Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Ancilekten zur "Leschichte der neueren deutschen 'Kunst.

dann entweder so vornehmen, daß die zuletzt bezeichneten Enden des Brusttuches
darübergelegt werden und die Nadeln verdecken, oder man nadelt das Bruststück
mit, hat also auf der Schulter von vorn wie von hinten eine doppelte Tuch¬
lage zu radeln, und die Nadeln liegen dann sichtbar zu tage; letzteres pflegt
das häufigere zu sein. Diese letztbeschricbcne Tracht ist eben diejenige, welche
uns in ihrer schönsten Form ans den attischen Denkmälern aus der Epoche des
Phidias entgegentritt; ihr Zusammenhang mit jenem früher allgemeinen kreis¬
runden Bausch läßt sich aber ans Vasenbildcrn verfolgen, denn es kommt nur
darauf an, den über deu Gürtel fallenden Bausch der älter" Tracht möglichst
zu verkleinern, sodaß der Abstand zwischen Überschlag und Bausch beträchtlich
verringert wird, nud dann den Bausch in jener der Linie des Überschlages sich
anschließenden Weise, wobei die Falten um den Seiten tiefer liegen als in
der Mitte, zu arrangiren, um die edle Form des Gewandes der Karyatiden vom
Erechtheion zu erhalten.

Ärmel sind bei dieser Tracht bald vorhanden, bald fehlen sie; wo sie da
sind, haben sie meistens, wie die früher besprochenen, die Form der offenen,
durch Knöpfe oder kleine Nadeln verbundenen Halbärmel, und es hat vielfach
den Anschein, als feien dieselben nicht eigens angenähte Ärmelstücke, sondern
gehörten zum Chiton selbst, welcher, weil er, wie in der Länge, so anch im
Umfang beträchtlich mehr Stoff enthielt, als an und für sich zur Umhüllung
des .Körpers nötig war, hinlänglich Material bot, um oben auf jeder Seite
noch ein bedeutendes Stück über die Oberarme zu ziehen nud durch Zusainmen-
nesteln zu scheinbaren Ärmeln zu verbinden.

(Schluß folgt.)




Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst.
von h. A. Lier.
Lhodorviecki an Nicolcii.

er ans dem kürzesten Wege einen möglichst umfassenden Einblick
in den Vorstellungskreis und die Anschauungen der Berliner
Aufklärer im vorigen Jahrhundert gewinnen will, der greift am
besten zu Friedrich Nicolais satirischen" Romane: "Das Leben
und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker."

Friedrich Nicolai, das Haupt der deutschen Aufklärer, hat in diesem drei-
gen Werke, zu dem er deu Gedanken gleichzeitig mit dem der Begründn"g


Ancilekten zur «Leschichte der neueren deutschen 'Kunst.

dann entweder so vornehmen, daß die zuletzt bezeichneten Enden des Brusttuches
darübergelegt werden und die Nadeln verdecken, oder man nadelt das Bruststück
mit, hat also auf der Schulter von vorn wie von hinten eine doppelte Tuch¬
lage zu radeln, und die Nadeln liegen dann sichtbar zu tage; letzteres pflegt
das häufigere zu sein. Diese letztbeschricbcne Tracht ist eben diejenige, welche
uns in ihrer schönsten Form ans den attischen Denkmälern aus der Epoche des
Phidias entgegentritt; ihr Zusammenhang mit jenem früher allgemeinen kreis¬
runden Bausch läßt sich aber ans Vasenbildcrn verfolgen, denn es kommt nur
darauf an, den über deu Gürtel fallenden Bausch der älter» Tracht möglichst
zu verkleinern, sodaß der Abstand zwischen Überschlag und Bausch beträchtlich
verringert wird, nud dann den Bausch in jener der Linie des Überschlages sich
anschließenden Weise, wobei die Falten um den Seiten tiefer liegen als in
der Mitte, zu arrangiren, um die edle Form des Gewandes der Karyatiden vom
Erechtheion zu erhalten.

Ärmel sind bei dieser Tracht bald vorhanden, bald fehlen sie; wo sie da
sind, haben sie meistens, wie die früher besprochenen, die Form der offenen,
durch Knöpfe oder kleine Nadeln verbundenen Halbärmel, und es hat vielfach
den Anschein, als feien dieselben nicht eigens angenähte Ärmelstücke, sondern
gehörten zum Chiton selbst, welcher, weil er, wie in der Länge, so anch im
Umfang beträchtlich mehr Stoff enthielt, als an und für sich zur Umhüllung
des .Körpers nötig war, hinlänglich Material bot, um oben auf jeder Seite
noch ein bedeutendes Stück über die Oberarme zu ziehen nud durch Zusainmen-
nesteln zu scheinbaren Ärmeln zu verbinden.

(Schluß folgt.)




Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst.
von h. A. Lier.
Lhodorviecki an Nicolcii.

er ans dem kürzesten Wege einen möglichst umfassenden Einblick
in den Vorstellungskreis und die Anschauungen der Berliner
Aufklärer im vorigen Jahrhundert gewinnen will, der greift am
besten zu Friedrich Nicolais satirischen» Romane: „Das Leben
und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker."

Friedrich Nicolai, das Haupt der deutschen Aufklärer, hat in diesem drei-
gen Werke, zu dem er deu Gedanken gleichzeitig mit dem der Begründn»g


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195096"/>
          <fw type="header" place="top"> Ancilekten zur «Leschichte der neueren deutschen 'Kunst.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1486" prev="#ID_1485"> dann entweder so vornehmen, daß die zuletzt bezeichneten Enden des Brusttuches<lb/>
darübergelegt werden und die Nadeln verdecken, oder man nadelt das Bruststück<lb/>
mit, hat also auf der Schulter von vorn wie von hinten eine doppelte Tuch¬<lb/>
lage zu radeln, und die Nadeln liegen dann sichtbar zu tage; letzteres pflegt<lb/>
das häufigere zu sein. Diese letztbeschricbcne Tracht ist eben diejenige, welche<lb/>
uns in ihrer schönsten Form ans den attischen Denkmälern aus der Epoche des<lb/>
Phidias entgegentritt; ihr Zusammenhang mit jenem früher allgemeinen kreis¬<lb/>
runden Bausch läßt sich aber ans Vasenbildcrn verfolgen, denn es kommt nur<lb/>
darauf an, den über deu Gürtel fallenden Bausch der älter» Tracht möglichst<lb/>
zu verkleinern, sodaß der Abstand zwischen Überschlag und Bausch beträchtlich<lb/>
verringert wird, nud dann den Bausch in jener der Linie des Überschlages sich<lb/>
anschließenden Weise, wobei die Falten um den Seiten tiefer liegen als in<lb/>
der Mitte, zu arrangiren, um die edle Form des Gewandes der Karyatiden vom<lb/>
Erechtheion zu erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487"> Ärmel sind bei dieser Tracht bald vorhanden, bald fehlen sie; wo sie da<lb/>
sind, haben sie meistens, wie die früher besprochenen, die Form der offenen,<lb/>
durch Knöpfe oder kleine Nadeln verbundenen Halbärmel, und es hat vielfach<lb/>
den Anschein, als feien dieselben nicht eigens angenähte Ärmelstücke, sondern<lb/>
gehörten zum Chiton selbst, welcher, weil er, wie in der Länge, so anch im<lb/>
Umfang beträchtlich mehr Stoff enthielt, als an und für sich zur Umhüllung<lb/>
des .Körpers nötig war, hinlänglich Material bot, um oben auf jeder Seite<lb/>
noch ein bedeutendes Stück über die Oberarme zu ziehen nud durch Zusainmen-<lb/>
nesteln zu scheinbaren Ärmeln zu verbinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1488"> (Schluß folgt.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst.<lb/><note type="byline"> von h. A. Lier.</note><lb/>
Lhodorviecki an Nicolcii.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1489"> er ans dem kürzesten Wege einen möglichst umfassenden Einblick<lb/>
in den Vorstellungskreis und die Anschauungen der Berliner<lb/>
Aufklärer im vorigen Jahrhundert gewinnen will, der greift am<lb/>
besten zu Friedrich Nicolais satirischen» Romane: &#x201E;Das Leben<lb/>
und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1490" next="#ID_1491"> Friedrich Nicolai, das Haupt der deutschen Aufklärer, hat in diesem drei-<lb/>
gen Werke, zu dem er deu Gedanken gleichzeitig mit dem der Begründn»g</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0420] Ancilekten zur «Leschichte der neueren deutschen 'Kunst. dann entweder so vornehmen, daß die zuletzt bezeichneten Enden des Brusttuches darübergelegt werden und die Nadeln verdecken, oder man nadelt das Bruststück mit, hat also auf der Schulter von vorn wie von hinten eine doppelte Tuch¬ lage zu radeln, und die Nadeln liegen dann sichtbar zu tage; letzteres pflegt das häufigere zu sein. Diese letztbeschricbcne Tracht ist eben diejenige, welche uns in ihrer schönsten Form ans den attischen Denkmälern aus der Epoche des Phidias entgegentritt; ihr Zusammenhang mit jenem früher allgemeinen kreis¬ runden Bausch läßt sich aber ans Vasenbildcrn verfolgen, denn es kommt nur darauf an, den über deu Gürtel fallenden Bausch der älter» Tracht möglichst zu verkleinern, sodaß der Abstand zwischen Überschlag und Bausch beträchtlich verringert wird, nud dann den Bausch in jener der Linie des Überschlages sich anschließenden Weise, wobei die Falten um den Seiten tiefer liegen als in der Mitte, zu arrangiren, um die edle Form des Gewandes der Karyatiden vom Erechtheion zu erhalten. Ärmel sind bei dieser Tracht bald vorhanden, bald fehlen sie; wo sie da sind, haben sie meistens, wie die früher besprochenen, die Form der offenen, durch Knöpfe oder kleine Nadeln verbundenen Halbärmel, und es hat vielfach den Anschein, als feien dieselben nicht eigens angenähte Ärmelstücke, sondern gehörten zum Chiton selbst, welcher, weil er, wie in der Länge, so anch im Umfang beträchtlich mehr Stoff enthielt, als an und für sich zur Umhüllung des .Körpers nötig war, hinlänglich Material bot, um oben auf jeder Seite noch ein bedeutendes Stück über die Oberarme zu ziehen nud durch Zusainmen- nesteln zu scheinbaren Ärmeln zu verbinden. (Schluß folgt.) Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst. von h. A. Lier. Lhodorviecki an Nicolcii. er ans dem kürzesten Wege einen möglichst umfassenden Einblick in den Vorstellungskreis und die Anschauungen der Berliner Aufklärer im vorigen Jahrhundert gewinnen will, der greift am besten zu Friedrich Nicolais satirischen» Romane: „Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker." Friedrich Nicolai, das Haupt der deutschen Aufklärer, hat in diesem drei- gen Werke, zu dem er deu Gedanken gleichzeitig mit dem der Begründn»g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/420
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/420>, abgerufen am 12.11.2024.