Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
pfisters Mühle.

Wachslichter zwischen den vergoldeten Nüssen und Äpfeln, den Zuckerherzen und
allem, was sonst Christine aus der Stadt zum Zweck mitgebracht hatte, anzu¬
zünden. Christine selbst freilich scharwerkte in Verbindung mit den beiden Mägden
der Wirtschaft noch aufgeregt in der Küche und hatte mir vorerst nur eine
feuchte und nach einem Gemisch von Zwiebeln und Zitronen duftende Hand zum
Willkommen durch die Thürspalte reichen können.

Es war ihnen Gottlob allen lieb, daß wir endlich da waren. Sie kamen
sämtlich bei unserm Eintritt in Bewegung. --

'Rau mit der Lunte, saufe! kommandirte mein Vater, und über alles Be¬
grüßungsgetöse von Vater Pfisters Weihnachtsgesellschaft klang eine tiefe, klang¬
volle Stimme:

Willkommen im Hafen, meine Herren!

Man muß sich immer erst eine Weile an das Licht gewöhnen, wenn man
von der Landstraße, aus der Nacht und dem scharfen Nordost kommt. Wir
hielten beide noch die Hände über die Augen; aber jene Stimme kannten wir
seit lange bei Nacht und bei Tage.

He, auch der Sänger!. . . Vater Pfister, Sie sind wie immer der Meister¬
mann! . . . Lippoldes! Natürlich -- zu dem Guten bringt er das Beste! Guten
Abend, göttergeweihter -- alter Freund.

Ich erlaube mir, Ihnen meine Tochter vorzustellen, Asche. -- Meine
Tochter -- Herr Doktor Asche! -- Herr Eberhard Pfister Junior -- meine
Tochter Albertine! Ja, Ihr Herr Vater war so freundlich, uns zu dem heutigen
Festabend einzuladen, lieber Ebert!




Zwölftes Blatt.
Unter Vater Pfisters Weihnachtsbaum.

Ich habe mein Teil, und glücklicherweise ist es auch seine oder ihre Mei¬
nung, daß das ein Glück sei! Da sitzt es oder sie in der Turbinenstube mit
dem Nähzeug im Schoß und läßt sich von mir in Ermangelung eines Inter¬
essanteren von Pfisters Mühle erzählen in der Villeggiatur. Reizend sieht es
aus, mein bescheiden lieblich Teil, neben dem Beutelkasten. Ich weiß nichts
Hübscheres in aller weiten und nahen Welt als mein mir beschieden Teil, wie
es dasitzt an unserm Tischchen vor dem stillen Kammrad und den unbeweglichen
Mühlsteinen, mit dem heißen Tag draußen und dem Fluß, der für jetzt noch
munter fort und fort rauscht durch den jetzt so nutzlosen Mühlrechen. Um den
Weltbaum herum sucht sich die Sonne aber doch wieder ihren Weg in unsern
kühlen Schlupfwinkel und zu meinem jungen Weibe; gerade als ob auch sie
mir eben mein wonniglich Teil vom Glücke dieser Erde in das beste Licht zu
stellen den Auftrag erhalten habe.


pfisters Mühle.

Wachslichter zwischen den vergoldeten Nüssen und Äpfeln, den Zuckerherzen und
allem, was sonst Christine aus der Stadt zum Zweck mitgebracht hatte, anzu¬
zünden. Christine selbst freilich scharwerkte in Verbindung mit den beiden Mägden
der Wirtschaft noch aufgeregt in der Küche und hatte mir vorerst nur eine
feuchte und nach einem Gemisch von Zwiebeln und Zitronen duftende Hand zum
Willkommen durch die Thürspalte reichen können.

Es war ihnen Gottlob allen lieb, daß wir endlich da waren. Sie kamen
sämtlich bei unserm Eintritt in Bewegung. —

'Rau mit der Lunte, saufe! kommandirte mein Vater, und über alles Be¬
grüßungsgetöse von Vater Pfisters Weihnachtsgesellschaft klang eine tiefe, klang¬
volle Stimme:

Willkommen im Hafen, meine Herren!

Man muß sich immer erst eine Weile an das Licht gewöhnen, wenn man
von der Landstraße, aus der Nacht und dem scharfen Nordost kommt. Wir
hielten beide noch die Hände über die Augen; aber jene Stimme kannten wir
seit lange bei Nacht und bei Tage.

He, auch der Sänger!. . . Vater Pfister, Sie sind wie immer der Meister¬
mann! . . . Lippoldes! Natürlich — zu dem Guten bringt er das Beste! Guten
Abend, göttergeweihter — alter Freund.

Ich erlaube mir, Ihnen meine Tochter vorzustellen, Asche. — Meine
Tochter — Herr Doktor Asche! — Herr Eberhard Pfister Junior — meine
Tochter Albertine! Ja, Ihr Herr Vater war so freundlich, uns zu dem heutigen
Festabend einzuladen, lieber Ebert!




Zwölftes Blatt.
Unter Vater Pfisters Weihnachtsbaum.

Ich habe mein Teil, und glücklicherweise ist es auch seine oder ihre Mei¬
nung, daß das ein Glück sei! Da sitzt es oder sie in der Turbinenstube mit
dem Nähzeug im Schoß und läßt sich von mir in Ermangelung eines Inter¬
essanteren von Pfisters Mühle erzählen in der Villeggiatur. Reizend sieht es
aus, mein bescheiden lieblich Teil, neben dem Beutelkasten. Ich weiß nichts
Hübscheres in aller weiten und nahen Welt als mein mir beschieden Teil, wie
es dasitzt an unserm Tischchen vor dem stillen Kammrad und den unbeweglichen
Mühlsteinen, mit dem heißen Tag draußen und dem Fluß, der für jetzt noch
munter fort und fort rauscht durch den jetzt so nutzlosen Mühlrechen. Um den
Weltbaum herum sucht sich die Sonne aber doch wieder ihren Weg in unsern
kühlen Schlupfwinkel und zu meinem jungen Weibe; gerade als ob auch sie
mir eben mein wonniglich Teil vom Glücke dieser Erde in das beste Licht zu
stellen den Auftrag erhalten habe.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157218"/>
          <fw type="header" place="top"> pfisters Mühle.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1011" prev="#ID_1010"> Wachslichter zwischen den vergoldeten Nüssen und Äpfeln, den Zuckerherzen und<lb/>
allem, was sonst Christine aus der Stadt zum Zweck mitgebracht hatte, anzu¬<lb/>
zünden. Christine selbst freilich scharwerkte in Verbindung mit den beiden Mägden<lb/>
der Wirtschaft noch aufgeregt in der Küche und hatte mir vorerst nur eine<lb/>
feuchte und nach einem Gemisch von Zwiebeln und Zitronen duftende Hand zum<lb/>
Willkommen durch die Thürspalte reichen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1012"> Es war ihnen Gottlob allen lieb, daß wir endlich da waren. Sie kamen<lb/>
sämtlich bei unserm Eintritt in Bewegung. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1013"> 'Rau mit der Lunte, saufe! kommandirte mein Vater, und über alles Be¬<lb/>
grüßungsgetöse von Vater Pfisters Weihnachtsgesellschaft klang eine tiefe, klang¬<lb/>
volle Stimme:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1014"> Willkommen im Hafen, meine Herren!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"> Man muß sich immer erst eine Weile an das Licht gewöhnen, wenn man<lb/>
von der Landstraße, aus der Nacht und dem scharfen Nordost kommt. Wir<lb/>
hielten beide noch die Hände über die Augen; aber jene Stimme kannten wir<lb/>
seit lange bei Nacht und bei Tage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1016"> He, auch der Sänger!. . . Vater Pfister, Sie sind wie immer der Meister¬<lb/>
mann! . . . Lippoldes! Natürlich &#x2014; zu dem Guten bringt er das Beste! Guten<lb/>
Abend, göttergeweihter &#x2014; alter Freund.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1017"> Ich erlaube mir, Ihnen meine Tochter vorzustellen, Asche. &#x2014; Meine<lb/>
Tochter &#x2014; Herr Doktor Asche! &#x2014; Herr Eberhard Pfister Junior &#x2014; meine<lb/>
Tochter Albertine! Ja, Ihr Herr Vater war so freundlich, uns zu dem heutigen<lb/>
Festabend einzuladen, lieber Ebert!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Zwölftes Blatt.<lb/>
Unter Vater Pfisters Weihnachtsbaum.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1018"> Ich habe mein Teil, und glücklicherweise ist es auch seine oder ihre Mei¬<lb/>
nung, daß das ein Glück sei! Da sitzt es oder sie in der Turbinenstube mit<lb/>
dem Nähzeug im Schoß und läßt sich von mir in Ermangelung eines Inter¬<lb/>
essanteren von Pfisters Mühle erzählen in der Villeggiatur. Reizend sieht es<lb/>
aus, mein bescheiden lieblich Teil, neben dem Beutelkasten. Ich weiß nichts<lb/>
Hübscheres in aller weiten und nahen Welt als mein mir beschieden Teil, wie<lb/>
es dasitzt an unserm Tischchen vor dem stillen Kammrad und den unbeweglichen<lb/>
Mühlsteinen, mit dem heißen Tag draußen und dem Fluß, der für jetzt noch<lb/>
munter fort und fort rauscht durch den jetzt so nutzlosen Mühlrechen. Um den<lb/>
Weltbaum herum sucht sich die Sonne aber doch wieder ihren Weg in unsern<lb/>
kühlen Schlupfwinkel und zu meinem jungen Weibe; gerade als ob auch sie<lb/>
mir eben mein wonniglich Teil vom Glücke dieser Erde in das beste Licht zu<lb/>
stellen den Auftrag erhalten habe.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] pfisters Mühle. Wachslichter zwischen den vergoldeten Nüssen und Äpfeln, den Zuckerherzen und allem, was sonst Christine aus der Stadt zum Zweck mitgebracht hatte, anzu¬ zünden. Christine selbst freilich scharwerkte in Verbindung mit den beiden Mägden der Wirtschaft noch aufgeregt in der Küche und hatte mir vorerst nur eine feuchte und nach einem Gemisch von Zwiebeln und Zitronen duftende Hand zum Willkommen durch die Thürspalte reichen können. Es war ihnen Gottlob allen lieb, daß wir endlich da waren. Sie kamen sämtlich bei unserm Eintritt in Bewegung. — 'Rau mit der Lunte, saufe! kommandirte mein Vater, und über alles Be¬ grüßungsgetöse von Vater Pfisters Weihnachtsgesellschaft klang eine tiefe, klang¬ volle Stimme: Willkommen im Hafen, meine Herren! Man muß sich immer erst eine Weile an das Licht gewöhnen, wenn man von der Landstraße, aus der Nacht und dem scharfen Nordost kommt. Wir hielten beide noch die Hände über die Augen; aber jene Stimme kannten wir seit lange bei Nacht und bei Tage. He, auch der Sänger!. . . Vater Pfister, Sie sind wie immer der Meister¬ mann! . . . Lippoldes! Natürlich — zu dem Guten bringt er das Beste! Guten Abend, göttergeweihter — alter Freund. Ich erlaube mir, Ihnen meine Tochter vorzustellen, Asche. — Meine Tochter — Herr Doktor Asche! — Herr Eberhard Pfister Junior — meine Tochter Albertine! Ja, Ihr Herr Vater war so freundlich, uns zu dem heutigen Festabend einzuladen, lieber Ebert! Zwölftes Blatt. Unter Vater Pfisters Weihnachtsbaum. Ich habe mein Teil, und glücklicherweise ist es auch seine oder ihre Mei¬ nung, daß das ein Glück sei! Da sitzt es oder sie in der Turbinenstube mit dem Nähzeug im Schoß und läßt sich von mir in Ermangelung eines Inter¬ essanteren von Pfisters Mühle erzählen in der Villeggiatur. Reizend sieht es aus, mein bescheiden lieblich Teil, neben dem Beutelkasten. Ich weiß nichts Hübscheres in aller weiten und nahen Welt als mein mir beschieden Teil, wie es dasitzt an unserm Tischchen vor dem stillen Kammrad und den unbeweglichen Mühlsteinen, mit dem heißen Tag draußen und dem Fluß, der für jetzt noch munter fort und fort rauscht durch den jetzt so nutzlosen Mühlrechen. Um den Weltbaum herum sucht sich die Sonne aber doch wieder ihren Weg in unsern kühlen Schlupfwinkel und zu meinem jungen Weibe; gerade als ob auch sie mir eben mein wonniglich Teil vom Glücke dieser Erde in das beste Licht zu stellen den Auftrag erhalten habe.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/293>, abgerufen am 27.12.2024.