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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Notizen.

Aus New York erhalten die Grenzboten folgende Zuschrift:

Dank Samiel! -- Wenn jemals ein unerfreuliches und widerwärtiges An¬
stifte" auf seine Urheber zurückgefallen, wenn irgendwo die Kraft wirksam ge¬
wesen ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, so war es letzthin, als
die großen Männer unsers Volkes mutvoll auszogen und dem Fürsten Bismarck
eine seiner vielen "Niederlagen" beibrachten.

Wie kurzsichtig war dieser Feldzug angelegt! welch ein Pyrrhussieg ist er¬
fochten worden!

Das gesamte Anstand, zuerst verblüfft, besieht sich die Sache, fängt an, den
Kopf zu schütteln, die Achseln zu zucken, und wenn jemals Sympathie für den
Lenker unsers Reiches geworben worden ist, so geschah es jetzt durch seine Feinde.

Ueber die Sache selbst ist wenig zu sagen. Ein Handlungshaus, das gute
Geschäfte macht und dessen Korrespondenz sich vergrößert hat, braucht einen neuen
Clerk. Welcher Leiter einer aufblühenden Firma wäre so domit, hier an den
Mitteln zu krausem? Deutschland ist eine gute Firma geworden, sein Einfluß ist
gestiegen, seine Beziehungen sind gewachsen, das Personal seiner Offizin muß ver¬
mehrt werden. Der einzig kompetente Mensch sagt, daß es nötig sei, und -- man
verweigert den Gehalt für den Anzustellenden. Es ist zu dumm!

Aber es ist nicht das allein. Die Geldfrage, die elenden paar Mark, die
dabei in Frage kennen, setzen die Frage in ein viel schärferes Licht.

Wie klein, sagt sich die Welt, muß doch die Gesinnung der deutscheu National¬
vertreter, wie schäbig müssen ihre Gewohnheiten, wie engherzig müssen ihm Kal¬
küls sein, um wegen einer solchen Bagatelle in einer ganz außerhalb des Prinzips
liegenden Sache dem Reichskanzler ein Bein zu stellen, einem Manne einen Buben¬
streich zu spielen! Kein Franzose hätte es gethan -- sie sind hierin weiter --,
kein Engländer, kein Amerikaner hätte es gethan, nicht so, nicht bei einer solchen
Gelegenheit -- not lor tvvies so arcet, sagen die Amerikaner.

Es ist beschämend gerade für einen Deutschen in Amerika, den Führer unsers
Volkes so behandelt zu sehen. Was der Deutsche an Achtung im Auslande ge¬
nießt, verdankt er ja diesem Manne; was ihn befähigen wird, sich als Deutschen
"n fremden Volkstum zu behaupten, verdankt er diesem Manne; was ihn über¬
haupt auf den Gedanken gebracht, im fremden Lande ein Deutscher sein zu wollen,
verdankt er diesem Manne. Es ist das größte Verdienst des Fürsten Bismarck,
daß er sein Volk von Grund ans aufgerüttelt hat. Er hatte alle Eigeilschafte.i,
die dein Dentschen bis dahin fehlten: den Blick für das Notwendige, den Verstand
sür das Praktische; er hatte das Geschick und das Selbstvertrauen, die dem Deut¬
schen mangelten. ^ _ ^ ,

Seit noch uicht zwanzig Jahren ist unser Volk wie umgewandelt. Sem Cha¬
rter ist vollständig im Fluß; er hat sich geradezu erstaunlich geändert und w.rd
'es immer noch mehr ändern. Zum erstenmale seit Jahrhunderten wissen die Deut¬
schen wieder, was sie wollen, sie haben neuen Boden unter den Fuß^ sie haben
"nen gesunden politischen Besitzstand, sie haben Ziele vor sich. Ihr Blick ist acht
'"ehr in die Wolken, er ist auf das Leben gerichtet, sie regen sich überall, sie sind
d'e Konkurrenten aller Welt, sie sind jedermann im Wege, weil mau ihre Leistungs-
fähigkeit sieht und ihren Eifer fürchtet, weil man sieht, daß sie endlich deutsch sei"


Notizen.

Aus New York erhalten die Grenzboten folgende Zuschrift:

Dank Samiel! — Wenn jemals ein unerfreuliches und widerwärtiges An¬
stifte» auf seine Urheber zurückgefallen, wenn irgendwo die Kraft wirksam ge¬
wesen ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, so war es letzthin, als
die großen Männer unsers Volkes mutvoll auszogen und dem Fürsten Bismarck
eine seiner vielen „Niederlagen" beibrachten.

Wie kurzsichtig war dieser Feldzug angelegt! welch ein Pyrrhussieg ist er¬
fochten worden!

Das gesamte Anstand, zuerst verblüfft, besieht sich die Sache, fängt an, den
Kopf zu schütteln, die Achseln zu zucken, und wenn jemals Sympathie für den
Lenker unsers Reiches geworben worden ist, so geschah es jetzt durch seine Feinde.

Ueber die Sache selbst ist wenig zu sagen. Ein Handlungshaus, das gute
Geschäfte macht und dessen Korrespondenz sich vergrößert hat, braucht einen neuen
Clerk. Welcher Leiter einer aufblühenden Firma wäre so domit, hier an den
Mitteln zu krausem? Deutschland ist eine gute Firma geworden, sein Einfluß ist
gestiegen, seine Beziehungen sind gewachsen, das Personal seiner Offizin muß ver¬
mehrt werden. Der einzig kompetente Mensch sagt, daß es nötig sei, und — man
verweigert den Gehalt für den Anzustellenden. Es ist zu dumm!

Aber es ist nicht das allein. Die Geldfrage, die elenden paar Mark, die
dabei in Frage kennen, setzen die Frage in ein viel schärferes Licht.

Wie klein, sagt sich die Welt, muß doch die Gesinnung der deutscheu National¬
vertreter, wie schäbig müssen ihre Gewohnheiten, wie engherzig müssen ihm Kal¬
küls sein, um wegen einer solchen Bagatelle in einer ganz außerhalb des Prinzips
liegenden Sache dem Reichskanzler ein Bein zu stellen, einem Manne einen Buben¬
streich zu spielen! Kein Franzose hätte es gethan — sie sind hierin weiter —,
kein Engländer, kein Amerikaner hätte es gethan, nicht so, nicht bei einer solchen
Gelegenheit — not lor tvvies so arcet, sagen die Amerikaner.

Es ist beschämend gerade für einen Deutschen in Amerika, den Führer unsers
Volkes so behandelt zu sehen. Was der Deutsche an Achtung im Auslande ge¬
nießt, verdankt er ja diesem Manne; was ihn befähigen wird, sich als Deutschen
"n fremden Volkstum zu behaupten, verdankt er diesem Manne; was ihn über¬
haupt auf den Gedanken gebracht, im fremden Lande ein Deutscher sein zu wollen,
verdankt er diesem Manne. Es ist das größte Verdienst des Fürsten Bismarck,
daß er sein Volk von Grund ans aufgerüttelt hat. Er hatte alle Eigeilschafte.i,
die dein Dentschen bis dahin fehlten: den Blick für das Notwendige, den Verstand
sür das Praktische; er hatte das Geschick und das Selbstvertrauen, die dem Deut¬
schen mangelten. ^ _ ^ ,

Seit noch uicht zwanzig Jahren ist unser Volk wie umgewandelt. Sem Cha¬
rter ist vollständig im Fluß; er hat sich geradezu erstaunlich geändert und w.rd
'es immer noch mehr ändern. Zum erstenmale seit Jahrhunderten wissen die Deut¬
schen wieder, was sie wollen, sie haben neuen Boden unter den Fuß^ sie haben
"nen gesunden politischen Besitzstand, sie haben Ziele vor sich. Ihr Blick ist acht
'«ehr in die Wolken, er ist auf das Leben gerichtet, sie regen sich überall, sie sind
d'e Konkurrenten aller Welt, sie sind jedermann im Wege, weil mau ihre Leistungs-
fähigkeit sieht und ihren Eifer fürchtet, weil man sieht, daß sie endlich deutsch sei»


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[0215] Notizen. Aus New York erhalten die Grenzboten folgende Zuschrift: Dank Samiel! — Wenn jemals ein unerfreuliches und widerwärtiges An¬ stifte» auf seine Urheber zurückgefallen, wenn irgendwo die Kraft wirksam ge¬ wesen ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, so war es letzthin, als die großen Männer unsers Volkes mutvoll auszogen und dem Fürsten Bismarck eine seiner vielen „Niederlagen" beibrachten. Wie kurzsichtig war dieser Feldzug angelegt! welch ein Pyrrhussieg ist er¬ fochten worden! Das gesamte Anstand, zuerst verblüfft, besieht sich die Sache, fängt an, den Kopf zu schütteln, die Achseln zu zucken, und wenn jemals Sympathie für den Lenker unsers Reiches geworben worden ist, so geschah es jetzt durch seine Feinde. Ueber die Sache selbst ist wenig zu sagen. Ein Handlungshaus, das gute Geschäfte macht und dessen Korrespondenz sich vergrößert hat, braucht einen neuen Clerk. Welcher Leiter einer aufblühenden Firma wäre so domit, hier an den Mitteln zu krausem? Deutschland ist eine gute Firma geworden, sein Einfluß ist gestiegen, seine Beziehungen sind gewachsen, das Personal seiner Offizin muß ver¬ mehrt werden. Der einzig kompetente Mensch sagt, daß es nötig sei, und — man verweigert den Gehalt für den Anzustellenden. Es ist zu dumm! Aber es ist nicht das allein. Die Geldfrage, die elenden paar Mark, die dabei in Frage kennen, setzen die Frage in ein viel schärferes Licht. Wie klein, sagt sich die Welt, muß doch die Gesinnung der deutscheu National¬ vertreter, wie schäbig müssen ihre Gewohnheiten, wie engherzig müssen ihm Kal¬ küls sein, um wegen einer solchen Bagatelle in einer ganz außerhalb des Prinzips liegenden Sache dem Reichskanzler ein Bein zu stellen, einem Manne einen Buben¬ streich zu spielen! Kein Franzose hätte es gethan — sie sind hierin weiter —, kein Engländer, kein Amerikaner hätte es gethan, nicht so, nicht bei einer solchen Gelegenheit — not lor tvvies so arcet, sagen die Amerikaner. Es ist beschämend gerade für einen Deutschen in Amerika, den Führer unsers Volkes so behandelt zu sehen. Was der Deutsche an Achtung im Auslande ge¬ nießt, verdankt er ja diesem Manne; was ihn befähigen wird, sich als Deutschen "n fremden Volkstum zu behaupten, verdankt er diesem Manne; was ihn über¬ haupt auf den Gedanken gebracht, im fremden Lande ein Deutscher sein zu wollen, verdankt er diesem Manne. Es ist das größte Verdienst des Fürsten Bismarck, daß er sein Volk von Grund ans aufgerüttelt hat. Er hatte alle Eigeilschafte.i, die dein Dentschen bis dahin fehlten: den Blick für das Notwendige, den Verstand sür das Praktische; er hatte das Geschick und das Selbstvertrauen, die dem Deut¬ schen mangelten. ^ _ ^ , Seit noch uicht zwanzig Jahren ist unser Volk wie umgewandelt. Sem Cha¬ rter ist vollständig im Fluß; er hat sich geradezu erstaunlich geändert und w.rd 'es immer noch mehr ändern. Zum erstenmale seit Jahrhunderten wissen die Deut¬ schen wieder, was sie wollen, sie haben neuen Boden unter den Fuß^ sie haben "nen gesunden politischen Besitzstand, sie haben Ziele vor sich. Ihr Blick ist acht '«ehr in die Wolken, er ist auf das Leben gerichtet, sie regen sich überall, sie sind d'e Konkurrenten aller Welt, sie sind jedermann im Wege, weil mau ihre Leistungs- fähigkeit sieht und ihren Eifer fürchtet, weil man sieht, daß sie endlich deutsch sei»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/215>, abgerufen am 12.11.2024.