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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Postsparkassen im Reichstage.

l er Entwurf eines Postsparkassengesetzes hatte bereits bei der Be¬
ratung im Plenum des Reichstages von so verschiednen Seiten
> Widerspruch erfahren, daß nur sehr sanguinische und optimistische
Anhänger des Gesetzes aus der Kvmmissionsberatung eine Wand¬
el trug erwarten konnten. In der That ist auch diese Hoffnung zu
Schanden geworden, und man kann für diese Sitzung den Entwurf für begraben
betrachten. Es kann nur noch fraglich erscheinen, ob ihm die Ehre eines an¬
ständigen Begräbnisses in einer zweiten Lesung zuteil wird, oder ob er dem
Schicksal des betlchemitischeu Kiudesmordes anheimfällt und am Schlüsse der
Session mit andern rückständigen Vorlagen unerledigt in den Orkus sinkt.

Die Feinde des Entwurfs setzen sich im großen und gauzen aus den Ele¬
menten zusammen, welche entweder offne Gegner des Reiches sind oder doch im
Geheimen alle Maßregeln zu hintertreiben suchen, die auf eine Kräftigung des
Neichsgedankens abzielen. Zu den ersteren gehört das Zentrum mit seiner anti¬
deutschen Dependenz, zu den letztern gehören jene außerpreußischcu Partikularsten,
welche der Neichsregierung nur mit halbem Herzen folgen und, seit der Libera¬
lismus in seinen fortgeschrittene" Partien sich lediglich von seiner Abneigung
gegen den Reichskanzler leiten läßt, immer mehr ihren partiknlaristischen Nei¬
gungen Geltung zu verschaffen wissen. Eine dritte Gruppe von Gegnern ist endlich
dem Entwürfe in jenen altpreußischen Konservativen entstanden, die sich immer
noch von einer Politik auf eigne Faust nicht lossagen können und der unbe¬
greiflichen Meinung sind, daß die preußische konservative Partei sich auch
einmal den Luxus einer Opposition gegen Sr. Majestät Regierung gönnen dürfe.

Die Beweggründe dieser Gruppen sind natürlich verschiedne; die der ersten
beiden liegen außerhalb der Sache, die der letzten sind zwar sachlich, aber stehen


Grenzboten I. 188S. 62


Die Postsparkassen im Reichstage.

l er Entwurf eines Postsparkassengesetzes hatte bereits bei der Be¬
ratung im Plenum des Reichstages von so verschiednen Seiten
> Widerspruch erfahren, daß nur sehr sanguinische und optimistische
Anhänger des Gesetzes aus der Kvmmissionsberatung eine Wand¬
el trug erwarten konnten. In der That ist auch diese Hoffnung zu
Schanden geworden, und man kann für diese Sitzung den Entwurf für begraben
betrachten. Es kann nur noch fraglich erscheinen, ob ihm die Ehre eines an¬
ständigen Begräbnisses in einer zweiten Lesung zuteil wird, oder ob er dem
Schicksal des betlchemitischeu Kiudesmordes anheimfällt und am Schlüsse der
Session mit andern rückständigen Vorlagen unerledigt in den Orkus sinkt.

Die Feinde des Entwurfs setzen sich im großen und gauzen aus den Ele¬
menten zusammen, welche entweder offne Gegner des Reiches sind oder doch im
Geheimen alle Maßregeln zu hintertreiben suchen, die auf eine Kräftigung des
Neichsgedankens abzielen. Zu den ersteren gehört das Zentrum mit seiner anti¬
deutschen Dependenz, zu den letztern gehören jene außerpreußischcu Partikularsten,
welche der Neichsregierung nur mit halbem Herzen folgen und, seit der Libera¬
lismus in seinen fortgeschrittene» Partien sich lediglich von seiner Abneigung
gegen den Reichskanzler leiten läßt, immer mehr ihren partiknlaristischen Nei¬
gungen Geltung zu verschaffen wissen. Eine dritte Gruppe von Gegnern ist endlich
dem Entwürfe in jenen altpreußischen Konservativen entstanden, die sich immer
noch von einer Politik auf eigne Faust nicht lossagen können und der unbe¬
greiflichen Meinung sind, daß die preußische konservative Partei sich auch
einmal den Luxus einer Opposition gegen Sr. Majestät Regierung gönnen dürfe.

Die Beweggründe dieser Gruppen sind natürlich verschiedne; die der ersten
beiden liegen außerhalb der Sache, die der letzten sind zwar sachlich, aber stehen


Grenzboten I. 188S. 62
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[0501] [Abbildung] Die Postsparkassen im Reichstage. l er Entwurf eines Postsparkassengesetzes hatte bereits bei der Be¬ ratung im Plenum des Reichstages von so verschiednen Seiten > Widerspruch erfahren, daß nur sehr sanguinische und optimistische Anhänger des Gesetzes aus der Kvmmissionsberatung eine Wand¬ el trug erwarten konnten. In der That ist auch diese Hoffnung zu Schanden geworden, und man kann für diese Sitzung den Entwurf für begraben betrachten. Es kann nur noch fraglich erscheinen, ob ihm die Ehre eines an¬ ständigen Begräbnisses in einer zweiten Lesung zuteil wird, oder ob er dem Schicksal des betlchemitischeu Kiudesmordes anheimfällt und am Schlüsse der Session mit andern rückständigen Vorlagen unerledigt in den Orkus sinkt. Die Feinde des Entwurfs setzen sich im großen und gauzen aus den Ele¬ menten zusammen, welche entweder offne Gegner des Reiches sind oder doch im Geheimen alle Maßregeln zu hintertreiben suchen, die auf eine Kräftigung des Neichsgedankens abzielen. Zu den ersteren gehört das Zentrum mit seiner anti¬ deutschen Dependenz, zu den letztern gehören jene außerpreußischcu Partikularsten, welche der Neichsregierung nur mit halbem Herzen folgen und, seit der Libera¬ lismus in seinen fortgeschrittene» Partien sich lediglich von seiner Abneigung gegen den Reichskanzler leiten läßt, immer mehr ihren partiknlaristischen Nei¬ gungen Geltung zu verschaffen wissen. Eine dritte Gruppe von Gegnern ist endlich dem Entwürfe in jenen altpreußischen Konservativen entstanden, die sich immer noch von einer Politik auf eigne Faust nicht lossagen können und der unbe¬ greiflichen Meinung sind, daß die preußische konservative Partei sich auch einmal den Luxus einer Opposition gegen Sr. Majestät Regierung gönnen dürfe. Die Beweggründe dieser Gruppen sind natürlich verschiedne; die der ersten beiden liegen außerhalb der Sache, die der letzten sind zwar sachlich, aber stehen Grenzboten I. 188S. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/501>, abgerufen am 12.11.2024.