" wenigstens ans dein Felde der Sprache tund natürlich auf Kosten des Deutschen) Fortschritte macht. Abgesehen von Flüchtig¬ keiten wie: „daß Zeitschriften . . . aufgelegt werden durften, um sich weiter aus- zubilden," sind wahre Ungeheuer der Satzbildung garnicht selten. Z. B. „In¬ zwischen machte jedoch der Kommandirende von Wien, Graf Auersperg, am 12. Oktober Radetzky darauf aufmerksam, daß bei dem Umstände, da dermalen kein ordentliches Kriegsministerium besteht und das diesfällige Portefeuille nur provisorisch dein Finanzminister Krauß übertragen sei, mit dein natürlich nnr Gegenstände administrativer Natur verhandelt werden können, so möge Ra¬ detzky u. s. w." Zur Geschichte von Schöllbrunn. Studien von Ul-, Jos. Dernjaö. Wien. Holder. Diese Schrift hat uns die alte Anekdote von einem Professor der Medizin iii die Erinnerung gerufen, welcher lang und breit irgendeine krankhafte Erscheinung der menschlichen Haut besprach, um damit zu schließe», man müsse sie sich selbst über¬ lassen, da sie schnell und ohne nachteilige Folgen wieder verschwinde. Dr. I. Dernjciö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/659>, abgerufen am 12.11.2024.