Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


jDfisters Mühle.
Li Nlilhelm Raabe. n Sommerferienheft von
(Fortsetzung.)

.^"^.
> ^^^^ ^ <es, wäre es an jenem Wintertage nur so leicht gewesen, den
Doktor Lippoldes zum warmen Ofen zurückzubringen, wie
Enns es sich in ihrem Sommernachtstraum vorzustellen schien!
Zu meinem Schrecken merkte ich, daß ich allein den Mann nicht
weiterzuführen vermochte. Er Schnatterte jetzt vor Frost und
sprach immer seltsamere Dinge. Es blieb mir nichts übrig, als Asche um Bei¬
stand anzurufen.

Der blieb denn auch stehen, zuckte die Achseln, sah den Poeten von neuem
an und murmelte:

Kann man es den Leuten verdenken, wenn sie sich was darauf zugute
thun, daß sie stets ganz genau wissen, was unsereinem gegen Schluß der
Komödie zu Passiren Pflegt?

Er legte mit einer wahrhaft nichtswürdigen Fratze den grimmig-possirlichen
Accent auf die Worte "Leute" und "unsereiner", und meinte dann mit voll¬
kommen gleichgiltiger Miene:

Wir haben ihn natürlich so rasch als möglich -- lebendig oder tot --
nach Hause zu schaffen; ich kann dem armen Mädchen nicht darüber weghelfen.
Nur betrunken ist er diesmal nicht. Stellen Sie den verdammten Kober weg,
saufe. Es wird ihn uns heute am heiligen Feste hoffentlich niemand stehlen.
Laufen Sie voraus zu Fräulein Lippoldes und bestellen Sie ein Kompliment --
zum Henker, nein, warten Sie; hier bin ich doch zu wenig nütze, Ebert; --
greifen Sie dem Elend unter die Arme, saufe; ich werde vorausgehen, das
Bett zu wärmen und das Fräulein vorzubereiten.

Ein Wort noch, Herr Doktor! sprach saufe. Was meinen Sie hierzu?
fragte er, aus der Tasche seiner Zottenjacke eine flache Flasche mit einer Flüssig-


Grenzboten IV. 1884. 54


jDfisters Mühle.
Li Nlilhelm Raabe. n Sommerferienheft von
(Fortsetzung.)

.^«^.
> ^^^^ ^ <es, wäre es an jenem Wintertage nur so leicht gewesen, den
Doktor Lippoldes zum warmen Ofen zurückzubringen, wie
Enns es sich in ihrem Sommernachtstraum vorzustellen schien!
Zu meinem Schrecken merkte ich, daß ich allein den Mann nicht
weiterzuführen vermochte. Er Schnatterte jetzt vor Frost und
sprach immer seltsamere Dinge. Es blieb mir nichts übrig, als Asche um Bei¬
stand anzurufen.

Der blieb denn auch stehen, zuckte die Achseln, sah den Poeten von neuem
an und murmelte:

Kann man es den Leuten verdenken, wenn sie sich was darauf zugute
thun, daß sie stets ganz genau wissen, was unsereinem gegen Schluß der
Komödie zu Passiren Pflegt?

Er legte mit einer wahrhaft nichtswürdigen Fratze den grimmig-possirlichen
Accent auf die Worte „Leute" und „unsereiner", und meinte dann mit voll¬
kommen gleichgiltiger Miene:

Wir haben ihn natürlich so rasch als möglich — lebendig oder tot —
nach Hause zu schaffen; ich kann dem armen Mädchen nicht darüber weghelfen.
Nur betrunken ist er diesmal nicht. Stellen Sie den verdammten Kober weg,
saufe. Es wird ihn uns heute am heiligen Feste hoffentlich niemand stehlen.
Laufen Sie voraus zu Fräulein Lippoldes und bestellen Sie ein Kompliment —
zum Henker, nein, warten Sie; hier bin ich doch zu wenig nütze, Ebert; —
greifen Sie dem Elend unter die Arme, saufe; ich werde vorausgehen, das
Bett zu wärmen und das Fräulein vorzubereiten.

Ein Wort noch, Herr Doktor! sprach saufe. Was meinen Sie hierzu?
fragte er, aus der Tasche seiner Zottenjacke eine flache Flasche mit einer Flüssig-


Grenzboten IV. 1884. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157358"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341839_156924/figures/grenzboten_341839_156924_157358_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> jDfisters Mühle.<lb/>
Li<note type="byline"> Nlilhelm Raabe.</note> n Sommerferienheft von<lb/>
(Fortsetzung.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1483"> .^«^.<lb/>
&gt; ^^^^ ^ &lt;es, wäre es an jenem Wintertage nur so leicht gewesen, den<lb/>
Doktor Lippoldes zum warmen Ofen zurückzubringen, wie<lb/>
Enns es sich in ihrem Sommernachtstraum vorzustellen schien!<lb/>
Zu meinem Schrecken merkte ich, daß ich allein den Mann nicht<lb/>
weiterzuführen vermochte. Er Schnatterte jetzt vor Frost und<lb/>
sprach immer seltsamere Dinge. Es blieb mir nichts übrig, als Asche um Bei¬<lb/>
stand anzurufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1484"> Der blieb denn auch stehen, zuckte die Achseln, sah den Poeten von neuem<lb/>
an und murmelte:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1485"> Kann man es den Leuten verdenken, wenn sie sich was darauf zugute<lb/>
thun, daß sie stets ganz genau wissen, was unsereinem gegen Schluß der<lb/>
Komödie zu Passiren Pflegt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1486"> Er legte mit einer wahrhaft nichtswürdigen Fratze den grimmig-possirlichen<lb/>
Accent auf die Worte &#x201E;Leute" und &#x201E;unsereiner", und meinte dann mit voll¬<lb/>
kommen gleichgiltiger Miene:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487"> Wir haben ihn natürlich so rasch als möglich &#x2014; lebendig oder tot &#x2014;<lb/>
nach Hause zu schaffen; ich kann dem armen Mädchen nicht darüber weghelfen.<lb/>
Nur betrunken ist er diesmal nicht. Stellen Sie den verdammten Kober weg,<lb/>
saufe. Es wird ihn uns heute am heiligen Feste hoffentlich niemand stehlen.<lb/>
Laufen Sie voraus zu Fräulein Lippoldes und bestellen Sie ein Kompliment &#x2014;<lb/>
zum Henker, nein, warten Sie; hier bin ich doch zu wenig nütze, Ebert; &#x2014;<lb/>
greifen Sie dem Elend unter die Arme, saufe; ich werde vorausgehen, das<lb/>
Bett zu wärmen und das Fräulein vorzubereiten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1488" next="#ID_1489"> Ein Wort noch, Herr Doktor! sprach saufe. Was meinen Sie hierzu?<lb/>
fragte er, aus der Tasche seiner Zottenjacke eine flache Flasche mit einer Flüssig-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1884. 54</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0433] [Abbildung] jDfisters Mühle. Li Nlilhelm Raabe. n Sommerferienheft von (Fortsetzung.) .^«^. > ^^^^ ^ <es, wäre es an jenem Wintertage nur so leicht gewesen, den Doktor Lippoldes zum warmen Ofen zurückzubringen, wie Enns es sich in ihrem Sommernachtstraum vorzustellen schien! Zu meinem Schrecken merkte ich, daß ich allein den Mann nicht weiterzuführen vermochte. Er Schnatterte jetzt vor Frost und sprach immer seltsamere Dinge. Es blieb mir nichts übrig, als Asche um Bei¬ stand anzurufen. Der blieb denn auch stehen, zuckte die Achseln, sah den Poeten von neuem an und murmelte: Kann man es den Leuten verdenken, wenn sie sich was darauf zugute thun, daß sie stets ganz genau wissen, was unsereinem gegen Schluß der Komödie zu Passiren Pflegt? Er legte mit einer wahrhaft nichtswürdigen Fratze den grimmig-possirlichen Accent auf die Worte „Leute" und „unsereiner", und meinte dann mit voll¬ kommen gleichgiltiger Miene: Wir haben ihn natürlich so rasch als möglich — lebendig oder tot — nach Hause zu schaffen; ich kann dem armen Mädchen nicht darüber weghelfen. Nur betrunken ist er diesmal nicht. Stellen Sie den verdammten Kober weg, saufe. Es wird ihn uns heute am heiligen Feste hoffentlich niemand stehlen. Laufen Sie voraus zu Fräulein Lippoldes und bestellen Sie ein Kompliment — zum Henker, nein, warten Sie; hier bin ich doch zu wenig nütze, Ebert; — greifen Sie dem Elend unter die Arme, saufe; ich werde vorausgehen, das Bett zu wärmen und das Fräulein vorzubereiten. Ein Wort noch, Herr Doktor! sprach saufe. Was meinen Sie hierzu? fragte er, aus der Tasche seiner Zottenjacke eine flache Flasche mit einer Flüssig- Grenzboten IV. 1884. 54

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/433
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/433>, abgerufen am 27.12.2024.