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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen.
Novelle von R. R. w. Uschner. 1.

in letzten Herbst wurde das fünfzigjährige Bestehen des könig¬
lichen Ghmnasiums zu festlich begangen. Von nah und fern
waren die einstigen Schüler dieser bewährten Lehranstalt herbei¬
geeilt, und am Festmorgen gewahrte man eine ansehnliche Zahl
von Beteiligten ans der Kirche in die Aula des Schulhauses
ziehen.

Sie waren nach Jahrgängen geordnet, die jüngsten voran, die gegenwär¬
tigen Schüler der sechs Klassen; ihnen folgten die Jahrgänge 1883 bis 1879
in vier Abteilungen, Studenten in bunten Abzeichen, Dann kamen die so¬
genannten alten Herren, von 1878 bis 1833 aufwärts, die jüngeren Abtei¬
lungen spärlich besetzt, was sich zunächst ans ökonomischen Gründen, sodann
wohl auch aus dein Erfahrungssätze erklärt, daß die in deu dreißiger Jahren
befindlichen der Anknüpfung von Jugenderinnerungen weniger zustreben, da sie
ihnen thatsächlich noch nahe stehen, während die Altgewordenen gern die Zug¬
brücke niederlassen, die ihnen zu dein entrückten Gebiete einen Ausfall gestattet.

Am stärksten vertreten waren die Jahrzehnte 1850 bis 1860, schwächer
wurden die Jahrgänge 1840 bis 1850, ganz dünn war die Dekade von 1830
bis 1840; 1837 bis 1834 fehlte ganz, aus dem Jahre 1833 aber, dein Stif-
tungsjahre, schritt ein wackeliges Männlein einher, ein Magister, graduirt auf
der Leipziger Hochschule, einer vou jener eigentümlichen, begeisterungsfähigen
Gelehrtenwelt, die ausstirbt wie die Trappen.

Dies waren die Kommilitonen.

Ihnen folgte das Lehrerkollegium nach dem Anstellungsalter geordnet, zu¬
letzt der Ghmnasialdirektor, ein hagerer Mann mit steifen Vatermördern und
großen, sehr blankgeputzten Brillengläsern; seine Haltung war die eines Korps¬
führers mit dem durch die Wichtigkeit der Aufgabe gehobenen Selbstbewußtsein.




Die Kommilitonen.
Novelle von R. R. w. Uschner. 1.

in letzten Herbst wurde das fünfzigjährige Bestehen des könig¬
lichen Ghmnasiums zu festlich begangen. Von nah und fern
waren die einstigen Schüler dieser bewährten Lehranstalt herbei¬
geeilt, und am Festmorgen gewahrte man eine ansehnliche Zahl
von Beteiligten ans der Kirche in die Aula des Schulhauses
ziehen.

Sie waren nach Jahrgängen geordnet, die jüngsten voran, die gegenwär¬
tigen Schüler der sechs Klassen; ihnen folgten die Jahrgänge 1883 bis 1879
in vier Abteilungen, Studenten in bunten Abzeichen, Dann kamen die so¬
genannten alten Herren, von 1878 bis 1833 aufwärts, die jüngeren Abtei¬
lungen spärlich besetzt, was sich zunächst ans ökonomischen Gründen, sodann
wohl auch aus dein Erfahrungssätze erklärt, daß die in deu dreißiger Jahren
befindlichen der Anknüpfung von Jugenderinnerungen weniger zustreben, da sie
ihnen thatsächlich noch nahe stehen, während die Altgewordenen gern die Zug¬
brücke niederlassen, die ihnen zu dein entrückten Gebiete einen Ausfall gestattet.

Am stärksten vertreten waren die Jahrzehnte 1850 bis 1860, schwächer
wurden die Jahrgänge 1840 bis 1850, ganz dünn war die Dekade von 1830
bis 1840; 1837 bis 1834 fehlte ganz, aus dem Jahre 1833 aber, dein Stif-
tungsjahre, schritt ein wackeliges Männlein einher, ein Magister, graduirt auf
der Leipziger Hochschule, einer vou jener eigentümlichen, begeisterungsfähigen
Gelehrtenwelt, die ausstirbt wie die Trappen.

Dies waren die Kommilitonen.

Ihnen folgte das Lehrerkollegium nach dem Anstellungsalter geordnet, zu¬
letzt der Ghmnasialdirektor, ein hagerer Mann mit steifen Vatermördern und
großen, sehr blankgeputzten Brillengläsern; seine Haltung war die eines Korps¬
führers mit dem durch die Wichtigkeit der Aufgabe gehobenen Selbstbewußtsein.


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[0057] [Abbildung] Die Kommilitonen. Novelle von R. R. w. Uschner. 1. in letzten Herbst wurde das fünfzigjährige Bestehen des könig¬ lichen Ghmnasiums zu festlich begangen. Von nah und fern waren die einstigen Schüler dieser bewährten Lehranstalt herbei¬ geeilt, und am Festmorgen gewahrte man eine ansehnliche Zahl von Beteiligten ans der Kirche in die Aula des Schulhauses ziehen. Sie waren nach Jahrgängen geordnet, die jüngsten voran, die gegenwär¬ tigen Schüler der sechs Klassen; ihnen folgten die Jahrgänge 1883 bis 1879 in vier Abteilungen, Studenten in bunten Abzeichen, Dann kamen die so¬ genannten alten Herren, von 1878 bis 1833 aufwärts, die jüngeren Abtei¬ lungen spärlich besetzt, was sich zunächst ans ökonomischen Gründen, sodann wohl auch aus dein Erfahrungssätze erklärt, daß die in deu dreißiger Jahren befindlichen der Anknüpfung von Jugenderinnerungen weniger zustreben, da sie ihnen thatsächlich noch nahe stehen, während die Altgewordenen gern die Zug¬ brücke niederlassen, die ihnen zu dein entrückten Gebiete einen Ausfall gestattet. Am stärksten vertreten waren die Jahrzehnte 1850 bis 1860, schwächer wurden die Jahrgänge 1840 bis 1850, ganz dünn war die Dekade von 1830 bis 1840; 1837 bis 1834 fehlte ganz, aus dem Jahre 1833 aber, dein Stif- tungsjahre, schritt ein wackeliges Männlein einher, ein Magister, graduirt auf der Leipziger Hochschule, einer vou jener eigentümlichen, begeisterungsfähigen Gelehrtenwelt, die ausstirbt wie die Trappen. Dies waren die Kommilitonen. Ihnen folgte das Lehrerkollegium nach dem Anstellungsalter geordnet, zu¬ letzt der Ghmnasialdirektor, ein hagerer Mann mit steifen Vatermördern und großen, sehr blankgeputzten Brillengläsern; seine Haltung war die eines Korps¬ führers mit dem durch die Wichtigkeit der Aufgabe gehobenen Selbstbewußtsein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/57>, abgerufen am 12.11.2024.