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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Zur Börsensteuer.

ihre Mitwirkung zu den wohlgemeinten Besserungsvorschlägen der Regierung,
so wird die Katastrophe umso rascher hereinbrechen, eine Katastrophe, welche sie
schrecklich aus ihren utopistischen Träumen erwecken wird. Von jedem aber,
den der Parteiwahnsinn nicht völlig um den Verstand gebracht hat, sollte man
jetzt erwarten, daß er die Macht der Regierung in jeder Hinsicht verstärken
helfe, um ihr den unausbleiblichen Kampf gegen die Revolutionspartei zu er¬
möglichen.



Zur Vörsensteuer.

on dem Abgeordneten Wedell-Malchow ist der Entwurf einer
Geschäftssteuer in den Reichstag eingebracht worden, welcher be¬
reits am Schlüsse der vorigen Session vom Bundesrate vorgelegt
war, aber nicht mehr zur Beratung im Hause gelangte. Der
Antragsteller hat diesem Gegenstande schon seit Jahren seine Auf¬
merksamkeit zugewendet, aber alle seine Versuche sind bisher ohne Erfolg ge¬
wesen. Sein erster Entwurf führte in der Reichstagskommission nur zu der
Überzeugung, daß eine größere Heranziehung der Börsengeschäfte, besonders
soweit sie spekulativer Natur seien, wünschenswert wäre. Es kam aber gleich¬
zeitig zum Ausdruck, daß man bei der Art der Geschäfte kein Merkmal für die
höher zu besteuernden anzugeben wußte, weil bei der Form, welchen der Börsen¬
verkehr zur Zeit angenommen hat, nicht immer das Spekulationsgeschäft von
dem reellen Kauf und Verkauf zu unterscheiden ist. Die Bundesratsvorlage
vom vorigen Jahre oder vielmehr von der vorigen Session hat die Grenzen
weiter gesteckt und eine allgemeine Geschäftssteuer in Anregung gebracht, die
mit wenigen Ausnahmen allgemein das mobile Geschäft traf und nur die Ge¬
schäfte mit selbsterzeugten Waaren freiließ. Die Sicherung der Steuer lag in
einer Reihe polizeilicher und strafrechtlicher Kontrolen, die am meisten von allen
andern Vorschriften eine Agitation und Opposition im Handelsstande hervor¬
riefen. Wir wissen nicht, ob der Bundesrat dieses Projekt wieder hat fallen
lassen; es wird wohl kein Zufall sein, daß es von der Negierung nicht wieder
eingebracht worden ist. Der Abgeordnete Wedell-Malchow wird der Meinung
sein, daß er mit der Wiedereinbringung dieser Vorlage wenigstens der Zustim¬
mung des einen gesetzgebenden Faktors sich versichert halten kann. Allein bei
der gegenwärtigen Sachlage hat der Bundesrat wieder freie Hand, und so ist
der Diskussion nach allen Richtungen freier Spielraum gegeben.

Alle Versuche einer Börsensteuer tragen zwei hervorstechende Merkmale an
sich, ein finanzielles und ein ethisches. Gegenüber der Belastung des Grund-


Zur Börsensteuer.

ihre Mitwirkung zu den wohlgemeinten Besserungsvorschlägen der Regierung,
so wird die Katastrophe umso rascher hereinbrechen, eine Katastrophe, welche sie
schrecklich aus ihren utopistischen Träumen erwecken wird. Von jedem aber,
den der Parteiwahnsinn nicht völlig um den Verstand gebracht hat, sollte man
jetzt erwarten, daß er die Macht der Regierung in jeder Hinsicht verstärken
helfe, um ihr den unausbleiblichen Kampf gegen die Revolutionspartei zu er¬
möglichen.



Zur Vörsensteuer.

on dem Abgeordneten Wedell-Malchow ist der Entwurf einer
Geschäftssteuer in den Reichstag eingebracht worden, welcher be¬
reits am Schlüsse der vorigen Session vom Bundesrate vorgelegt
war, aber nicht mehr zur Beratung im Hause gelangte. Der
Antragsteller hat diesem Gegenstande schon seit Jahren seine Auf¬
merksamkeit zugewendet, aber alle seine Versuche sind bisher ohne Erfolg ge¬
wesen. Sein erster Entwurf führte in der Reichstagskommission nur zu der
Überzeugung, daß eine größere Heranziehung der Börsengeschäfte, besonders
soweit sie spekulativer Natur seien, wünschenswert wäre. Es kam aber gleich¬
zeitig zum Ausdruck, daß man bei der Art der Geschäfte kein Merkmal für die
höher zu besteuernden anzugeben wußte, weil bei der Form, welchen der Börsen¬
verkehr zur Zeit angenommen hat, nicht immer das Spekulationsgeschäft von
dem reellen Kauf und Verkauf zu unterscheiden ist. Die Bundesratsvorlage
vom vorigen Jahre oder vielmehr von der vorigen Session hat die Grenzen
weiter gesteckt und eine allgemeine Geschäftssteuer in Anregung gebracht, die
mit wenigen Ausnahmen allgemein das mobile Geschäft traf und nur die Ge¬
schäfte mit selbsterzeugten Waaren freiließ. Die Sicherung der Steuer lag in
einer Reihe polizeilicher und strafrechtlicher Kontrolen, die am meisten von allen
andern Vorschriften eine Agitation und Opposition im Handelsstande hervor¬
riefen. Wir wissen nicht, ob der Bundesrat dieses Projekt wieder hat fallen
lassen; es wird wohl kein Zufall sein, daß es von der Negierung nicht wieder
eingebracht worden ist. Der Abgeordnete Wedell-Malchow wird der Meinung
sein, daß er mit der Wiedereinbringung dieser Vorlage wenigstens der Zustim¬
mung des einen gesetzgebenden Faktors sich versichert halten kann. Allein bei
der gegenwärtigen Sachlage hat der Bundesrat wieder freie Hand, und so ist
der Diskussion nach allen Richtungen freier Spielraum gegeben.

Alle Versuche einer Börsensteuer tragen zwei hervorstechende Merkmale an
sich, ein finanzielles und ein ethisches. Gegenüber der Belastung des Grund-


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[0500] Zur Börsensteuer. ihre Mitwirkung zu den wohlgemeinten Besserungsvorschlägen der Regierung, so wird die Katastrophe umso rascher hereinbrechen, eine Katastrophe, welche sie schrecklich aus ihren utopistischen Träumen erwecken wird. Von jedem aber, den der Parteiwahnsinn nicht völlig um den Verstand gebracht hat, sollte man jetzt erwarten, daß er die Macht der Regierung in jeder Hinsicht verstärken helfe, um ihr den unausbleiblichen Kampf gegen die Revolutionspartei zu er¬ möglichen. [Abbildung] Zur Vörsensteuer. on dem Abgeordneten Wedell-Malchow ist der Entwurf einer Geschäftssteuer in den Reichstag eingebracht worden, welcher be¬ reits am Schlüsse der vorigen Session vom Bundesrate vorgelegt war, aber nicht mehr zur Beratung im Hause gelangte. Der Antragsteller hat diesem Gegenstande schon seit Jahren seine Auf¬ merksamkeit zugewendet, aber alle seine Versuche sind bisher ohne Erfolg ge¬ wesen. Sein erster Entwurf führte in der Reichstagskommission nur zu der Überzeugung, daß eine größere Heranziehung der Börsengeschäfte, besonders soweit sie spekulativer Natur seien, wünschenswert wäre. Es kam aber gleich¬ zeitig zum Ausdruck, daß man bei der Art der Geschäfte kein Merkmal für die höher zu besteuernden anzugeben wußte, weil bei der Form, welchen der Börsen¬ verkehr zur Zeit angenommen hat, nicht immer das Spekulationsgeschäft von dem reellen Kauf und Verkauf zu unterscheiden ist. Die Bundesratsvorlage vom vorigen Jahre oder vielmehr von der vorigen Session hat die Grenzen weiter gesteckt und eine allgemeine Geschäftssteuer in Anregung gebracht, die mit wenigen Ausnahmen allgemein das mobile Geschäft traf und nur die Ge¬ schäfte mit selbsterzeugten Waaren freiließ. Die Sicherung der Steuer lag in einer Reihe polizeilicher und strafrechtlicher Kontrolen, die am meisten von allen andern Vorschriften eine Agitation und Opposition im Handelsstande hervor¬ riefen. Wir wissen nicht, ob der Bundesrat dieses Projekt wieder hat fallen lassen; es wird wohl kein Zufall sein, daß es von der Negierung nicht wieder eingebracht worden ist. Der Abgeordnete Wedell-Malchow wird der Meinung sein, daß er mit der Wiedereinbringung dieser Vorlage wenigstens der Zustim¬ mung des einen gesetzgebenden Faktors sich versichert halten kann. Allein bei der gegenwärtigen Sachlage hat der Bundesrat wieder freie Hand, und so ist der Diskussion nach allen Richtungen freier Spielraum gegeben. Alle Versuche einer Börsensteuer tragen zwei hervorstechende Merkmale an sich, ein finanzielles und ein ethisches. Gegenüber der Belastung des Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/500>, abgerufen am 27.12.2024.