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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Notizen.

Verdienst; aber nun sorgen auch Sie, Ebert, nach Kräften dafür, daß der
als Übergelehrter das Seinige an uns thut. Es ist ja diesmal wirklich, als
ob uns die Doktoren zu unserm einzigster Troste in die Welt gesetzt wären:
ohne unsern andern von der Art stünde es an manchem gegenwärtigen Winter¬
abend noch tausendmal elender um Pfisters Mühle; und einen schlimmen Zahler
muß unser Meister ja 'mal zu jederzeit auf dem Konto haben. Das ist eben sein
absonderlich Privatvergnügen, zu dem er unter Millionen allein auf die Welt
gekommen scheint. Und dann Fräulein Albertine --

Ich wußte es natürlich, von wem der Alte redete; aber ehe ich ihm meine
vollständige Übereinstimmung mit seiner Meinung kundgeben konnte, rief mein
Vater derartig ungeduldig von der Hausflur des blauen Bockes her nach seinem
getreuen Knechte, daß dieser allen Grund hatte, sich und den braven Mühlen-
Hans zu beeilen.

Zehn Minuten später standen Adam und ich in dem Thorbogen und sahen
dem Vater Pfister nach, wie er heimwärts fuhr und wenig Trost aus der
Stadt mit nach Hause nahm. Mit den Augen konnten wir ihm und dem
Gefährt nur wenig über die nächste Laterne am Wege folgen; aber wir standen
in der scharfen Zugluft und dem feuchten Niederschlag des Winterabends unter
dem Thor und Schilde des blauen Bockes, bis sich das letzte Nädergerassel
des Müllerwagens vou Pfisters Mühle in der Ferne verloren hatte.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Zur Frage der gemischten Ehen.

In einem vorjährigen Artikel der
Grenzboten über die Mischehenfrage war ausgeführt, daß es als das beste und
gerechteste erscheine, wenn die Kinder, welche aus solchen Ehen hervorgehen, je
nach dem Geschlecht der Konfession von Vater und Mutter folgten. Bei diesem
Modus der Teilung der in einer solchen Ehe vorhandenen Kinder -- die Söhne
für die Konfession des Vaters, die Töchter für die Konfession der Mutter --
könne es am leichtesten zu einem Friedensschluß und zu freundlichem Einver¬
nehmen der beiden beteiligten Kirchen kommen; es sei endlich Zeit, daß die alte
Streitfrage über die religiöse und kirchliche Erziehung der Kinder aus gemischten
Ehen in friedlichem Sinne zu einer Entscheidung gelange, und der Wahrheit
gemäß durfte bezeugt werden, daß mindestens die protestantische Kirche herzlich gern
zu einer billigen Einigung bereit sei.

Auch uns will es nicht als das richtige erscheinen, daß die sämtlichen Kinder
in der Konfession der Mutter erzogen werden; auch die Lösung der Frage will
uns weniger zusagen, daß der Vater der Familie mit seiner Konfession der allein


Notizen.

Verdienst; aber nun sorgen auch Sie, Ebert, nach Kräften dafür, daß der
als Übergelehrter das Seinige an uns thut. Es ist ja diesmal wirklich, als
ob uns die Doktoren zu unserm einzigster Troste in die Welt gesetzt wären:
ohne unsern andern von der Art stünde es an manchem gegenwärtigen Winter¬
abend noch tausendmal elender um Pfisters Mühle; und einen schlimmen Zahler
muß unser Meister ja 'mal zu jederzeit auf dem Konto haben. Das ist eben sein
absonderlich Privatvergnügen, zu dem er unter Millionen allein auf die Welt
gekommen scheint. Und dann Fräulein Albertine —

Ich wußte es natürlich, von wem der Alte redete; aber ehe ich ihm meine
vollständige Übereinstimmung mit seiner Meinung kundgeben konnte, rief mein
Vater derartig ungeduldig von der Hausflur des blauen Bockes her nach seinem
getreuen Knechte, daß dieser allen Grund hatte, sich und den braven Mühlen-
Hans zu beeilen.

Zehn Minuten später standen Adam und ich in dem Thorbogen und sahen
dem Vater Pfister nach, wie er heimwärts fuhr und wenig Trost aus der
Stadt mit nach Hause nahm. Mit den Augen konnten wir ihm und dem
Gefährt nur wenig über die nächste Laterne am Wege folgen; aber wir standen
in der scharfen Zugluft und dem feuchten Niederschlag des Winterabends unter
dem Thor und Schilde des blauen Bockes, bis sich das letzte Nädergerassel
des Müllerwagens vou Pfisters Mühle in der Ferne verloren hatte.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Zur Frage der gemischten Ehen.

In einem vorjährigen Artikel der
Grenzboten über die Mischehenfrage war ausgeführt, daß es als das beste und
gerechteste erscheine, wenn die Kinder, welche aus solchen Ehen hervorgehen, je
nach dem Geschlecht der Konfession von Vater und Mutter folgten. Bei diesem
Modus der Teilung der in einer solchen Ehe vorhandenen Kinder — die Söhne
für die Konfession des Vaters, die Töchter für die Konfession der Mutter —
könne es am leichtesten zu einem Friedensschluß und zu freundlichem Einver¬
nehmen der beiden beteiligten Kirchen kommen; es sei endlich Zeit, daß die alte
Streitfrage über die religiöse und kirchliche Erziehung der Kinder aus gemischten
Ehen in friedlichem Sinne zu einer Entscheidung gelange, und der Wahrheit
gemäß durfte bezeugt werden, daß mindestens die protestantische Kirche herzlich gern
zu einer billigen Einigung bereit sei.

Auch uns will es nicht als das richtige erscheinen, daß die sämtlichen Kinder
in der Konfession der Mutter erzogen werden; auch die Lösung der Frage will
uns weniger zusagen, daß der Vater der Familie mit seiner Konfession der allein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/204>, abgerufen am 27.12.2024.