Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem Jahre ^3^3.

Man wird leicht einsehen, wie das Wachstum des Arbeitsangebotes durch
jene aufsteigende Bewegung von Stufe zu Stufe fortwirken muß, und man wird
es daher erklärlich finden, daß auch auf den höchsten Stufen der Arbeitsleistung
ein Zustand der Unbehaglichkeit eintritt, wenn die Zahl der Bewerber überwiegt,
wie groß anch die absolute Höhe der Gehalte sein mag. Es kann daher nicht
befremden, wenn auch in diesen Kreisen, im Handelsstande der Kommis, in der
Industrie der Techniker und Ingenieure, im Staate der Juristen, der Theologen
und vieler Beamten von Übersetzung und Folgen der Übervölkerung die Rede geht.

(Schluß folgt.)




Aus dem Jahre ^8^8.
i.

me pragmatische Geschichte des Jahres 1848 ist noch nicht ge¬
schrieben. Zwar fehlt es nicht an vielen und ausführlichen Schil¬
derungen der einzelnen Vorgänge dieses Jahres, und die Staats¬
aktionen, an denen das Jahr reich war, mögen immerhin voll¬
ständig genug in die Jahrbücher der Geschichte eingetragen sein;
aber die letzten Gründe, die alle diese Dinge hervorgerufen haben, und die eigen¬
tümliche Wandlung, die damals in dem Fühlen und Denken der großen Mehr¬
heit des Volkes vorging und die nicht bloß in den großen Städten und in der
großen Politik zu tage trat, sondern die in jedem Orte, wo Menschen zusammen¬
wohnten, ihre besondern Blasen trieb, warten noch auf eine erschöpfende und
unparteiische Darstellung.

Freilich mag für eine solche die Zeit trotz der dazwischen liegenden sieben¬
unddreißig Jahre noch nicht gekommen sein. Denn der Zusammenhang zwischen
dem Jahre 1848 und der heutigen Tagespolitik ist noch zu eng, als daß wir
Ichor unbeirrt durch Parteimeinungen und Parteirücksichten über die damaligen
Vorgänge urteilen könnten. Das Jahr 1848 ist noch immer den einen das
schöne Jahr der Freiheit, der Völkerfrühling und den andern das tolle Jahr,
das, wie Friedrich Wilhelm der Vierte einst in einer feierlichen Stunde sagte,
die Treue werdender Geschlechter wohl mit Thränen. aber vergeblich wünschen
unrd aus unsrer Geschichte zu entfernen.

Wenn man über Mein und Dein streitet und der Streit sich aus diesem
oder jenem Grunde zur Zeit noch nicht vor den bürgerlichen Gerichten zum
Austrag bringen läßt, so sorgt man durch Vernehmung von Zeugen zum so-


Grenzboten I. 188S. 64
Aus dem Jahre ^3^3.

Man wird leicht einsehen, wie das Wachstum des Arbeitsangebotes durch
jene aufsteigende Bewegung von Stufe zu Stufe fortwirken muß, und man wird
es daher erklärlich finden, daß auch auf den höchsten Stufen der Arbeitsleistung
ein Zustand der Unbehaglichkeit eintritt, wenn die Zahl der Bewerber überwiegt,
wie groß anch die absolute Höhe der Gehalte sein mag. Es kann daher nicht
befremden, wenn auch in diesen Kreisen, im Handelsstande der Kommis, in der
Industrie der Techniker und Ingenieure, im Staate der Juristen, der Theologen
und vieler Beamten von Übersetzung und Folgen der Übervölkerung die Rede geht.

(Schluß folgt.)




Aus dem Jahre ^8^8.
i.

me pragmatische Geschichte des Jahres 1848 ist noch nicht ge¬
schrieben. Zwar fehlt es nicht an vielen und ausführlichen Schil¬
derungen der einzelnen Vorgänge dieses Jahres, und die Staats¬
aktionen, an denen das Jahr reich war, mögen immerhin voll¬
ständig genug in die Jahrbücher der Geschichte eingetragen sein;
aber die letzten Gründe, die alle diese Dinge hervorgerufen haben, und die eigen¬
tümliche Wandlung, die damals in dem Fühlen und Denken der großen Mehr¬
heit des Volkes vorging und die nicht bloß in den großen Städten und in der
großen Politik zu tage trat, sondern die in jedem Orte, wo Menschen zusammen¬
wohnten, ihre besondern Blasen trieb, warten noch auf eine erschöpfende und
unparteiische Darstellung.

Freilich mag für eine solche die Zeit trotz der dazwischen liegenden sieben¬
unddreißig Jahre noch nicht gekommen sein. Denn der Zusammenhang zwischen
dem Jahre 1848 und der heutigen Tagespolitik ist noch zu eng, als daß wir
Ichor unbeirrt durch Parteimeinungen und Parteirücksichten über die damaligen
Vorgänge urteilen könnten. Das Jahr 1848 ist noch immer den einen das
schöne Jahr der Freiheit, der Völkerfrühling und den andern das tolle Jahr,
das, wie Friedrich Wilhelm der Vierte einst in einer feierlichen Stunde sagte,
die Treue werdender Geschlechter wohl mit Thränen. aber vergeblich wünschen
unrd aus unsrer Geschichte zu entfernen.

Wenn man über Mein und Dein streitet und der Streit sich aus diesem
oder jenem Grunde zur Zeit noch nicht vor den bürgerlichen Gerichten zum
Austrag bringen läßt, so sorgt man durch Vernehmung von Zeugen zum so-


Grenzboten I. 188S. 64
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195193"/>
            <fw type="header" place="top"> Aus dem Jahre ^3^3.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1903"> Man wird leicht einsehen, wie das Wachstum des Arbeitsangebotes durch<lb/>
jene aufsteigende Bewegung von Stufe zu Stufe fortwirken muß, und man wird<lb/>
es daher erklärlich finden, daß auch auf den höchsten Stufen der Arbeitsleistung<lb/>
ein Zustand der Unbehaglichkeit eintritt, wenn die Zahl der Bewerber überwiegt,<lb/>
wie groß anch die absolute Höhe der Gehalte sein mag. Es kann daher nicht<lb/>
befremden, wenn auch in diesen Kreisen, im Handelsstande der Kommis, in der<lb/>
Industrie der Techniker und Ingenieure, im Staate der Juristen, der Theologen<lb/>
und vieler Beamten von Übersetzung und Folgen der Übervölkerung die Rede geht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1904"> (Schluß folgt.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus dem Jahre ^8^8.<lb/>
i.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1905"> me pragmatische Geschichte des Jahres 1848 ist noch nicht ge¬<lb/>
schrieben. Zwar fehlt es nicht an vielen und ausführlichen Schil¬<lb/>
derungen der einzelnen Vorgänge dieses Jahres, und die Staats¬<lb/>
aktionen, an denen das Jahr reich war, mögen immerhin voll¬<lb/>
ständig genug in die Jahrbücher der Geschichte eingetragen sein;<lb/>
aber die letzten Gründe, die alle diese Dinge hervorgerufen haben, und die eigen¬<lb/>
tümliche Wandlung, die damals in dem Fühlen und Denken der großen Mehr¬<lb/>
heit des Volkes vorging und die nicht bloß in den großen Städten und in der<lb/>
großen Politik zu tage trat, sondern die in jedem Orte, wo Menschen zusammen¬<lb/>
wohnten, ihre besondern Blasen trieb, warten noch auf eine erschöpfende und<lb/>
unparteiische Darstellung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1906"> Freilich mag für eine solche die Zeit trotz der dazwischen liegenden sieben¬<lb/>
unddreißig Jahre noch nicht gekommen sein. Denn der Zusammenhang zwischen<lb/>
dem Jahre 1848 und der heutigen Tagespolitik ist noch zu eng, als daß wir<lb/>
Ichor unbeirrt durch Parteimeinungen und Parteirücksichten über die damaligen<lb/>
Vorgänge urteilen könnten. Das Jahr 1848 ist noch immer den einen das<lb/>
schöne Jahr der Freiheit, der Völkerfrühling und den andern das tolle Jahr,<lb/>
das, wie Friedrich Wilhelm der Vierte einst in einer feierlichen Stunde sagte,<lb/>
die Treue werdender Geschlechter wohl mit Thränen. aber vergeblich wünschen<lb/>
unrd aus unsrer Geschichte zu entfernen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1907" next="#ID_1908"> Wenn man über Mein und Dein streitet und der Streit sich aus diesem<lb/>
oder jenem Grunde zur Zeit noch nicht vor den bürgerlichen Gerichten zum<lb/>
Austrag bringen läßt, so sorgt man durch Vernehmung von Zeugen zum so-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 188S. 64</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0517] Aus dem Jahre ^3^3. Man wird leicht einsehen, wie das Wachstum des Arbeitsangebotes durch jene aufsteigende Bewegung von Stufe zu Stufe fortwirken muß, und man wird es daher erklärlich finden, daß auch auf den höchsten Stufen der Arbeitsleistung ein Zustand der Unbehaglichkeit eintritt, wenn die Zahl der Bewerber überwiegt, wie groß anch die absolute Höhe der Gehalte sein mag. Es kann daher nicht befremden, wenn auch in diesen Kreisen, im Handelsstande der Kommis, in der Industrie der Techniker und Ingenieure, im Staate der Juristen, der Theologen und vieler Beamten von Übersetzung und Folgen der Übervölkerung die Rede geht. (Schluß folgt.) Aus dem Jahre ^8^8. i. me pragmatische Geschichte des Jahres 1848 ist noch nicht ge¬ schrieben. Zwar fehlt es nicht an vielen und ausführlichen Schil¬ derungen der einzelnen Vorgänge dieses Jahres, und die Staats¬ aktionen, an denen das Jahr reich war, mögen immerhin voll¬ ständig genug in die Jahrbücher der Geschichte eingetragen sein; aber die letzten Gründe, die alle diese Dinge hervorgerufen haben, und die eigen¬ tümliche Wandlung, die damals in dem Fühlen und Denken der großen Mehr¬ heit des Volkes vorging und die nicht bloß in den großen Städten und in der großen Politik zu tage trat, sondern die in jedem Orte, wo Menschen zusammen¬ wohnten, ihre besondern Blasen trieb, warten noch auf eine erschöpfende und unparteiische Darstellung. Freilich mag für eine solche die Zeit trotz der dazwischen liegenden sieben¬ unddreißig Jahre noch nicht gekommen sein. Denn der Zusammenhang zwischen dem Jahre 1848 und der heutigen Tagespolitik ist noch zu eng, als daß wir Ichor unbeirrt durch Parteimeinungen und Parteirücksichten über die damaligen Vorgänge urteilen könnten. Das Jahr 1848 ist noch immer den einen das schöne Jahr der Freiheit, der Völkerfrühling und den andern das tolle Jahr, das, wie Friedrich Wilhelm der Vierte einst in einer feierlichen Stunde sagte, die Treue werdender Geschlechter wohl mit Thränen. aber vergeblich wünschen unrd aus unsrer Geschichte zu entfernen. Wenn man über Mein und Dein streitet und der Streit sich aus diesem oder jenem Grunde zur Zeit noch nicht vor den bürgerlichen Gerichten zum Austrag bringen läßt, so sorgt man durch Vernehmung von Zeugen zum so- Grenzboten I. 188S. 64

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/517
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/517>, abgerufen am 12.11.2024.