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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Äußere und innere Kolonisation.

entsche Kolonien ist das Stichwort unsrer Tage. Lauter und
lauter verlangt das deutsche Volk eine kraftvolle Kolvnisations-
pvlitik, "ud die Regierung ist bereit, diesem Drängen zu folge".
Deutsche Kolonien sollen auch den Gegenstand der folgenden Be¬
trachtungen bilden, aber nicht solche in fernen Landen, sondern
deutsche Kolonien in Deutschland selbst.

Eduard von Hartmann hat jüngst in zwei Artikeln (Gegenwart 1885,
Ur. 1 und 2) über den Rückgang des Deutschtums gehandelt und mit Recht
darauf hingewiesen, daß die Pflicht der Selbsterhaltung eine energische Ger-
manisirung der polnischen Elemente im Reiche erfordert. Den Beweis, daß
diese Germnuisirung im Interesse der Sicherheit des Reiches nach außen, sowie
des ungestörten inneren Ausbaues dringend notwendig ist, an dieser Stelle
"och einmal zu bringen, ist wohl überflüssig. Das Geschrei des reichsfeiud-
licheu Zentrums und der gleichgesinnten polnischen Volksvertreter über Ver¬
gewaltigung kann uns mir in unsrer Meinung bestärken. Die Frage kann nur
noch die sein: Wie ist die Germanisirung am erfolgreichsten und nachhaltigsten
zu bewirken?

Der freie Verkehr mit dem übrigen Deutschland, die deutsche Schule, über¬
haupt alle die gegenwärtig wirksamen Faktoren erreichen diesen Zweck nicht.
Eine staatliche Beförderung der Auswanderung polnischer Familien -- Posen
hat jetzt schon im Verhältnis zu seiner dünnen Bevölkerung nächst Pommern
die höchste Answanderungsziffer uuter den preußischen Provinzen -- würde ohne
Zweifel wirksam sein. Dieser Maßregel müßte aber doch vor allein eine ener¬
gische Beförderung der dentschen Einwanderung gegenüberstehen. Der niedrigen
Kulturstufe und geringen Bevölkerungsdichtigkeit Posens gemäß müßten diese
Einwanderer zum weitaus größte!, Teil Bauern, landwirtschaftliche Arbeiter und
landwirtschaftliche Handwerker sein.

Abgesehen von dein nationalen und politischen Interesse, würde eine Ver¬
wehrung des bäuerlichen Besitzes auch im wirtschaftlichen und sozialen Interesse
der Provinz liegen, da der landwirtschaftliche Grundbesitz zum überwiegenden
Teil in den Händen großer Besitzer ist. Nach der Zeitschrift des preußischen
statistischen Bureaus 1873 nahmen die Landgüter von einem Umfange bis zu
300 Morgen uur 3913211, die größeren dagegen "311042 Morgen ein,


Äußere und innere Kolonisation.

entsche Kolonien ist das Stichwort unsrer Tage. Lauter und
lauter verlangt das deutsche Volk eine kraftvolle Kolvnisations-
pvlitik, »ud die Regierung ist bereit, diesem Drängen zu folge».
Deutsche Kolonien sollen auch den Gegenstand der folgenden Be¬
trachtungen bilden, aber nicht solche in fernen Landen, sondern
deutsche Kolonien in Deutschland selbst.

Eduard von Hartmann hat jüngst in zwei Artikeln (Gegenwart 1885,
Ur. 1 und 2) über den Rückgang des Deutschtums gehandelt und mit Recht
darauf hingewiesen, daß die Pflicht der Selbsterhaltung eine energische Ger-
manisirung der polnischen Elemente im Reiche erfordert. Den Beweis, daß
diese Germnuisirung im Interesse der Sicherheit des Reiches nach außen, sowie
des ungestörten inneren Ausbaues dringend notwendig ist, an dieser Stelle
»och einmal zu bringen, ist wohl überflüssig. Das Geschrei des reichsfeiud-
licheu Zentrums und der gleichgesinnten polnischen Volksvertreter über Ver¬
gewaltigung kann uns mir in unsrer Meinung bestärken. Die Frage kann nur
noch die sein: Wie ist die Germanisirung am erfolgreichsten und nachhaltigsten
zu bewirken?

Der freie Verkehr mit dem übrigen Deutschland, die deutsche Schule, über¬
haupt alle die gegenwärtig wirksamen Faktoren erreichen diesen Zweck nicht.
Eine staatliche Beförderung der Auswanderung polnischer Familien — Posen
hat jetzt schon im Verhältnis zu seiner dünnen Bevölkerung nächst Pommern
die höchste Answanderungsziffer uuter den preußischen Provinzen — würde ohne
Zweifel wirksam sein. Dieser Maßregel müßte aber doch vor allein eine ener¬
gische Beförderung der dentschen Einwanderung gegenüberstehen. Der niedrigen
Kulturstufe und geringen Bevölkerungsdichtigkeit Posens gemäß müßten diese
Einwanderer zum weitaus größte!, Teil Bauern, landwirtschaftliche Arbeiter und
landwirtschaftliche Handwerker sein.

Abgesehen von dein nationalen und politischen Interesse, würde eine Ver¬
wehrung des bäuerlichen Besitzes auch im wirtschaftlichen und sozialen Interesse
der Provinz liegen, da der landwirtschaftliche Grundbesitz zum überwiegenden
Teil in den Händen großer Besitzer ist. Nach der Zeitschrift des preußischen
statistischen Bureaus 1873 nahmen die Landgüter von einem Umfange bis zu
300 Morgen uur 3913211, die größeren dagegen «311042 Morgen ein,


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[0619] Äußere und innere Kolonisation. entsche Kolonien ist das Stichwort unsrer Tage. Lauter und lauter verlangt das deutsche Volk eine kraftvolle Kolvnisations- pvlitik, »ud die Regierung ist bereit, diesem Drängen zu folge». Deutsche Kolonien sollen auch den Gegenstand der folgenden Be¬ trachtungen bilden, aber nicht solche in fernen Landen, sondern deutsche Kolonien in Deutschland selbst. Eduard von Hartmann hat jüngst in zwei Artikeln (Gegenwart 1885, Ur. 1 und 2) über den Rückgang des Deutschtums gehandelt und mit Recht darauf hingewiesen, daß die Pflicht der Selbsterhaltung eine energische Ger- manisirung der polnischen Elemente im Reiche erfordert. Den Beweis, daß diese Germnuisirung im Interesse der Sicherheit des Reiches nach außen, sowie des ungestörten inneren Ausbaues dringend notwendig ist, an dieser Stelle »och einmal zu bringen, ist wohl überflüssig. Das Geschrei des reichsfeiud- licheu Zentrums und der gleichgesinnten polnischen Volksvertreter über Ver¬ gewaltigung kann uns mir in unsrer Meinung bestärken. Die Frage kann nur noch die sein: Wie ist die Germanisirung am erfolgreichsten und nachhaltigsten zu bewirken? Der freie Verkehr mit dem übrigen Deutschland, die deutsche Schule, über¬ haupt alle die gegenwärtig wirksamen Faktoren erreichen diesen Zweck nicht. Eine staatliche Beförderung der Auswanderung polnischer Familien — Posen hat jetzt schon im Verhältnis zu seiner dünnen Bevölkerung nächst Pommern die höchste Answanderungsziffer uuter den preußischen Provinzen — würde ohne Zweifel wirksam sein. Dieser Maßregel müßte aber doch vor allein eine ener¬ gische Beförderung der dentschen Einwanderung gegenüberstehen. Der niedrigen Kulturstufe und geringen Bevölkerungsdichtigkeit Posens gemäß müßten diese Einwanderer zum weitaus größte!, Teil Bauern, landwirtschaftliche Arbeiter und landwirtschaftliche Handwerker sein. Abgesehen von dein nationalen und politischen Interesse, würde eine Ver¬ wehrung des bäuerlichen Besitzes auch im wirtschaftlichen und sozialen Interesse der Provinz liegen, da der landwirtschaftliche Grundbesitz zum überwiegenden Teil in den Händen großer Besitzer ist. Nach der Zeitschrift des preußischen statistischen Bureaus 1873 nahmen die Landgüter von einem Umfange bis zu 300 Morgen uur 3913211, die größeren dagegen «311042 Morgen ein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/619>, abgerufen am 12.11.2024.