Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.kirchliches aus Würtemberg. rgend jemand hat einmal den Ausdruck gebraucht, Würtemberg Aus jener rein protestantischen Zeit schreibt sich nun die Gewohnheit her, Grenzboten I. 1885. 41
kirchliches aus Würtemberg. rgend jemand hat einmal den Ausdruck gebraucht, Würtemberg Aus jener rein protestantischen Zeit schreibt sich nun die Gewohnheit her, Grenzboten I. 1885. 41
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195009"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_194675/figures/grenzboten_341841_194675_195009_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> kirchliches aus Würtemberg.</head><lb/> <p xml:id="ID_1191"> rgend jemand hat einmal den Ausdruck gebraucht, Würtemberg<lb/> sei die protestantische Vendee. In der That ist die hierin ent¬<lb/> haltene Charakteristik für mehrere Jahrhunderte unsrer Landes-<lb/> geschieht« durchaus zutreffend. Seit den Tagen, wo Herzog Ulrich<lb/> nach dem Siege bei Lauffen 1534 sein Land in einer Weise pro-<lb/> testantisirte, die so wenig den Beifall des Herrn Johannes Janssen gefunden hat,<lb/> ist das Laud über zweihundcrtundfünfzig Jahre so gut wie rein evangelisch ge¬<lb/> wesen; die Stiftung Herzog Christophs, das „höhere evangelische Seminar" in<lb/> Tübingen, kurzweg das „Stift" genannt, lieferte dem Lande und der deutschen<lb/> Wissenschaft eine Reihe hervorragender Zierden und machte Würtemberg zu<lb/> einem bevorzugten Sitze protestantischer Gesinnung und oft auch autipäpstlicher<lb/> Polemik. Erst die rasch aufeinander folgenden und verhältnismäßig außerordent¬<lb/> lich umfangreichen Gebietserlverbungen, welche der schnell vom Herzogtum zum<lb/> Königreich aufsteigende Staat in den napoleonischen Zeiten gemacht hat, führten<lb/> ihm um obern Neckar, an der Tauber und Jagst und zwischen Donau und Boden-<lb/> see eine Reihe katholischer Städte und Dörfer zu, wodurch der vorher religiös<lb/> ausschließliche Staat zu einem paritätischen wurde; heutzutage zählt er etwa<lb/> 1300000 Protestanten und 600000 Katholiken, sodaß die letzteren ein schwaches<lb/> Drittel der Bevölkerung bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1192" next="#ID_1193"> Aus jener rein protestantischen Zeit schreibt sich nun die Gewohnheit her,<lb/> vermöge deren man in Würtemberg die politische und die kirchliche Gemeinde<lb/> als identisch betrachtet, und ein Ausdruck dieser ursprünglich durchaus die Sache<lb/> äffenden Ansicht war es, wenn mau auch die Verwaltung des kirchlichen Ver¬<lb/> mögens der Gemeinde im wesentlichen der weltlichen Vertretung der Gemeinde</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1885. 41</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
[Abbildung]
kirchliches aus Würtemberg.
rgend jemand hat einmal den Ausdruck gebraucht, Würtemberg
sei die protestantische Vendee. In der That ist die hierin ent¬
haltene Charakteristik für mehrere Jahrhunderte unsrer Landes-
geschieht« durchaus zutreffend. Seit den Tagen, wo Herzog Ulrich
nach dem Siege bei Lauffen 1534 sein Land in einer Weise pro-
testantisirte, die so wenig den Beifall des Herrn Johannes Janssen gefunden hat,
ist das Laud über zweihundcrtundfünfzig Jahre so gut wie rein evangelisch ge¬
wesen; die Stiftung Herzog Christophs, das „höhere evangelische Seminar" in
Tübingen, kurzweg das „Stift" genannt, lieferte dem Lande und der deutschen
Wissenschaft eine Reihe hervorragender Zierden und machte Würtemberg zu
einem bevorzugten Sitze protestantischer Gesinnung und oft auch autipäpstlicher
Polemik. Erst die rasch aufeinander folgenden und verhältnismäßig außerordent¬
lich umfangreichen Gebietserlverbungen, welche der schnell vom Herzogtum zum
Königreich aufsteigende Staat in den napoleonischen Zeiten gemacht hat, führten
ihm um obern Neckar, an der Tauber und Jagst und zwischen Donau und Boden-
see eine Reihe katholischer Städte und Dörfer zu, wodurch der vorher religiös
ausschließliche Staat zu einem paritätischen wurde; heutzutage zählt er etwa
1300000 Protestanten und 600000 Katholiken, sodaß die letzteren ein schwaches
Drittel der Bevölkerung bilden.
Aus jener rein protestantischen Zeit schreibt sich nun die Gewohnheit her,
vermöge deren man in Würtemberg die politische und die kirchliche Gemeinde
als identisch betrachtet, und ein Ausdruck dieser ursprünglich durchaus die Sache
äffenden Ansicht war es, wenn mau auch die Verwaltung des kirchlichen Ver¬
mögens der Gemeinde im wesentlichen der weltlichen Vertretung der Gemeinde
Grenzboten I. 1885. 41
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |