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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Der "blasse Heinrich" hielt den alten, mit den Händen hcrumfachirendcn
Mann an und betrachtete ihn näher. Ja freilich, Alter, bin ichs, und Ihr seid
der Hvlfert ans der Kapuzincrgasse, der Wirt Pipins?

Jnstcment, sagte der Alte und gab nun weiter ans Befragen Bescheid, daß
es ihm schlecht und recht gehe, und er vom Rathause vierundzwanzig Thaler
Pension beziehe, und als ihm der "blasse Heinrich" ein silbernes Fünfmarkstück
reichte, griff er gierig darnach und beteuerte: Dies Schaustück lasse ich mir aufs
Herz legen, wenn ich tot bin, denn es kommt von dem Allerbesten aus unsrer
ganzen Schule, von dem die ganze Stadt heute fabulirt, wie er die Rede so
schön gehalten über allen den Aufgeputzten.

Er wollte noch so fortplappern, aber der "blasse Heinrich" sagte: Genug
für heute, wir kommen alle morgen zu Euch, Meister Hvlfert, die ganze
Kameradschaft von ehedem, ich sag's dem Pipin, wo Ihr wohnt. Oder nein,
unterbrach er sich selbst, -- denn er war im Augenblicke ganz außerhalb der
veränderten Sachentwickluug, -- geht nur morgen früh in die "Krone," und
fragt nach dem Herrn Hoftheaterregisseur. Werdet Jhr's Euch merken?

Merken! wiederholte das Männlein.

Und fragt anch nach seiner Tochter Barbara!

Barbara! wiederholte jener.

Merkt Euch nur die Namen, Meister! Ihr werdet eine freundliche Auf¬
nahme finden und ein gutes Stück Geld bekommen.

Geld bekommen! hallte es wieder ans dem alten Gerüste nach.

Nun. sagt mir noch, Meister, ob denn auch mein ehemaliger Wirt noch
vorhanden ist, der Schiefwurz?

Der Schiefwurz? fragte Meister Holfert und sann nach.

Erinnert Euch doch, Alter! Lebt der Schiefwurz uoch?

Ach nein, gnädiger Herr, kam es mit Wisperstimme aus dein Männlein
heraus (während er oft das Silberstück vor die Angen führte): Der Schicfwnrz
liegt schon über die dreiundzwanzig Jahre begraben.

So gehabt Euch wohl, Meister! Kommt nur, ich führe Euch die Stufen
hinauf.

Er geleitete ihn bis an die Thürschwelle, dort schüttelte er ihm die Hand
zum Abschiede. Im Weitergehen dachte er: Ich werde hier nicht viele mehr
antreffen, muß morgen früh auf dem Kirchhofe einmal nachsehen.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Presse und Publikum. In Wien ist ein Strike in Szene gesetzt worden,
ti!r auf die Art, wie die dortige Presse in ihrer Mehrzahl ihren Beruf auffaßt,
^>n bezeichnendes Licht wirft. Der bekannte Abgeordnete schönerer führte, wie c?


Der „blasse Heinrich" hielt den alten, mit den Händen hcrumfachirendcn
Mann an und betrachtete ihn näher. Ja freilich, Alter, bin ichs, und Ihr seid
der Hvlfert ans der Kapuzincrgasse, der Wirt Pipins?

Jnstcment, sagte der Alte und gab nun weiter ans Befragen Bescheid, daß
es ihm schlecht und recht gehe, und er vom Rathause vierundzwanzig Thaler
Pension beziehe, und als ihm der „blasse Heinrich" ein silbernes Fünfmarkstück
reichte, griff er gierig darnach und beteuerte: Dies Schaustück lasse ich mir aufs
Herz legen, wenn ich tot bin, denn es kommt von dem Allerbesten aus unsrer
ganzen Schule, von dem die ganze Stadt heute fabulirt, wie er die Rede so
schön gehalten über allen den Aufgeputzten.

Er wollte noch so fortplappern, aber der „blasse Heinrich" sagte: Genug
für heute, wir kommen alle morgen zu Euch, Meister Hvlfert, die ganze
Kameradschaft von ehedem, ich sag's dem Pipin, wo Ihr wohnt. Oder nein,
unterbrach er sich selbst, — denn er war im Augenblicke ganz außerhalb der
veränderten Sachentwickluug, — geht nur morgen früh in die „Krone," und
fragt nach dem Herrn Hoftheaterregisseur. Werdet Jhr's Euch merken?

Merken! wiederholte das Männlein.

Und fragt anch nach seiner Tochter Barbara!

Barbara! wiederholte jener.

Merkt Euch nur die Namen, Meister! Ihr werdet eine freundliche Auf¬
nahme finden und ein gutes Stück Geld bekommen.

Geld bekommen! hallte es wieder ans dem alten Gerüste nach.

Nun. sagt mir noch, Meister, ob denn auch mein ehemaliger Wirt noch
vorhanden ist, der Schiefwurz?

Der Schiefwurz? fragte Meister Holfert und sann nach.

Erinnert Euch doch, Alter! Lebt der Schiefwurz uoch?

Ach nein, gnädiger Herr, kam es mit Wisperstimme aus dein Männlein
heraus (während er oft das Silberstück vor die Angen führte): Der Schicfwnrz
liegt schon über die dreiundzwanzig Jahre begraben.

So gehabt Euch wohl, Meister! Kommt nur, ich führe Euch die Stufen
hinauf.

Er geleitete ihn bis an die Thürschwelle, dort schüttelte er ihm die Hand
zum Abschiede. Im Weitergehen dachte er: Ich werde hier nicht viele mehr
antreffen, muß morgen früh auf dem Kirchhofe einmal nachsehen.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Presse und Publikum. In Wien ist ein Strike in Szene gesetzt worden,
ti!r auf die Art, wie die dortige Presse in ihrer Mehrzahl ihren Beruf auffaßt,
^>n bezeichnendes Licht wirft. Der bekannte Abgeordnete schönerer führte, wie c?


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[0329] Der „blasse Heinrich" hielt den alten, mit den Händen hcrumfachirendcn Mann an und betrachtete ihn näher. Ja freilich, Alter, bin ichs, und Ihr seid der Hvlfert ans der Kapuzincrgasse, der Wirt Pipins? Jnstcment, sagte der Alte und gab nun weiter ans Befragen Bescheid, daß es ihm schlecht und recht gehe, und er vom Rathause vierundzwanzig Thaler Pension beziehe, und als ihm der „blasse Heinrich" ein silbernes Fünfmarkstück reichte, griff er gierig darnach und beteuerte: Dies Schaustück lasse ich mir aufs Herz legen, wenn ich tot bin, denn es kommt von dem Allerbesten aus unsrer ganzen Schule, von dem die ganze Stadt heute fabulirt, wie er die Rede so schön gehalten über allen den Aufgeputzten. Er wollte noch so fortplappern, aber der „blasse Heinrich" sagte: Genug für heute, wir kommen alle morgen zu Euch, Meister Hvlfert, die ganze Kameradschaft von ehedem, ich sag's dem Pipin, wo Ihr wohnt. Oder nein, unterbrach er sich selbst, — denn er war im Augenblicke ganz außerhalb der veränderten Sachentwickluug, — geht nur morgen früh in die „Krone," und fragt nach dem Herrn Hoftheaterregisseur. Werdet Jhr's Euch merken? Merken! wiederholte das Männlein. Und fragt anch nach seiner Tochter Barbara! Barbara! wiederholte jener. Merkt Euch nur die Namen, Meister! Ihr werdet eine freundliche Auf¬ nahme finden und ein gutes Stück Geld bekommen. Geld bekommen! hallte es wieder ans dem alten Gerüste nach. Nun. sagt mir noch, Meister, ob denn auch mein ehemaliger Wirt noch vorhanden ist, der Schiefwurz? Der Schiefwurz? fragte Meister Holfert und sann nach. Erinnert Euch doch, Alter! Lebt der Schiefwurz uoch? Ach nein, gnädiger Herr, kam es mit Wisperstimme aus dein Männlein heraus (während er oft das Silberstück vor die Angen führte): Der Schicfwnrz liegt schon über die dreiundzwanzig Jahre begraben. So gehabt Euch wohl, Meister! Kommt nur, ich führe Euch die Stufen hinauf. Er geleitete ihn bis an die Thürschwelle, dort schüttelte er ihm die Hand zum Abschiede. Im Weitergehen dachte er: Ich werde hier nicht viele mehr antreffen, muß morgen früh auf dem Kirchhofe einmal nachsehen. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Presse und Publikum. In Wien ist ein Strike in Szene gesetzt worden, ti!r auf die Art, wie die dortige Presse in ihrer Mehrzahl ihren Beruf auffaßt, ^>n bezeichnendes Licht wirft. Der bekannte Abgeordnete schönerer führte, wie c?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/329>, abgerufen am 12.11.2024.